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       # taz.de -- Ludwigshafen-Tatort „Gold“: Indiana Jones in Deidesheim
       
       > Der erste „Tatort“ nach der Sommerpause ist ein aufgeschichteter
       > Historienschinken. Das haben die Kommissarinnen nicht verdient.
       
   IMG Bild: Johanna Stern und Lena Odenthal fragen nach dem Schatz der Nibelungen
       
       Ein Arzt in den Wirtschaftswunderjahren, ein Hotelier zur Jahrhundertwende,
       ein Hintermann der Franz-Ferdinand-Attentäter 1914, der Münchner
       Polizeipräsident während Olympia 1972, der Schwiegersohn von Richard Wagner
       – alles Rollen von Heino Ferch. Mal ehrlich, wer hier hätte auch den
       letzten Groschen darauf gewettet, dass das eigentlich längst Ferchs
       primäres Fach ist – immer irgendeinen Typen in Historiendramen zu spielen?
       Einigen wir uns darauf: Er spielt einfach jede Figur, als sei’s
       historischer Stoff.
       
       Der neue Ludwigshafener Tatort macht’s ihm aber auch wirklich leicht.
       Erster Auftritt in flatterndem hellem Trenchcoat, Dreiteiler, einer
       Kragen-Krawatten-Kombi, die Männer in den 1890ern trugen, Nickelbrille: Dr.
       Albert Dürr, Archäologe in einem Pfälzer Museum. Eine
       Indiana-Jones-Referenz allererster Güte. Erst recht, sobald klar ist, um
       was es geht in der Folge „Gold“: um nicht weniger als den Schatz der
       Nibelungen, also den echten. Seine These: Die ganzen Goldmünzen sind
       vergraben, wo heute nur Wald und Weinberge stehen, etwas ferner vom Gewoge
       des Rheins. Also trällert Ferchs Dürr übers Mikroskop gebeugt: „Nur wer der
       Minne / Macht versagt, / nur wer der Liebe / Lust verjagt“. Und als er das
       Wort „Tod“ ausspricht, rutscht seine Stimme in den dunkeldröhnendsten Bass:
       „Tooood“.
       
       Das Ganze kommt in die Gänge, als der Filialleiter einer Bank so in den
       Deidesheimer Weinbergen liegt: tot. Er hat viel Wein der lokalen
       Winzerschaft gekauft, obwohl er Epileptiker war; er traf sich dort häufig
       im „Pfälzer Hof“ mit der Winzerin; er spielte Nibelungen-Spiele und gewann
       den „Drachentöter-Cup, sein ganzer Stolz“; er hat eine Ex-Frau namens
       Melania. Und: alte Goldmünzen im Kofferraum. Dazwischen immer wieder
       Wagner-Rheingold-Gesinge, [1][dass man sich fühlt wie „Monaco Franze“] in
       seiner ersten Folge (Zum Nachschauen: gibt’s auch aktuell [2][in der
       ARD-Mediathek!]).
       
       ## Fremdkörper in der eigenen Story
       
       Und [3][Lena Odenthal] (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter)
       ermitteln in diesem irrelevanten Wirrwarr: zwischen Mutter des Toten,
       frisch verwitweter Winzerin samt Staatsanwalt-Freund, Indiana Jones, den
       Hoteliers, der Melania. Fehlen nur Wellgunde, Woglinde, Floßhilde.
       
       Fred Breinersdorfer, der schon in den 1990ern jede Menge
       [4][Odenthal-Tatorte] geschrieben hat, müsste es eigentlich besser wissen.
       Oder er ist damals irgendwie hängen geblieben und skriptet seine Drehbücher
       einfach so weiter, samt der Ober-Reminiszenz ans Vorgestern, falls das kein
       Regieeinfall war: Deidesheim, Lieblings-Kaff von Helmut Kohl in der Pfalz.
       Wo er zu Kanzlerzeiten von Gorbatschow bis Thatcher alle zum Saumagen-Essen
       hinschleppte, Luftlinie 18 Kilometer von Oggersheim entfernt (Dass viele
       der Ehrlicher/Kain-Folgen auch von Breinersdorfer waren, stützt die These
       nur; falls sich jemand erinnert).
       
       Der Effekt des Ganzen, um mal zurück zum aktuellen Tatort zu kommen:
       Odenthal und Stern wirken wie Fremdkörper in ihrer eigenen Story. Als
       würden sie als Kommissarinnen des 21. Jahrhunderts in einem dieser
       Freilufttheaterstücke ermitteln, die nur aus Kulisse, Kostümen und laut
       deklamierten Sätzen bestehen. Und irgendwo im Publikum mault eine
       Schulklasse. Diesen aufgeschichteten Historienschinken haben die beiden
       echt nicht verdient. Wir natürlich auch nicht. Erst recht nicht in Woche 2
       nach Sonntagskrimisommerpausenende.
       
       3 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /40-Jahre-Fernsehserie-Monaco-Franze/!5946672
   DIR [2] https://youtu.be/ExZrIh3sgpU?feature=shared
   DIR [3] /TV-Kommissarin-Lena-Odenthal/!5635375
   DIR [4] /Neuer-Ludwigshafen-Tatort/!5876138
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Haeming
       
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