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       # taz.de -- Lösung im Gazakrieg: Nato in Nahost?
       
       > Der verfahrene Nahost-Konflikt braucht radikale Lösungen. Zum Beispiel
       > könnte die Nato den Libanon stärken, um die Hisbollah zu schwächen.
       
   IMG Bild: Eskalierte Konflikt? Israelische Soldaten feuern nahe der Grenze zum Libanon eine Haubitze ab
       
       Dan Perry war früher Chefredakteur der Nachrichtenagentur AP für Europa,
       Afrika und den Nahen Osten. Kürzlich hat er in der Zeitung Haaretz einen
       Artikel veröffentlicht, der in der allgemeinen Aufregung um den Krieg in
       Nahost etwas untergegangen ist, aber meiner Meinung nach Aufmerksamkeit
       verdient.
       
       Perry führt aus, dass die Situation im Nahen Osten außer Kontrolle geraten
       sei und dass die Länder der Region nicht mehr in der Lage seien, sie unter
       Kontrolle zu halten. Wenn wir zum Beispiel über den Zermürbungskrieg mit
       der Hisbollah an der Nordgrenze Israels sprechen, sei der dysfunktionale
       Libanon überhaupt keine Adresse.
       
       Perry ist der Ansicht, dass die Region einen verantwortungsbewussten
       Erwachsenen brauche, bevor sie in Flammen aufgeht und sich das Feuer auf
       die ganze Welt ausbreitet, denn Russland und China nutzten das Chaos in der
       Region aus, um die USA und Europa zu schwächen. Dieser verantwortungsvolle
       Erwachsene müsse die Nato sein. Er verweist auf Präzedenzfälle für
       Nato-Interventionen in Konfliktgebieten wie dem ehemaligen Jugoslawien.
       
       Er ist sich bewusst, dass es im Westen nach dem Fiasko im Irak und in
       Afghanistan keine Bereitschaft für weitere Abenteuer gibt, warnt aber
       davor, dass die Alternativen viel schlimmer sein dürften. Der Westen müsse
       also akute diplomatische Anstrengungen unternehmen und, wenn diese nicht
       funktionierten, auf militärisches Engagement zurückgreifen, zunächst als
       Drohung, dann als Aktion.
       
       Perry schlägt unter anderem vor, dass die Nato die libanesische Armee als
       Gegenmacht zur Hisbollah aufbaut und bewaffnet. Er hofft, dass eine solche
       Intervention auch zu einer politischen Mäßigung Israels führen werde.
       
       ## Viele Hürden vor einer eingedämmten Hisbollah
       
       Aber er übersieht einige Dinge, die dieser Perspektive im Wege stehen:
       Erstens ist die Türkei Nato-Mitglied. Die Türkei unterstützt die Hamas und
       ist Israel gegenüber feindlich eingestellt. Obwohl die Türkei ein
       sunnitisches Land ist und die Hisbollah eine schiitische Organisation,
       dürfte sie sich höchstwahrscheinlich gegen ein Engagement der Nato zur
       Eindämmung der Hisbollah und zur Beruhigung der Nordgrenze Israels
       aussprechen.
       
       Zweitens existiert bis heute ein internationales militärisches Engagement
       im Libanon: nicht von der Nato, sondern von den Vereinten Nationen. Das
       Problem ist nur, dass es kaum in der Lage ist, die Hisbollah einzudämmen.
       Eine Nato-Truppe wird nicht unbedingt so machtlos sein wie eine UN-Truppe,
       aber dieser Präzedenzfall verheißt nichts Gutes.
       
       Drittens: Die libanesische Armee basiert traditionell auf den
       Machtverhältnissen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen in der
       libanesischen Gesellschaft. Es ist daher schwer vorstellbar, dass sie sich
       offen gegen die Hisbollah richtet.
       
       Viertens dürfte es nötig sein, diese Entscheidung Israel notfalls
       aufzuzwingen. Wären die USA und Europa dazu in der Lage? Bisher zeigten sie
       sich angesichts des zynischen politischen Amoklaufs der Netanjahu-Regierung
       ziemlich schwach.
       
       ## Deutschland muss über seinen Schatten springen
       
       Trotz allem ist die Richtung, die Perry einschlägt, zu begrüßen. Die Region
       braucht dringend einen verantwortlichen Erwachsenen. Deutschland wird keine
       andere Wahl haben, als dabei eine zentrale Rolle zu spielen.
       
       Dazu aber muss Deutschland sich von dem sich selbst auferlegten Komplex
       befreien, der lautet: Wir stellen uns zwanghaft hinter jede Laune der
       israelischen Regierung. Deutschland muss eine verantwortungsvolle,
       unabhängige und kritische Rolle spielen und zur Stabilität der Region
       beitragen. Das ist in der Tat die wichtigste Hilfe, die es dem Staat Israel
       leisten kann: Israel von sich selbst zu befreien.
       
       24 Aug 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hagai Dagan
       
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