# taz.de -- Löws Neustart mit der Fußball-Nationalelf: Die Suche nach der goldenen Mitte
> Bundestrainer Joachim Löw erklärt die Neuausrichtung der deutschen
> Fußball-Nationalmannschaft: Er will sich auf alte Erfolgszeiten
> zurückbesinnen.
IMG Bild: Löw taucht wieder auf – und erläutert seinen Fußball-Plan
Berlin taz | „Die Deutsche Nationalmannschaft im Wandel der Zeit“, so oder
so ähnlich hätte man die Vorlesung, die Bundestrainer Joachim Löw und
Teammanager Oliver am Mittwochmittag im Presseraum der Arena des FC Bayern
München hielten, überschreiben können.
Die [1][Analyse der verpatzten Weltmeisterschaft in Russland] oder des
„Debakels“, wie Löw sagte, wurde vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen in
alle deutschen Wohnzimmer übertragen und hatte fast schon Seminarcharakter.
Löw ließ die letzten acht Jahre seines Wirkens Revue passieren. Man habe
sich intern in den letzten Wochen „die Mühe gemacht“, die letzten drei
Weltmeisterschaften zu analysieren und dabei auch Daten zu vergleichen. Zur
Veranschaulichung der Ergebnisse wurden die Zahlen via Projektor an die
Wand geworfen.
Kurz gefasst, will das DFB-Team strategisch wieder ausbalancierter und
emotional leidenschaftlicher spielen, um auf die Erfolgsspur
zurückzukommen. Bei der WM 2010, dozierte Löw, sei die deutsche Elf von
einer starken Defensive geprägt gewesen und mit erfolgreichem Konterfußball
bis ins Halbfinale gezogen. Die Weiterentwicklung zu mehr Ballbesitzfußball
habe zum Titelgewinn 2014 später in Brasilien geführt. Die Daten der
letzten acht Jahre, konstatierte Löw, haben gezeigt: „2014 lagen wir in der
goldenen Mitte.“
Sein größter Fehler sei bei dem WM-Turnier in diesem Sommer die
Einschätzung gewesen, mit noch mehr Ballbesitz durch die Vorrunde kommen zu
können, um danach die Strategie etwas zu modifizieren. „Das war fast schon
arrogant. Ich wollte das auf die Spitze treiben, noch mehr
perfektionieren“, geißelte sich Joachim Löw selbst. Er hätte auf mehr
Stabilität achten sollen.
## Mehr Feuer entfachen
Aus den detaillierten Studien hat Löw nun mit Blick nach vorn folgenden
Schluss gezogen: Das deutsche Nationalteam muss sich wieder zurück zur
goldenen Mitte bewegen, wieder schneller werden im Passspiel, wieder
flexibler auftreten und weniger ins Risiko gehen.
Als zweiten bedeutsamen Erkenntnisgewinn hob der Bundestrainer hervor, dass
der Enthusiasmus vergleichsweise abgenommen haben. Immerhin habe man „eine
kleine Flamme“ gehabt. Nun will man im emotionalen Bereich wieder mehr
Feuer entfachen.
Das überfällige Statement zum [2][Rücktritt von Mesut Özil] fiel dagegen
recht schmal aus. Etwas pikiert hob Löw hervor, dass Özil ihn vor und nach
seiner Entscheidung nie kontaktiert habe, wie das ansonsten üblich sei, und
auch seine Versuche, via Telefon und SMS mit ihm ins Gespräch zu kommen,
seien bislang erfolglos geblieben. Ansonsten distanzierte sich der
Bundestrainer, wie das bereits Manuel Neuer, Thomas Müller und Toni Kroos
taten, von dem Vorwurf, es gebe im deutschen Nationalteam Rassismus. Einen
solchen Vorwurf [3][hatte Özil allerdings nie erhoben].
## Weiter mit Bierhoff
Sowohl Löw als auch Oliver Bierhoff verwiesen auf die guten Fundamente.
„Wir haben 14 Jahre lang eine Erfolgsgeschichte geschrieben“, sagte
Bierhoff. Aber auch er kündigte Veränderungen an. Die Kommunikation mit den
Spielern soll künftig verstärkt werden. Man wolle sich wieder mehr auf die
eigenen Werte wie „Respekt, Identität und Professionalität“ konzentrieren,
für die Fans wieder nahbarer werden. Mehr öffentliche Trainingseinheiten
sind bereits im Oktober in Leipzig und Berlin vorgesehen. Der
Mitarbeiterstab soll künftig um fast ein Dutzend verschlankt werden. Und
der umstrittene Markenbegriff „Die Mannschaft“ solle im Gespräch „mit
verschiedenen Stakeholdern“ auf den Prüfstand gestellt werden.
Mit seinem Wunsch, „wieder zu mehr Sachlichkeit zu finden“, offenbarte
Bierhoff aber auch, dass ihm die massive Kritik der letzten Wochen sehr
zugesetzt hat.
Bundestrainer Joachim Löw machte deutlich, dass die erfahrenen Spieler ein
„wichtiges Fundament für den Neubeginn“ seien. Erstmals dabei beim ersten
Pflichtspiel in der Nations League gegen Frankreich am 6. September in
München werden Thilo Kehrer, Nico Schulz und Kai Havertz sein. Und Löw
versicherte, gleich nach dem ersten Analysegespräch mit Bierhoff hätten
beide festgestellt, „dass wir weiterhin auch nach 14 Jahren, die große
Motivation, Energie, Kraft […] und auch Begeisterung haben, das, was wir in
Russland verbockt haben, wieder auf die Beine zu stellen.“
29 Aug 2018
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## AUTOREN
DIR Johannes Kopp
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