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       # taz.de -- Lachszucht in Norwegen: Das große Lachs-Sterben
       
       > Foodwatch fordert einen Verkaufsstopp für norwegischen Lachs. Viele der
       > Fische sterben schon vor der Schlachtung. Eine Alternative ist in Sicht.
       
   IMG Bild: Lachs industriell im Meer zu züchten steht schon lange in der Kritik
       
       Härnösand taz | In Deutschland sollte kein norwegischer Zuchtlachs mehr
       verkauft werden: Das fordert die Verbraucherorganisation Foodwatch. In
       einem am Mittwoch veröffentlichten Report beklagt Foodwatch „skandalöse
       Zustände und steigende Todesraten bei der Fischzucht“ in Norwegen. 100
       Millionen Lachse seien dort 2023 in Lachsbetrieben verendet, bevor sie
       Zuchtreife erreichten. Foodwatch spricht von einer Mitverantwortung des
       deutschen Einzelhandels.
       
       Für ihren Bericht „Faule Fische“ wertete die Organisation Daten von
       Behörden, aus Medienberichten und Studien aus. Ursachen für das
       Lachssterben in den intensiv betriebenen Zuchtkäfigen im Meer seien oft
       Infektionskrankheiten, Verletzungen und der Befall durch Lachsläuse. Die
       Lachslaus ernährt sich von der Haut und dem Blut der Lachse. Die Bilder von
       befallenen Fischen [1][schockierten auch schon aus isländischen Betrieben].
       
       Der Lachskonsum ist laut der Naturschutzorganisation WWF weltweit seit den
       80er Jahren um das Dreifache angestiegen. Der Fisch ist eigentlich als
       gesundes Nahrungsmittel beliebt – aber in der Menge, wie er auch in
       Deutschland verzehrt wird, kann es ihn bislang offenbar nicht ohne
       gravierende Nebenwirkungen für Tier und Umwelt geben.
       
       Diesem Lachsgiganten will Foodwatch nun einen wichtigen Exportmarkt nehmen.
       „Die Supermärkte dürfen sich nicht hinter Gütesiegeln verstecken. Sie
       müssen ihre Macht nutzen, um die katastrophalen Zustände in der
       Lachszuchtindustrie zu beenden“, fordert Annemarie Botzki von der
       Organisation.
       
       ## Lachszucht in Norwegen wird schon lange kritisiert
       
       Foodwatch kritisiert nicht nur die hohe Sterberate beim Zuchtlachs, sondern
       auch den Umgang der Konzerne mit dem Problem: Die norwegische
       Lebensmittelsicherheitsbehörde decke immer wieder gravierende Verstöße auf,
       schreiben die Autoren des Berichtes. So sollten verendete Fische beim
       Lachsproduzenten Lerøy etwa als Lebensmittel für Menschen verarbeitet
       werden.
       
       Kritik an der norwegischen Lachszucht [2][ist nicht neu] – noch hat sie
       keine gravierende Trendwende verursacht. Im Jahr 2023 erwirtschaftete die
       Lachsindustrie dort Rekordeinnahmen, umgerechnet gut 10 Milliarden Euro,
       laut dem Fischerei-Analysten Kontali eine Steigerung um 16 Prozent.
       
       Kritiker wie Foodwatch warnen immer wieder auch vor Gefahren für
       Ökosysteme: Kranke Zuchtlachse [3][entkommen regelmäßig in die Wildnis],
       zudem wird der Lachs mit Fisch gefüttert, was den Fischbestand in den
       Weltmeeren gefährde, vor allem vor Nordwestafrika.
       
       Siegel wie das ASC-Label zur Herkunft des Fisches soll Verbrauchern das
       Gefühl eines problemlosen Einkaufs geben, doch: „Die Rückverfolgbarkeit
       funktioniert kaum“, berichtet Foodwatch nun. Lediglich zwei von zehn
       befragten Lieferanten hätten in ihrer Recherche die Herkunft ihres
       ASC-zertifizierten Lachses tatsächlich offengelegt.
       
       ## Der WWF warnt nicht nur vor Lachs aus Norwegen
       
       Den Hinweis auf einen möglichen Ausweg aus dem Lachsdilemma lieferte,
       zufällig ebenfalls am Mittwoch, die Naturschutzorganisation WWF Schweden.
       Norwegischer Lachs aus geschlossenen Zuchtanlagen an Land – bei denen also
       kein Fisch je im Meer gehalten wird – bekam im aktuellen „Fischguide“ der
       Organisation als nachhaltige Produktionsart grünes Licht. Das ist nicht
       verwunderlich, denn auch der WWF rät, Lachs aus der bisher dominanten
       Aufzucht im Meer zu vermeiden.
       
       Die Organisation nutzt für ihre Empfehlungen ein Ampelsystem. Die gelbe
       Kategorie „Vermeiden“ gilt auch für Zuchtlachs aus Meereskäfigen an den
       Küsten von Schottland, Irland, Island und den Färöy-Inseln – sowie für
       Lachs, der mit Fallen in der Ostsee gefangen wurde. Unter der schlechtesten
       Kategorie „rot“ (in Worten: „Lass es sein“) führt der WWF-Fischguide
       Zuchtlachs aus Südamerika auf – sowie allen weiteren, der nicht explizit
       unter „vermeiden“ oder der grünen Kategorie „gute Wahl“ genannt ist.
       
       Der Anteil des landbasiert gezüchteten Lachses ist noch gering, aber er
       wächst laut den Seafood-Analysten von Kontali besonders stark. Demnach wird
       die Methode ein entscheidender Faktor für das Wachstum der weltweiten
       Lachsproduktion. Die Analysten rechnen mit 27 Prozent Wachstum bis 2030.
       
       Weltweit wurden vergangenes Jahr demnach 11.500 Tonnen Lachs aus
       landbasierter Zucht geschlachtet – für 2025 erwarte man einen Anstieg auf
       mehr als 40.000 Tonnen. Insgesamt kommen 2,5 Millionen Tonnen Lachs pro
       Jahr aus Zuchtbetrieben.
       
       ## Für Lachs, der an Land gezüchtet wird, fehlt das Geld
       
       Die Aussicht, dass die landbasierte Zucht die gravierendsten Probleme der
       Lachszucht lösen könnte, hat offenbar zumindest schon einen Planungsboom
       ausgelöst: Laut dem norwegischen Fachmedium iLaks.no arbeiten weltweit
       derzeit 151 Firmen an Land-Lachszucht-Projekten.
       
       Geplantes Produktionsvolumen sei zusammengelegt 3,5 Millionen Tonnen, und
       mehr als die Hälfte davon machten die Pläne der 66 norwegischen Firmen auf
       der Liste aus. Noch aber fehle den meisten Projekten die Finanzierung –
       dies sei der Flaschenhals auf dem Weg zu einer neuen Lachs-Großindustrie.
       
       4 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Diekhoff
       
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