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       # taz.de -- Kritik an Tangentialverbindung Ost: Irritierende Tangente
       
       > Keine Schienen, kein Konzept, Waldrodungen und hohe Kosten: Es gibt viel
       > Kritik an der TVO, deren Planunterlagen aktuell zur Einsicht ausliegen.
       
   IMG Bild: UmweltschützerInnen protestieren schon seit Jahren gegen die TVO – hier 2021 in Wuhlheide
       
       Berlin taz | Für AutofahrerInnen und AnwohnerInnen dürfte es eine gute
       Nachricht sein, dass sich [1][das fehlende Mittelstück der
       Tangentialverbindung Ost (TVO)] nach Jahrzehnten endlich im
       Planfeststellungsverfahren befindet. Die Berliner Umweltorganisationen,
       aber auch der Fahrgastverband IGEB sind weitaus weniger glücklich damit.
       Vor allem [2][nach Einsicht der Planunterlagen], die seit vergangenem
       Dienstag in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für vier Wochen
       ausliegen.
       
       „Höchst irritiert“ sei man von diesen Unterlagen, [3][teilte die IGEB am
       Donnerstag mit], „denn von ‚Miteinander‘ oder gar gesamtheitlicher
       Betrachtung können wir hier nichts erkennen“. Das „Miteinander“ der
       unterschiedlichen Verkehrsträger war ein Mantra der jüngst ausgeschiedenen
       Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). Der Nutzen der Autostraße zwischen
       Marzahn und Köpenick für den öffentlichen Nahverkehr, den sich die
       Fahrgastlobby erhofft hatte, ist aus ihrer Sicht aber mehr als
       überschaubar.
       
       Zwar sind laut den Planunterlagen barrierefreie Bushaltestellen auf der gut
       7 Kilometer langen Strecke zwischen Märkischer Allee und Spindlersfelder
       Straße vorgesehen – laut IGEB ist das sogar ein Fortschritt, denn
       ursprünglich sei gar kein ÖPNV auf der Straße vorgesehen gewesen.
       Allerdings seien die Haltestellen einfach „nachträglich ohne Linienkonzept
       dazugeplant“ worden. Schlimmer noch: Die seit vielen Jahren von
       KritikerInnen der TVO geforderte „Nahverkehrstangente“, auf der parallel
       zum Autoverkehr S- oder Regionalbahnen rollen sollen, werde „gar nicht erst
       erwähnt“.
       
       Allerdings gibt es nach aktuellem Stand immerhin die Zusage der
       Senatsverkehrsverwaltung, dass ein 40 Meter breiter Korridor für die
       Nahverkehrstangente freigehalten wird. Wann die geplant, gebaut und in
       Betrieb genommen werden könnte, steht dabei in den Sternen. Schon die TVO
       wird wohl frühestens 2032 oder 2033 fertig werden – die Bauarbeiten, die
       vermutlich 2026 beginnen können, sollen 6 bis 7 Jahre in Anspruch nehmen.
       Das teilte Manja Schreiner noch kurz vor ihrem Rücktritt auf einer
       Informationsveranstaltung Ende April im FEZ Wuhlheide mit.
       
       Diskutiert werden durfte dabei übrigens nicht – dafür sei der Rahmen zu
       groß, hieß es. Stattdessen haben Interessierte jetzt bis zum 6. Juni Zeit,
       sich die umfangreichen Unterlagen in der Bauverwaltung auf Papier oder
       digital im Netz anzusehen und Einwände zu erheben. Aus Sicht der IGEB
       besteht etwa die Gefahr, dass die vom Senat für die parallel verlaufende
       Köpenicker Straße erwartete Entlastung nicht eintrete. Werde die Straße
       dann, wie in den Unterlagen angedeutet, nach dem Mobilitätsgesetz
       umgestaltet, könnte das für den Busverkehr eng werden.
       
       ## Das Märchen von der Entlastung
       
       Das „Entlastungmärchen“ sei längst widerlegt, so die IGEB, der auf die
       Dörpfeldstraße in Adlershof verweist. Auf der sollte durch den bereits
       bestehenden südlichen Abschnitt der TVO eigentlich deutlich weniger
       Autoverkehr unterwegs sein, nach Angaben der IGEB stieg er sogar an, weil
       flankierende Maßnahmen fehlten. Jetzt brauche es daher „klare Festlegungen“
       bei der Planfeststellung, sonst werde die neue Straße nur weiteren Verkehr
       induzieren. Mit der Beruhigung der angrenzenden Kieze, die viele
       BewohnerInnen sehnlichst erhoffen, wäre es dann doch wieder nichts.
       
       Die IGEB ist auch eine von 15 verkehrs- und umweltpolitischen
       Organisationen und Bürgerinitiativen, die sich Anfang des Monats zum
       Bündnis „Schiene vor TVO“ zusammengetan haben. Beteiligt sind unter anderem
       die BI Wuhlheide, der FUSS e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz
       (BUND), der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Robin Wood. Gemeinsam wollen
       sie Druck auf den Senat machen: Er soll von seiner „Fixierung auf eine
       4-streifige Umsetzung der TVO“ abrücken, zugunsten des „Ausbaus sozial- und
       umweltgerechter Alternativen durch den ÖPNV und insbesondere die Schiene“.
       
       Im Prinzip ist es für einen „zielpolitischen Neustart des Vorhabens“, wie
       ihn das Bündnis fordert, im laufenden Planfeststellungsverfahren zu spät.
       Das sehen die Beteiligten durchaus anders: „Um die Klimaziele zu erreichen,
       braucht Berlin eine grundlegende Wende in der Mobilitätspolitik“, betont
       BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser. Knappe finanzielle Ressourcen müssten
       darum konsequent für den Ausbau des Umweltverbunds investiert werden.
       „Weiterer Straßenbau ist dagegen nicht zukunftsfähig.“
       
       Am Mittwoch kommender Woche lädt die Bürger*inneninitiative
       Wuhlheide die Öffentlichkeit zu einer großen Informationsveranstaltung im
       Stadion an der Alten Försterei ein. Unter dem Motto „Neues Denken für eine
       zukunftsgerechte Stadt- und Mobilitätsentwicklung im Berliner Südosten“
       sollen dabei die Aspekte im Mittelpunkt stehen, die vom Senat zu wenig
       thematisiert worden seien: neben den befürchteten negativen verkehrlichen
       Auswirkungen auch die [4][geplante Rodung von 16 Hektar Wald], Eingriffe in
       Naturgebiete und die prognostizierten Kosten von mittlerweile rund 400
       Millionen Euro.
       
       10 May 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Planungen-fuer-die-TVO/!5977874
   DIR [2] https://www.uvp-verbund.de/trefferanzeige?docuuid=157240c5-461d-4429-b245-84b875667312&q=&rstart=0%C2%A4tSelectorPage=1&rank=date&f=state%3Abe%3Bprocedure%3Aprocedure_10_time%3Bprocedure%3Aprocedure_12_time%3Bprocedure%3Aprocedure_13_time%3Bprocedure%3Aprocedure_14_time%3Bprocedure%3Aprocedure_11_time%3B
   DIR [3] https://x.com/IGEB_Berlin/status/1788326822083444938
   DIR [4] /Rodungen-fuer-Umgehungsstrasse/!5953091
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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       groß.