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       # taz.de -- Labour-Partei in Großbritannien: Ein Stadtrat und jüdische „Parasiten“
       
       > Neuestes Beispiel einer beängstigenden Debatte in Großbritannien: Ein
       > Labour-Kommunalpolitiker verbreitet Nazi-Thesen zu Juden.
       
   IMG Bild: Härte gegen Gegner: Labour-Chef Jeremy Corbyn
       
       BERLIN taz | Damien Enticott gehört zur neuen britischen Labour-Generation.
       Im Februar wurde der junge Aktivist bei einer Nachwahl in den Stadtrat der
       südenglischen Küstenstadt Bognor Regis gewählt, mit 46 von 80
       abgegebenen Stimmen im Wahlkreis Hatherleigh. Seine Themen: mehr
       Kinderspielplätze, erschwinglicher Wohnraum, eine Fußgängerzone, die
       Rettung des Stadtteilkinos.
       
       Jetzt hat seine Partei ihn suspendiert. Denn auf seiner Facebook-Seite
       teilte Enticott vor wenigen Tagen ein Video mit dem Titel: „Jüdische
       Rituale: Sie trinken Blut und saugen Babypenis“, garniert mit dem eigenen
       Kommentar: „Das machen nur talmudische Juden. Talmudische Juden sind
       Parasiten! (…) Alle Talmuds gehören hingerichtet!“
       
       Ein entsetzter Labour-Genosse veröffentlichte dies Ende vergangener Woche,
       als die drei Wochenzeitungen der jüdischen Gemeinde in Großbritannien auf
       einer [1][gemeinsamen Titelseite einen Aufruf gegen Antisemitismus in der
       Labour-Partei] druckten, in dem sie eine Machtergreifung des Labour-Chefs
       Jeremy Corbyn als „Gefahr für das jüdische Leben“ in Großbritannien
       bezeichneten.
       
       Hintergrund sind die Querelen darüber, dass sich [2][Labour auf Druck des
       Corbyn-Flügels weigert], die international anerkannte Definition von
       Antisemitismus auch parteiintern anzuwenden, sondern eine weichere
       bevorzugt, wonach antisemitische Äußerungen nur dann zu ahnden seien, wenn
       sie nachweislich antisemitisch gemeint waren.
       
       ## „Man sollte sie vergasen“
       
       Im Falle Enticott würde das bedeuten, dass sein Facebook-Post folgenlos
       bliebe – denn „ich teile keine antisemitischen Ansichten“, [3][erläuterte
       er gegenüber Jewish Chronicle]. Er behauptete, ein Mitbewohner in seiner
       WG, der so etwas witzig finde, habe sein Facebook-Konto gehackt.
       
       Dann aber fanden Journalisten ältere Facebook-Einträge Enticotts über
       Juden. „Man sollte sie vergasen“, stand da im Juni 2015, und im März 2017:
       „Hitler hätte eine Lösung für das Israelproblem gehabt.“ Das alles gab es
       also schon, als die Labour-Partei ihn 2018 als Kandidaten aufstellte. Eine
       taz-Anfrage dazu ließ Enticott bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
       
       All das bestätigt diejenigen, die sagen, dass Jeremy Corbyn, seit
       Jahrzehnten Schirmherr der britischen Palästina-Solidarität, Antisemiten in
       der Labour-Partei eine Plattform biete und ihnen nicht entschlossen genug
       entgegentrete. Gefragt wird nun auch, warum Enticott lediglich suspendiert
       und nicht aus der Partei ausgeschlossen worden ist.
       
       Härte bekommen in der Partei jene zu spüren, die Corbyn etwas
       entgegensetzen. Gegen die jüdische Labour-Abgeordnete Margaret Hodge, die
       Corbyn im Parlamentsgebäude ins Gesicht einen Rassisten nannte, läuft ein
       Disziplinarverfahren. Ein zweites wurde jetzt gegen den Labour-Abgeordneten
       Ian Austin eingeleitet, Adoptivsohn einer vor dem Holocaust geflohenen
       jüdischen Familie, weil auch er die neue Labour-Eigendefinition von
       Antisemitismus ablehnt.
       
       Er sei „schockiert und beschämt“ über seine Partei, [4][schrieb Austin im
       Guardian]. Es gebe bei Labour eine antisemitische Minderheit, und Protesten
       dagegen „hört die Führung nicht zu“.
       
       ## „Vom Mossad unterstützte Kampagne“
       
       Aber Angehörige dieser Minderheit tun es. Juden, die Angst vor einer
       Corbyn-Regierung hätten, könnten doch das Land verlassen, hieß es im
       Facebook-Post eines anderen Labour-Unterstützers.
       
       Die schottische Labour-Gemeinderätin Mary Bain Lockhart nannte den
       gemeinsamen Aufruf der jüdischen Zeitungen „eine vom Mossad unterstützte
       Kampagne, um die Wahl einer der Anerkennung Palästinas als Staat
       verpflichteten Labour-Regierung zu verhindern“.
       
       Und ein Aktivist, der mit dem Namen Dave Neve unterschrieb, meinte an die
       Adresse der Corbyn-Kritiker gerichtet: „Die Labour-Partei ist nicht dazu
       da, eine zweite Stimme des zionistischen Israel oder der jüdischen Mafia
       in New York zu sein (…). Euer Verhalten überzeugt doch bloß Millionen
       davon, dass Hitler recht hatte.“
       
       31 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Antisemitismus-in-Grossbritannien/!5519986
   DIR [2] /Britische-Labour-Partei-in-der-Kritik/!5521085
   DIR [3] https://www.mirror.co.uk/news/politics/labour-councillor-suspended-over-execute-12990670
   DIR [4] https://www.theguardian.com/commentisfree/2018/jul/29/angry-labour-antisemitism-ian-austin
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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