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       # taz.de -- Linkspartei im Wandel: Viele Stimmen, aber kein Gesicht
       
       > Bei der Klausur der Linksfraktion bleibt die Spitzenfrage der boomenden
       > Partei offen. Die Hälfte der Abgeordneten tritt angeblich 2026 nicht mehr
       > an.
       
   IMG Bild: Wer führt die Linkspartei in die Berlin-Wahl 2026 und möglicherweise ins Rote Rathaus? Das klärte auch die Fraktionsklausur nicht
       
       Leipzig/Berlin taz | Zumindest eine Sache ist offenbar geklärt. Er werde
       „freischaffender Linker“, antwortet der langjährige Kultursenator Klaus
       Lederer am Rande einer Klausurtagung der Linksfraktion auf die taz-Frage,
       was er denn ab kommendem Jahr mache, wenn es für ihn mit der Landespolitik
       erst mal vorbei ist. Zu Beginn der Klausur im fernen Leipzig wird zugleich
       schnell klar, dass das für eine andere Sache nicht gilt: „Ich kann schon
       mal verraten, dass [1][die Spitzenkandidatur-Frage] hier nicht beantwortet
       wird“, erklärt Fraktionschef Tobias Schulze.
       
       Stattdessen geht es um alternative Haushaltsstrategien, die Landesfinanzen
       (siehe [2][taz.de]) und damit die Zukunft Berlins. „Eine Vision für eine
       Stadt, die von unten wächst“, ist schon der erste Tagesordnungspunkt
       überschrieben. Die Sache ist bloß: Von den aktuell 20 Abgeordneten der
       Fraktion wird ein guter Teil diese Vision nicht mitgestalten können. Nur
       etwa die Hälfte werde bei der Abgeordnetenhauswahl 2026 erneut antreten,
       schätzt Schulze gegenüber der taz die Lage ein.
       
       Nicht nur der künftig freischaffende Lederer geht – Ex-Senator,
       Ex-Landesvorsitzender, drei Mal Spitzenkandidat und bisher 22 Jahre
       Abgeordneter. Er hatte [3][wie seine Fraktions- und früheren Senatskollegen
       Elke Breitenbach und Sebastian Scheel] 2024 die Linke verlassen, weil die
       sich aus seiner Sicht zu wenig gegen Antisemitismus stellte, blieb aber als
       nun Parteiloser Mitglied der Linksfraktion.
       
       Auch die zentrale Figur des ersten Klausurtags wird nicht mehr antreten:
       Steffen Zillich, der 1991 mit 20 Jahren erstmals ins Abgeordnetenhaus kam
       und über Jahre das haushaltspolitische Gesicht der Fraktion war. Ebenfalls
       bei der Wahl 2026 nicht mehr antreten will Carsten Schatz, von 2020 bis
       2024 Fraktionschef.
       
       ## Künftig ein anderes Bild als im Saal „Reclam 2“
       
       Die frühere Landesvorsitzende Katina Schubert lässt immerhin die Frage
       offen, ob sie nach 2026 weitermacht. „Mal sehen“, sagt sie der taz dazu.
       Fraktionschef Schulze selbst will hingegen wieder kandidieren. Seine
       Co-Chefin Anne Helm führt nach eigenen Angaben noch Gespräche über eine
       Kandidatur.
       
       Dass die Fraktion nach der Wahl im September 2026 deutlich anders aussehen
       wird als nun im Saal „Reclam 2“ des Leipziger Tagungshotels, fügt sich ein
       in den generellen Wandel, den die Linke gerade erlebt. Gehörten dem
       Berliner Landesverband im Oktober noch 8.300 Mitglieder, so sind es
       inzwischen über 16.000.
       
       In welche Richtung werden sie, wird die neu formierte Fraktion gehen? So
       offen ist diese Frage auch auf Bundesebene, dass Bodo Ramelow, inzwischen
       Vizepräsident des Bundestags, [4][im Juni auf seiner Homepage fragte]: „Bin
       ich dabei, die Partei zu verlassen – oder verlässt meine Partei gerade
       mich?“
       
       Diese Fragen wären schon allein grundsätzlich interessant. Doch nach der
       jüngsten Umfrage hat das in Berlin Bedeutung weit über die Linke hinaus.
       [5][Die Partei ist demzufolge derzeit stärkste Kraft im linken Lager] und
       könnte eine Koalition mit Grünen und SPD anführen, die in der Umfrage
       deutlich hinter ihr liegen. „Ihr habt ja die Chance, im nächsten Jahr das
       Rote Rathaus wirklich rot zu machen“, beneidet sie in Leipzig der Chef der
       sächsischen Linken, die anders als die Berliner bislang noch nie
       (mit)regierte.
       
       ## Lederer mahnt zu mehr Moderation und Ausgleich
       
       Die Berliner Landeschefin Kerstin Wolter wendet sich im taz-Gespräch am
       Rande dagegen, ihre Partei schlicht in „Regierungslinke“ und erstarkende
       „Bewegungslinke“ einzuteilen. Aus ihrer Sicht gibt es im Landesverband kaum
       jemanden, der es ablehnt zu regieren.
       
       Mehrere Redner argumentieren bei der Klausur, dass Umfragemehrheiten und
       Regieren-wollen allein nicht reichen. Sie fordern einen gewissen
       Realitätssinn – Zillich etwa warnt vor einem Weg, „der in der Umsetzung in
       sich zusammenbricht“. Aber er wird ja nicht mehr dabei sein, falls die
       Linke tatsächlich die Möglichkeit zu einer solchen Umsetzung bekäme. Wie
       eben auch Lederer sagt: Wer im Roten Rathaus regieren wolle, „der muss eine
       Moderations- und Ausgleichsleistung erbringen“. Er weiß, wovon er spricht:
       Als Vize-Regierungschef hatte Lederer bis 2023 auch dort ein Büro.
       
       6 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abgeordnetenhauswahl-2026/!6097821
   DIR [2] /Klausurtagung-in-Leipzig/!6098421
   DIR [3] /Linke-in-Berlin/!6044784
   DIR [4] https://www.bodo-ramelow.de/2025/06/partei-in-bewegung-was-sind-wir-eine-bewegungspartei-oder-sind-wir-eine-partei-die-etwas-bewegt/
   DIR [5] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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