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       # taz.de -- Kriegsverbrechen-Denkmal in Freiburg: Keine Erinnerung an „Trostfrauen“
       
       > Freiburgs Bürgermeister will keine Statue zur Erinnerung an die
       > Verbrechen Japans in Südkorea aufstellen. Es ist ihm zu heikel.
       
   IMG Bild: Wieviel Wirbel eine kleine Statue hervorrufen kann
       
       Freiburg taz | Eigentlich sollte es ein Geschenk unter Freunden sein. Aber
       die Bronzestatue einer sitzenden Frau mit starrem Blick, neben der ein
       Platz freibleibt, hat den grünen Freiburger Oberbürgermeister in
       diplomatische Verwicklungen gestürzt.
       
       Die Skulptur ist das Bildnis einer koreanischen Zwangsprostituierten, einer
       sogenannten Trostfrau. Das Mahnmal des hunderttausendfachen Missbrauchs
       sollte im Freiburger Stadtpark aufgestellt werden. Ein Zeichen für Frieden
       und Versöhnung. Und ein Zeichen der Städtepartnerschaft zwischen der Stadt
       im Breisgau und der südkoreanischen Millionenstadt Suwon. Sie war erst im
       Frühjahr geschlossen worden. Doch kaum war bekannt, dass eine erste solche
       Statue in Europa nun in Freiburg ihren Platz finden sollte, brach über der
       Stadt und ihren grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon ein mediales und
       diplomatisches Gewitter herein.
       
       Der japanische Generalkonsul beschwerte sich nicht nur im Freiburger
       Rathaus, sondern gleich bei der Landesregierung in Stuttgart. Die Japaner
       drohten gar damit, die Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und der
       südjapanischen Stadt Matsuyama zu beenden, falls die Statue in Freiburg
       installiert wird.
       
       Was Freiburgs OB offenbar nicht bewusst war: Die Frage, wie mit dem
       institutionalisierten Missbrauch und der Folter an den koreanischen Frauen
       in japanischen Militärbordellen während des Zweiten Weltkriegs umzugehen
       ist, ist eine Auseinandersetzung, die zwischen Japan und Korea bis heute
       schwelt. Zwar haben sich Japan und Korea nach jahrzehntelangen
       Auseinandersetzungen 2015 auf einen Entschädigungsfonds in Höhe von 7,5
       Millionen Euro und eine offizielle Entschuldigung Japans geeinigt. Doch
       wurde dieser Kompromiss, so der Bonner Japanologe und Historiker Reinhard
       Zöllner, „in Korea wie in Japan von der breiten Bevölkerung nicht
       akzeptiert“.
       
       Die Objekte, an denen der Streit zwischen den Nachbarn in Fernost immer
       wieder aufbricht, sind genau diese Trostfrau-Statuen. Die erste ihrer Art
       war 2011 von südkoreanischen Bürgerrechtsgruppen vor der japanischen
       Botschaft in Seoul aufgestellt worden.
       
       Eigentlich sollte sie mit der Einigung der beiden Länder wieder abgebaut
       werden, was bisher aber nicht geschah. Die koreanische Bürgerrechtsbewegung
       nutzt die Statuen seitdem vielmehr weltweit, um Druck auf Japan auszuüben,
       sich endlich ehrlich seiner Geschichte zu stellen.
       
       ## Partnerschaft mit moralischem Druck
       
       Dass eine Städtepartnerschaft dafür genutzt wird, Japan moralisch unter
       Druck zu setzen, ist neu. Der Grund dafür ist wohl, dass der neugewählte
       Oberbürgermeister von Suwon, Yeon Tae Young, seine politischen Wurzeln in
       der Bürgerbewegung hat.
       
       Freiburg ist es durchaus gewohnt, Städtefreundschaften zu gegensätzlichen
       Partnern auszubalancieren, wie etwa die Partnerschaft zum israelischen Tel
       Aviv und zu der iranischen Stadt Isfahan zeigen. Deshalb ist es
       verwunderlich, dass OB Salomon ausgerechnet im koreanischen Fall so
       ungeschickt agiert.
       
       Salomon berichtet, er habe das Geschenk in einem Telefonat mit seinem
       koreanischen Amtskollegen spontan angenommen. Er fühlt sich nun vom
       koreanischen Amtskollegen „instrumentalisiert“ und verzichtet dankend auf
       die Statue. Salomon bekennt: „Ich habe einen Fehler gemacht und von der
       deutschen Erinnerungskultur auf die Japans geschlossen.“
       
       Reinhard Zöllner findet, im Streit um die Trostfrauen habe keine Seite eine
       gute Figur gemacht. „Beim derzeitigen Stand der Diskussion hätte eine
       Statue in Freiburg nicht zur Versöhnung beitragen können.“
       
       Doch der Wissenschaftler sieht auch eine Chance. Denn auch die sexuelle
       Gewalt der Wehrmacht an der Ost- und Westfront während des Zweiten
       Weltkriegs sei längst nicht aufgearbeitet, findet der Historiker. Freiburg
       könnte also ein guter Ort für einen deutsch-koreanisch-japanischen
       Historikerkongress sein, der sich mit diesem dunklen Kapitel der Soldaten
       im Zweiten Weltkrieg beschäftigt.
       
       5 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
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