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       # taz.de -- Lithiumgewinnung in Argentinien: Hoffnung für Salzsee kommt und geht
       
       > Indigene wehren sich gegen Megaprojekte zum Abbau von Lithium. Vor
       > Gericht dreht sich der Streit im Kreis. Zugleich werden Kritiker bedroht.
       
   IMG Bild: Landschaft in der argentinischen Provinz Catamarca mit dem Salzsee
       
       Buenos Aires taz | Der jüngste Erfolg der Gegner der zerstörerischen
       Lithiumgewinnung in der argentinischen Provinz Catamarca ist zunächst nur
       ein Etappensieg. Nachdem der Oberste Gerichtshof angeordnet hatte, in
       Entwicklung befindliche Lithiumabbauprojekte zu stoppen und [1][neue
       Projekte im Gebiet des Salzsees Salar del Hombre Muerto] auszusetzen, hat
       die Provinzregierung nun wiederum Berufung eingelegt. Das juristische
       Tauziehen geht also in die nächste Runde. Bereits betriebene Abbaustätten
       waren von der Entscheidung ohnehin nicht betroffen.
       
       [2][Lithium ist ein wichtiger Bestandteil in leistungsfähigen Batterien],
       die für den Bau von Elektrofahrzeugen und für Fotovoltaik – also die
       Decarbonisierung der Wirtschaft -, aber auch etwa für Mobilgeräte gebraucht
       werden. Hauptproblem beim Abbau des Alkalimetalls ist, dass dafür große
       Mengen Wasser gebraucht werden.
       
       Im Mittelpunkt des Urteils stehen sieben Förderprojekte. Darunter [3][das
       Fénix-Projekt des Unternehmens Minera del Altiplano] – Livent. Der
       US-amerikanische Lithiumkonzern hat einen Liefervertrag mit einem Volumen
       von mehreren hundert Millionen Euro mit dem deutschen Autobauer BMW. Seit
       der Fusion von Livent mit dem australischen Bergbauunternehmen Allkem Ende
       2023 firmiert der Bergbaukonzern unter den Namen Arcadium Lithium.
       
       Das Projekt ist schon lange umstritten. „Ich habe den Kampf begonnen, als
       ich sah, wie das Ufergebiet des Río Trapiche austrocknete und niemand etwas
       unternahm“, sagt der indigene Anführer Román Guitian als Vertreter der
       Gemeinschaft Atacameños del Altiplano. Er hat bereits eine Reihe von Klagen
       und Beschwerden eingereicht, weil die Wasserreservoirs der Gemeinschaft
       infolge des Lithiumabbaus nach und nach erschöpfen. Bisher waren diese alle
       zunächst abgewiesen worden. Es begann ein langer Weg durch die Instanzen.
       
       ## Prüfung der Umweltverträglichkeit
       
       Zuletzt hatte Román Guitian schließlich 2021 beim Obersten Gerichtshof der
       Provinz abermals Berufung eingelegt und einen Antrag auf einstweilige
       Verfügung für den sofortigen Abbaustopp gestellt. Mitte März gab der
       Oberste Gerichtshof Guitians diesem Antrag statt. „Die Umweltschäden am
       Fluss Trapiche wurden bestätigt“, heißt es in der Entscheidung. Die
       obersten Richter fordern eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung, an
       der die zuständigen Provinz- und Staatsbehörden sowie die indigene
       Bevölkerung beteiligt werden müssen.
       
       Die Lithiumvorkommen im Salar del Hombre Muerto gelten als die größten
       Reserven, die weltweit in einem Salzsee zu finden sind. Er erstreckt sich
       auf knapp 600 Quadratkilometern über die nordwestargentinischen Provinzen
       Catamarca und Salta und liegt zwischen 3.400 und 4.600 Meter über dem
       Meeresspiegel in einem Gebiet mit extremer Trockenheit. Salzseen sind
       Feuchtgebiete und somit wichtige Wasserreservoirs. Für die Gewinnung des
       Lithiums wird die unter der Oberfläche lagernde Sole in flache Becken
       gepumpt. Durch die Sonneneinstrahlung verdunstet das Wasser. Dagegen werden
       bei dem häufig angewandten Direktlithiumextraktion-Verfahren jedoch
       riesigen Menge an Süßwasser verbraucht.
       
       ## Mordaufrufe zirkulieren
       
       Der Río Trapiche ist nahezu ausgetrocknet, auch wenn es inzwischen
       Anzeichen für eine Erholung gibt. Dem Río Los Patos droht ein ähnliches
       Schicksal, nachdem Livent, inzwischen Arcadium Lithium, Pläne zur Umleitung
       von Wasser aus dem Fluss angekündigt hat. „Sie planen, 380.000 Liter pro
       Stunde durch ein Aquädukt zu pumpen. Es gibt bereits Gebiete, in denen es
       kein Wasser mehr gibt“, erklärt der Kazike.
       
       „Unser Leben ist jetzt viel komplizierter. Früher konnten wir Schafe, Lamas
       und Ziegen weiden lassen. Jetzt müssen wir die Einschränkungen durch die
       Bergbauprojekte hinnehmen. Und [4][wir können uns nachts nicht mehr frei
       bewegen, weil wir verfolgt werden]“, sagt Román Guitian. Der Kazike ist
       persönlich betroffen: Nach dem Urteil des Obersten Gerichts erstattete er
       Strafanzeige, [5][weil er sich bedroht fühlte]: „Man muss planen, Román zu
       töten… man muss sich bereit machen“, heißt es in einem der zirkulierenden
       WhatsApp-Audio.
       
       18 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lithiumgewinnung-in-Argentinien/!5821885
   DIR [2] /Gesetz-fuer-kritische-Rohstoffe/!5980089
   DIR [3] https://livent.com/wp-content/uploads/2023/06/2023-Livent-Resource-and-Reserve-Report-Salar-del-Hombre-Muerto.pdf
   DIR [4] /Lithiumgewinnung-in-Argentinien/!5821885
   DIR [5] https://lapoliticambiental.com.ar/contenido/4888/catamarca-amenazaron-de-muerte-al-cacique-roman-guitian-luego-del-fallo-por-el-l
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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