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       # taz.de -- Lenné-Jahr 2016: Landschaften wie Partituren
       
       > Vor 150 Jahren starb Peter Jospeh Lenné in Potsdam. Der preußische
       > General-Gartendirektor verwandelte Sand, Sumpf und Kiefernheide in
       > Ideallandschaften.
       
   IMG Bild: Macht auch Sanssouci schön: Lenné-Plan zur Umgestaltung der Potsdamer Gärten von 1816.
       
       Einen Garten anzulegen kann eine Kunst sein. Denn Kunst kommt ja von
       Können. Jedenfalls war das im 19. Jahrhundert noch so, als Peter Joseph
       Lenné, preußischer General-Gartendirektor seine Gärten und Parks entwarf.
       Lennés Pläne dazu lesen sich wie Partituren. Die eingezeichneten Wege haben
       etwas Beschwingtes im Vergleich mit den starren Gartenanlagen der
       Barockzeit mit ihren geometrischen Strukturen und Achsen.
       
       Als der 27-jährige Lenné 1816 – zuerst noch als Hofgärtner-Gehilfe – nach
       Potsdam kam, war der Umbruch zum Englischen Landschaftsgarten bereits in
       vollem Gange. Auch Adel und Königshaus in Preußen wollten nun den neuen
       Stil in ihrem Ländereien verwirklichen.
       
       Der junge Lenné, ein Repräsentant der neuen englischen Gesinnung in der
       Gartenkunst, machte also in den preußischen Residenzen von Potsdam und
       Berlin schnell Karriere. Lennés erster Plan für die damals ziemlich
       verwahrlosten, friderizianischen Anlagen von Sanssouci sah einen radikalen
       Umbau vor: keine Achsen mehr und keine Geometrien, stattdessen jene
       geschwungenen Wege durch eine lichte, leicht modellierte Landschaft mit
       Gehölz‑ und Baumgruppen, die immer wieder weite Sichtbeziehungen zu
       einzelnen Gebäuden in der Ferne rahmen. Der Plan wurde so nicht
       verwirklicht. Aber er enthält im Grunde das Wesentliche, was Lenné in
       seinem fünf Jahrzehnte währenden Beamtendasein in preußischen Diensten in
       unzähligen Parks und Gärten erschaffen sollte.
       
       Die Liste von Lennés über hundert verwirklichten Gartenprojekten reicht von
       A wie Aachen wie Z wie Zützen (in der Nähe von Schwedt). Lenné, am 23.
       Januar vor 150 Jahren gestorben, war nicht nur der größte und wichtigste
       Landschaftsarchitekt Preußens, sondern vielleicht auch der fleißigste und
       folgenreichste. Er verwandelte Sand, Sumpf und Kiefernheide der Mark in
       eine Ideallandschaft, in der Erbauung, Träumerei und Erholung keine
       Gegensätze sind. So eben auch in Sanssouci. Lenné hat den Park mit den
       Anlagen rings um Schloss Charlottenhof sogar noch um einiges erweitert. Bis
       in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren hier nur Felder gewesen.
       
       Lenné hatte dabei das Glück, hier mit einem großen Architekten wie Karl
       Friedrich Schinkel zusammenzuarbeiten. Die beiden Männer verstanden sich
       prächtig und ergänzten sich auch sonst in vielen Fällen. Denn Haus und
       Garten gehören ja schließlich zusammen. Und Kronprinz Friedrich Wilhelm
       (der spätere Friedrich Wilhelm IV.) hatte im Falle von Charlottenhof das
       Glück im Team mit zwei überragenden Künstlern seine romantische Idee einer
       guten Herrschaft verwirklichen zu können, die auf antike Ideale rekurriert.
       Lenné hat diese Vorstellung mit seinem „Verschönerungs=Plan der Umgebung
       von Potsdam“ von 1833 weitergedacht und in die von der Havel durchzogenen
       Gefilde zwischen Berlin und Potsdam ein preußisches Arkadien
       hineingezaubert.
       
       ## Der erste „Volksgarten“
       
       Das Ideal einer schönen Landschaft sollte zunächst auch das Ziel für die im
       Laufe des 19. Jahrhunderts neu entstehenden „Volkgärten“ werden. Lenné hat
       den ersten dieser Art 1825 in Magdeburg verwirklicht. Heute ist nur noch
       wenig davon übrig. Die Industrialisierung hat nicht nur diese Gartenanlage
       im Laufe der Zeit immer weiter beschnitten. Lenné hat dagegen die Stadt
       immer als ein Gebilde verstanden, dessen steinerne Struktur durch Schmuck‑
       und Grünanlagen aufgelockert werden muss. So wurde der Berliner Tiergarten,
       einst ein waldiges Jagdgebiet, eigentlich erst durch Lenné unter großen
       Mühen und ständiger finanzieller Gängelei in einen Bürgerpark mit
       großzügigen sonnigen Wiesenflächen verwandelt.
       
       Auch die Pläne für weite Teile des heutigen Kreuzbergs samt Anlage des
       Landwehrkanals stammen im Kern von Lenné. In dem „Projektierten Schmuck-
       und Grenzzügen von Berlin mit nächster Umgebung“ von 1840 plante der
       „Buddelpeter“, wie die BerlinerInnen den unermüdlichen Lenné bald nannten,
       einen breiten Promenadengürtel von der Gneisenaustraße bis zu dem ebenfalls
       von ihm projektierten Zoologischen Garten. Dieser Straßenzug besteht auch
       heute noch, wenngleich statt des promenierenden Fußgängers inzwischen das
       Automobil hier sein Revier hat.
       
       Lenné hat die Stadt noch aus künstlerischer Perspektive gesehen, während
       sie in der zweiten Jahrhunderthälfte immer mehr als technisches Problem
       aufgefasst wurde. James Hobrecht, der Lenné Stadtplanungen nach 1859
       weiterführte, war bezeichnenderweise Spezialist für die Kanalisation.
       Lennés innerstädtische Schmuckplätze sind heute größtenteils verschwunden.
       
       Und auch die Stadtparks sollen heute anderen Bedürfnissen entsprechen als
       der lustwandelnden Beschau von Bosketten und gepflegter Rasenflächen. Dass
       der Park ein Kunstwerk sein kann, auf dem man nicht einfach sonnenbadet,
       grillt oder Fußball spielt, ist heute wenigen StädterInnen einsichtig. Das
       zu spüren, bedarf es wohl zunächst des Bewusstseins für den Kunstcharakter
       der Lennéschen Gärten. Dann hier wurde nicht nur Natur in Kultur
       verwandelt, sondern hier wird noch einmal der erbaulichen Kraft des Schönen
       gehuldigt.
       
       4 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ronald Berg
       
       ## TAGS
       
   DIR Schinkel
   DIR Architektur
   DIR Großer Tiergarten
       
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