# taz.de -- Kriegsparteien verhindern Hilfe: Im Jemen ist selbst Mehl umkämpft
> Die meisten Toten des Jemen-Kriegs fordern nicht die Kämpfe, sondern
> Hunger und Krankheit. Hilfe kommt nur zum Teil bei den Bedürftigen an.
IMG Bild: Ein Mädchen in Sanaa wartet auf die Essensspende einer lokalen Hilfsorganisation
Beirut taz | 51.000 Tonnen Getreide. Das würde reichen, um 3,7 Millionen
Menschen einen Monat lang zu ernähren. Vergangene Woche jedoch schlugen die
Vereinten Nationen Alarm: Wenn sie nicht bald Zugang zu den Getreidesilos
in der [1][jemenitischen Hafenstadt Hudaida] erhielten, drohe das Korn zu
verrotten.
Seit September schon blockieren die Huthi-Rebellen nach UN-Angaben den
Zugang von Mitarbeitern des Welternährungsprogramms zu den Silos. Die
Huthis kämpfen gegen die jemenitische Regierung, die versucht, die
besetzten Teile des Landes mit Unterstützung einer saudisch geführten
Militärkoalition zurückzuerobern.
Der Jemenkrieg hat Zehntausenden Menschen das Leben gekostet. Die Mehrzahl
der Toten aber forderten nicht die Kämpfe, sondern Hunger und Krankheiten.
Rund 85.000 Kinder seien an den Folgen von Hunger gestorben sein,
[2][schätzt] die Organisation [3][Save the Children.]
Am Dienstag [4][erklärten die UN], dass zwei Drittel des Landes vor einer
Hungersnot stünden. Eine Hungersnot wird ausgerufen, wenn drei Kriterien
erfüllt sind: Einer von fünf Haushalten leidet unter extremem
Lebensmittelmangel; drei von zehn Kleinkindern sind stark unterernährt;
mindestens zwei von 10.000 Menschen sterben täglich an Nahrungsmangel. Im
Jemen sind die ersten beiden Kriterien in vielen Gegenden bereits erfüllt
oder beinahe erfüllt. Die UN beschreiben die Situation als schlimmste
humanitäre Katastrophe der Welt.
## Kontrollen verzögern Weitertransport
Die blockierten Getreidesilos in Hudaida sind nur einer von mehreren
Faktoren, die zu der desaströsen Lage beitragen. Doch sie zeigen, wie die
Kriegsparteien teilweise verhindern, dass bitternötige Hilfsleistungen die
Notleidenden erreichen. Im vergangenen Jahr hielt ein [5][Brief eines
Expertenpanels] an den UN-Sicherheitsrat fest, wie beide Seiten –
Saudi-Arabien und die jemenitische Regierung einerseits, die Huthi-Rebellen
andererseits – ein Hindernis für Hilfslieferungen darstellen.
[6][Saudi-Arabien] hat im November 2017 die jemenitischen Häfen und
Flughäfen geschlossen, nachdem die Huthis eine Langstreckenrakete auf Riad
abgefeuert hatten. Die Seeblockade ist mittlerweile teilweise wieder
aufgehoben, doch seither werden alle Lieferungen, die über den Hafen von
Hudaida ins Land kommen, von den UN und der Militärkoalition kontrolliert.
Das verzögert den Weitertransport. Über Hudaida laufen rund siebzig Prozent
aller Importe.
Auf der anderen Seite erschweren nach Angaben der UN-Experten auch die
[7][Huthis die Verteilung von Hilfsgütern], indem sie Produkte abzweigen,
Lieferungen verzögern oder Gebiete zu Militärzonen erklären.
„Die Huthis erheben Zölle an Checkpoints und ziehen einen gewissen
Prozentsatz der transportierten Ware ein“, erklärt der Aktivist und Analyst
Hisham al-Omeisy gegenüber der taz. Die beschlagnahmten Güter – etwa
Speiseöl oder Mehl – verteilten sie dann entweder an ihre Kämpfer oder
verkauften sie auf dem Schwarzmarkt.
## UN-Partner bereicherten sich
Eine Recherche der Nachrichtenagentur AP veranschaulicht das Ausmaß der
Veruntreuung von Hilfsgütern: So hatten die UN zum Beispiel in die Stadt
Saada im Norden des Landes die doppelte Menge der Hilfsgüter geschickt, die
eigentlich nötig gewesen wären. Trotzdem hätten aber 65 Prozent der
dortigen Bevölkerung nicht genug zu Essen gehabt.
Auch das Welternährungsprogramm hat Anfang des Jahres offengelegt, dass nur
ein Teil der Hilfslieferungen bei den Betroffenen ankommt. In der
[8][Hauptstadt Sanaa] sollen nur 40 Prozent jener, die Anspruch auf
Hilfsgüter hatten, auch tatsächlich versorgt worden sein. In Saada soll es
ein Drittel gewesen sein. Mindestens eine ihrer Partnerorganisationen soll
Hilfsgüter abgezweigt haben, erklärte die UN-Organisation. Sollten die
Huthis nichts gegen die Korruption unternehmen, würden die Hilfslieferungen
eingestellt. Die Huthi-Rebellen wiesen die Vorwürfe zurück.
Die umgehenden Dementis der Huthis auf Vorwürfe zeigten, wie sehr den
Rebellen an ihrem Image gelegen sei, sagt Analyst al-Omeisy. Er hält es für
falsch, dass sich die [9][UN mit Kritik] weitgehend zurückhalten aus
Furcht, die Huthis könnten ihnen den Zugang zu den von ihnen kontrollierten
Gebieten ganz verwehren. „Die Huthis reagieren sehr sensibel auf Kritik
seitens der UN. Das sollten die UN nutzen.“ Die Huthis könnten es sich
nicht erlauben, die UN zu verprellen.
22 Feb 2019
## LINKS
DIR [1] /Krieg-im-Jemen-eskaliert/!5549673
DIR [2] https://www.savethechildren.org/us/about-us/media-and-news/2018-press-releases/yemen-85000-children-may-have-died-from-starvation
DIR [3] /Bericht-von-Save-the-Children/!5573584
DIR [4] https://www.unocha.org/story/yemen-time-act-now
DIR [5] https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1800513.pdf
DIR [6] /Amnesty-Bericht-zum-Jemen-Krieg/!5570610
DIR [7] /Krieg-im-Jemen/!5562279
DIR [8] /Kaempfe-im-Jemen/!5013037
DIR [9] /Gespraeche-in-Genf/!5530998
## AUTOREN
DIR Meret Michel
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