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       # taz.de -- Lkw-Fahrer-Streik in Gräfenhausen: „Gekämpft wie Löwen“
       
       > Die streikenden Lkw-Fahrer von Gräfenhausen erringen einen Sieg. Der
       > ausbeuterische Arbeitgeber gibt wohl wegen Druck von Kunden nach.
       
   IMG Bild: Erfolg für die Ausgebeuteten: Die LKW-Fahrer an der Raststätte Gräfenhausen
       
       Gräfenhausen taz | Die mehr als 60 Lkw-Fahrer aus Georgien und Usbekistan,
       [1][die seit dem 20. März auf der Raststätte Gräfenhausen West im wilden
       Streik waren], haben gewonnen. Wie ihr Verhandlungsführer Edwin Atema von
       der niederländischen Gewerkschaft FNV und der DGB Hessen-Thüringen am
       Mittwochnachmittag mitteilten, hat sich der polnische Fuhrunternehmer
       Lukasz Mazur schriftlich dazu verpflichtet, alle ausstehenden Forderungen
       an die Fahrer zu begleichen.
       
       Mitte April hatte es bereits [2][einen Teilerfolg] gegeben: Das
       Firmenkonsortium – Agmaz, Lugmaz und Imperia – mit Sitz in Wawrzeńczyce
       nahe Krakau, dem eine Flotte von mehr als Tausend Lkw gehört, hatte rund
       200.000 Euro an die Streikenden überwiesen. Danach aber wollte Mazur nicht
       mehr zahlen. Die Fahrer setzten ihren Arbeitskampf fort – mit Erfolg.
       
       Man rechne damit, dass schon am Donnerstag das letzte fehlende Geld auf den
       Konten der Fahrer sei, sagte am Mittwochabend ein Mitarbeiter des
       Beratungsnetzwerkes „Faire Mobilität“, das die Fahrer vor Ort unterstützt,
       gegenüber der taz. Denn bevor nicht alles da sei, würden die festgesetzten
       und teils noch beladenen Fahrzeuge nicht bewegt.
       
       Entscheidend für das Nachgeben Mazurs war am Ende offenbar eine wertvolle
       Fracht: Ein spezielles Bauteil des Konzerns General Electric, das dieser in
       der Schweiz dringend für den Weiterbau einer größeren Anlage benötigt.
       Bereits vergangene Woche hatte sich eine Spedition über die Polizei
       angemeldet, die im Auftrag von General Electric die Fracht abholen sollte.
       Die beladenen Lkw aber sind auf dem Parkplatz eingekeilt von leeren Trucks
       und damit nicht ohne weiteres zugänglich. Über mehrere involvierte
       Unternehmen in der Lieferkette sei dann Druck auf Mazur ausgeübt und mit
       Vertragsstrafe gedroht worden, damit General Electric an die Ladung kommt.
       
       ## Ausbeutung auch bei anderen Unternehmen
       
       Edwin Atema kritisierte gegenüber der taz, dass der Hinweis auf die
       [3][eklatante Missachtung von Menschenrechten] offenbar kein ausreichendes
       Argument gewesen sei, aber für die Fracht alle möglichen Hebel in Bewegung
       gesetzt wurden: Die Streikenden hatten sich schon vor Ostern mit einem
       Offenen Brief an die Kunden Mazurs gewandt, mit der Bitte, sich für sie
       einzusetzen. Die Lieferkette, so Atema, sei „krank“.
       
       Mazur hat indes nicht nur zugesagt, alles zu zahlen – er hat auch
       schriftlich bestätigt, keine rechtlichen Schritte gegen die Fahrer
       einzuleiten und sie künftig in Ruhe zu lassen. Zuvor hatte der Unternehmer
       unter anderem am Karfreitag versucht, [4][mithilfe einer paramilitärischen
       Schlägertruppe aus Polen die Lkw abzuholen]. Nachdem das gescheitert war,
       hatte er Anzeige wegen der Unterschlagung von 39 Lkw erstattet. Diese soll
       nun wohl fallengelassen werden.
       
       Die Fahrer ihrerseits werden ihr Lkw-Lager in Gräfenhausen räumen, wenn die
       letzten noch ausstehenden Zahlungen eingetroffen sind. Viele, so Atema am
       Mittwochabend, würden einfach nur nach Hause wollen, sie haben ihre
       Familien zum Teil seit Monaten nicht gesehen. Und sie suchen neue Jobs: Für
       Mazur wird keiner der Männer mehr arbeiten.
       
       Was sie erlebt haben, ist allerdings kein Einzelfall, sondern weit
       verbreitet im europäischen Straßentransport. Stefan Körzell,
       Bundesvorstandsmitglied des DGB, der in den vergangenen Wochen mehrfach auf
       der Raststätte war, sagte am Mittwoch, die Fahrer hätten mit ihrer Aktion
       „auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen hingewiesen, die leider die Regel in
       der europäischen Logistikbranche sind“. In dieser dürfte nun einiges
       aufgewirbelt worden sein.
       
       Menschen wie die Streikenden von Gräfenhausen veränderten die Branche, so
       Edwin Atema gegenüber der taz. Sie hätten über die Grenzen Deutschlands
       hinaus aufgezeigt, was im Straßentransport vor sich geht. Auf Twitter
       schrieb Atema am Mittwochabend: „Diese Fahrer wurden von der Firma wie
       Tiere oder leichte Beute behandelt – aber sie haben sich wie ein Löwenrudel
       gewehrt und gewonnen.“
       
       27 Apr 2023
       
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