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       # taz.de -- Kriminelle deutsche Clans: Verfolgungsjagden auf der Autobahn
       
       > West- und ostdeutsche Cliquen nutzten das Chaos der Neunziger und das
       > Wegschauen von Behörden und Politik aus und bereicherten sich schamlos.
       
   IMG Bild: Der untergetauchte Bauunternehmer Jürgen Schneider bei seiner Verhaftung in Miami
       
       Mein Vortrag war längst zu Ende und alle Fragen beantwortet, als sich eine
       Ursula aus dem Publikum meldete, nur um zu sagen, dass sie nicht so gerne
       nach Duisburg-Marxloh geht. „Sie wissen schon warum“, sagte sie. Und
       meinte: Wegen den Ausländern dort. Ich sagte etwas Diplomatisches, an das
       ich mich im Detail nicht mehr erinnern kann und [1][meinte damit
       eigentlich]: Duisburg-Marxloh kann auf Ihren Besuch auch gut verzichten.
       
       Im Hotelzimmer wollte ich dann abschalten. Ich schaltete [2][wie ein Boomer
       den Fernseher ein] und auf dem Spartensender ZDFinfo lief ein Trailer für
       eine Doku über sogenannte arabische Clans und No-go-Areas, in die sich
       Ursula bestimmt nicht traut. Die Musik im Trailer suggerierte große Gefahr
       und kriminelle Energie. [3][Natürlich rauchte jemand Shisha] und ein
       Alman-Experte laberte etwas von „Parallelgesellschaften“, „Ehre“ und so
       weiter. Die Botschaft: Die sind kriminell wegen ihrer Kultur, ihrer DNA,
       ihrer ethnischen Zugehörigkeit.
       
       Ich schaute trotzdem weiter und wurde nicht enttäuscht. Nach dem Trailer
       begann eine Doku zum Thema Wirtschaftskriminalität in den Neunzigern, als
       westdeutsche GmbHs ostdeutsche Betriebe feindlich übernahmen. Auch bekannt
       als treuhändische Wiedervereinigung. Ich hätte gerne eine Tüte Popcorn
       gehabt. Ein Fall war besser als der andere: So ein Alman kaufte die
       Berliner Wärmeanlagenbau mit dem Vermögen der Wärmeanlagenbau. Wie dreist
       ist das denn? Er bekam das Unternehmen rübergeschoben und zahlte den
       Kaufpreis dann aus dem Vermögen der Firma, die er kaufen sollte. In der
       Doku wird der Typ später dabei gezeigt, wie er in einem Robin-Hood-Kostüm
       zusammen mit einer Stripperin samt Riesenschlangen seinen Geburtstag
       feiert.
       
       ## Kriminalität inhärent in der deutschen Kultur festgeschrieben
       
       Auch nice: Die Geschichte der Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei aus
       Rostock. Sie hatte volle Auftragsbücher und man hätte sie fit für den
       Kapitalismus machen können, aber ein Wessi trieb das Unternehmen mit viel
       krimineller Energie in den Ruin. Ein anderer Typ kaufte die halbe Leipziger
       Innenstadt auf, obwohl er exakt null Euro Kapital besaß. Die Banken gaben
       ihm 5,5 Milliarden Euro an Krediten, die er in wenigen Jahren versenkte.
       Der Alman tauchte in Miami unter, wurde mit internationalem Haftbefehl
       gesucht und schließlich mithilfe des FBI zurückgebracht.
       
       Diese Geschichten endeten mit Verfolgungsjagden auf der Autobahn, mit
       verschwundenen Millionenbeträgen auf Konten von Freunden und
       Familienangehörigen. Sie endeten in der Schweiz oder in Österreich. West-
       und ostdeutsche Cliquen bereicherten sich schamlos, nutzten das Chaos der
       Neunziger und die Tatsache, dass Behörden und Politik einfach wegschauten,
       aus. Die Kriminellen hießen Borchers, Schneider oder Rottmann. Man könnte
       meinen, dass es sich um organisierte Clans handelt und dass Kriminalität
       inhärent in der deutschen Kultur festgeschrieben ist.
       
       10 Mar 2023
       
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