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       # taz.de -- Kunst-Avantgarde-Schule Black Mountain: Feuer einer anderen Bildung
       
       > Das Black Mountain College ist oft mit dem Bauhaus verglichen worden.
       > Eine Berliner Ausstellung räumt mit der irrigen Annahme auf.
       
   IMG Bild: Buckminster Fullers Klasse am Black Mountain College, Sommer 1949.
       
       Das 1933 von John Andrew Rice in der abgelegenen Urlaubsidylle des
       Bundesstaates North Carolina gegründete Black Mountain College (BMC) war
       keine „Schule für Gestaltung“, wie das Bauhaus in Dessau sich verstand. Das
       BMC wollte auch keine Künstler ausbilden, sondern demokratische Menschen
       erziehen. Die Künste waren dazu eigentlich nur Mittel, um die
       Persönlichkeit der Studenten zu entwickeln.
       
       Dass das BMC dennoch für die Kunst, insbesondere in den USA der zweiten
       Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine so große Rolle einnimmt, liegt vor allem
       daran, dass fast alle Großen aus der künstlerischen Avantgarde irgendwann
       einmal am Black Mountain College studierten, lehrten oder doch wenigstens
       referierten. So etwa John Cage, Merce Cunnnigham, Willem de Kooning, Robert
       Motherwell, Richard Buckminster Fuller, Franz Kline. Auch Cy Twombly und
       Robert Rauschenberg.
       
       Diese Stars der Sammlung Marx am Hamburger Bahnhof waren der Anlass für die
       dortigen Kuratoren Gabriele Knapstein und Eugen Blume, sich mit der
       legendären Schule einmal intensiver zu beschäftigen. Es ist nun keine
       Kunstausstellung dabei herausgekommen, sondern das BMC wird als
       [1][“interdisziplinäres Experiment“] vorgestellt. Es gibt viele Dokumente
       und Fotos in hölzernen Kojen, auch das ein oder andere Gemälde oder
       Kunstwerk, aber man kann diese Ausstellung nicht einfach kulinarisch
       genießen. Es erfordert schon einige Anstrengung, sich anhand der
       ausgebreiteten Materialien Wesen und Geschichte des BMC zu erschließen.
       
       John Andrew Rice, der Gründer des Colleges, war ein Altphilologe, der wegen
       seiner unkonventionellen Lehrmethoden mehrfach aus dem staatlichen
       Lehrbetrieb geflogen war. 1933 gründete er daraufhin seine eigene
       Bildungsanstalt. Mit einer Hochschule üblichen Zuschnitts hatte das BMC
       allerdings nichts mehr gemein: Es gab weder einen verbindlichen Lehrplan
       noch eine Anwesenheitspflicht oder Noten.
       
       ## Freiheit und Landkommune
       
       Wenn es einen zentralen Gedanken am BMC gegeben hat, dann lautete er:
       „Freiheit“. Man wollte freiheitlich denkende, fühlende und handelnde
       Menschen erziehen. Also hatten Lehrer und Studenten fast jede Freiheit, zu
       lehren und zu lernen, was und wie sie wollten. Dazu kam die Prägung durch
       die Community, in der Lehrer und Studenten unter einem Dach lebten,
       gemeinsam die Mahlzeiten einnahmen und sich mühten, die Schule wie eine
       Landkommune mittels Feldarbeit autark werden zu lassen – was nicht wirklich
       gelang.
       
       Die kleine Schule mit höchstens 100 Studenten hielt sich durch Spenden,
       Studiengebühren und Eigenarbeit am Leben, baute sich sogar – nachdem es
       zunächst in einem prächtigen YMCA günstig zur Miete untergekommen war – ein
       eigenes Haus auf eigenem Grund.
       
       Walter Gropius und Marcel Breuer, die beiden Bauhaus-Ikonen, hatten für das
       Schulgebäude sogar einen Entwurf vorgelegt. Der wurde aber aus
       Kostengründen nicht realisiert. Wäre er gebaut worden, hätte der Nimbus
       einer informellen Bauhaus-Nachfolge des Colleges wahrscheinlich größer
       gestrahlt. Nun stehen vor allem Anni und Josef Albers für die Kontinuität
       des Bauhausgedankens.
       
       1933, im Jahr der Schließung des Bauhauses, kam Josef Albers zum BMC und
       setzte hier ungefähr das fort, was am Bauhaus die Grundlehre geheißen
       hatte. Es wurden der Umgang mit Material und zeichnerische Fähigkeiten
       vermittelt. Nicht als Selbstzweck, sondern damit sich die Studenten mit
       ihren Ideen darin ausdrücken konnten. Anni Albers lehrte Weberei, die sie
       bereits am Bauhaus betrieben hatte. Auch Xanti Schawinsky, ebenfalls
       Bauhäusler, übernahm das Bühnenspiel.
       
       ## Who’s who der Avantgarde
       
       Daneben gab es auch Unterricht in Musik und Tanz, in Literatur, in den
       sozialen und naturwissenschaftlichen Fächern. Es kam immer darauf an, wer
       lehrte. In den regelmäßig angehaltenen Sommerkursen kamen zudem viele
       prominente Lehrer und Studenten, die später das Who’s who der
       amerikanischen Avantgarde bilden sollten.
       
       „Ganz, ganz, ganz wichtig“, nennt deshalb Udo Kittelmann Chef der
       Nationalgalerie (zu der der Hamburger Bahnhof gehört) die Ausstellung.
       Wichtig ist aber das BMC vor allem als Gegenmodell zu dem, wie Hochschulen
       ihre Studenten heute gängeln. Das war im Übrigen auch die Begründung, warum
       die Kulturstiftung des Bundes den Geschichtsüberblick zum BMC mit 240.000
       Euro unterstützt hat.
       
       Noch hat das Black Mountain College nicht diesen Mythos wie das Bauhaus. Es
       stellte auch keine Produkte her, mit denen man sich in konsumistischer
       Weise identifizieren könnte. Das BMC stand vielmehr für eine Methode, nicht
       so sehr für Inhalte. Obwohl das freiheitliche Individuum für eine
       freiheitliche Gesellschaft natürlich die Essenz des Bildungsgedankens des
       BMC ausmacht.
       
       Das Unkonventionelle und Experimentelle der Schule lockte dann im Laufe der
       Jahre immer mehr Künstler an. Der letzte Rektor ab 1949, Charles Olsen, war
       bezeichnenderweise Literat, konnte das College aber auch nicht vor dem
       finanziellen Desaster retten. Und noch einmal gibt es hier eine Parallele
       zum Bauhaus. Denn das BMC war in der McCarthy-Zeit ebenso als kommunistisch
       verschrien wie es das Bauhaus seinerzeit bei den Rechten war.
       
       Mit einem derart schlechten Leumund und im Visier des FBI, waren für das
       BMC jedenfalls Spendengeber kaum noch aufzutreiben. Dankenswerterweise hat
       der Hamburger Bahnhof jetzt das Feuer einer anderen Bildungsidee und ihrer
       kreativen Resultate noch einmal ein wenig entfacht.
       
       9 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/ausstellungen/ausstellung-detail/black-mountain-lehren-und-lernen-als-auffuehrungskuenste.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ronald Berg
       
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