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       # taz.de -- Lungenarzt zu Corona: Gefährliche Verschwörungstheorien
       
       > Der Lungenarzt und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg
       > hält die Corona-Epidemie für erfunden. Frühere Weggefährten sind
       > entsetzt.
       
   IMG Bild: Auch im ZDF durfte er verkünden, dass Corona ungefährlich ist: Wolfgang Wodarg
       
       Berlin taz | Ein pensionierter Lungenarzt, der die gesamte aktuelle
       Forschung infrage stellt, vor Panikmache warnt und Verschwörungstheorien
       verbreitet – das weckt durchaus Erinnerungen. Doch einen wichtigen
       Unterschied gibt es: Während [1][Dieter Köhler] mit seiner fachlich
       unfundierten und auf Rechenfehlern Kritik an den Grenzwerten für
       Luftschadstoffe im letzten Jahr von den großen Medien hofiert wurde, findet
       Wolfgang Wodarg, der das neuartige Coronavirus für völlig ungefährlich
       hält, sein Publikum fast ausschließlich auf Youtube.
       
       Dort allerdings in großer Zahl: Ein [2][Interview], das die frühere
       „Tagesschau“-Moderatorin Eva Herman für die rechtspopulistische Webseite
       Wissensmanufaktur mit Wodarg führte, kam am Donnertag schon auf über eine
       Million Abrufe. Auch weitere Videos mit dem Lungenarzt, etwa ein Interview
       mit dem verschwörungstheorischen Youtube-Kanal KenFM, wurden von mehreren
       hunderttausend Menschen gesehen.
       
       In allen diesen Videos bestreitet der 72-jährige Wodarg, der 15 Jahre lang
       für die SPD im Bundestag saß und Mitglied im deutschen Vorstand der
       Antikorruptionsorganisation Transparency International ist, dass vom neuen
       Coronavirus SARS-CoV-2 eine ungewöhnliche Gefahr ausgehe. „Die Menschen
       sind nicht mehr und nicht ernster krank als alle Jahre zuvor“, behauptet er
       beispielsweise. Die Schließung von Schulen und Geschäften hält er darum für
       „unverantwortliche Panikmache“.
       
       Sein zentrales Argument ist, dass es Coronaviren schon immer gegeben habe,
       bisher aber nie mit Tests danach gesucht wurde. „Je häufiger wir testen, um
       so mehr Coronaviren finden wir.“ Zudem bestreitet er, dass das neuartige
       Coronavirus gefährlicher sei als die bisher bekannten. Und auch höhere
       Todeszahlen durch SARS-CoV-2 hält er für eine mediale Erfindung.
       
       ## Finanzielle Motive unterstellt
       
       Doch wie passt das zu den Bildern von überfüllten Krankenhäusern in
       Italien, in denen massenhaft mit SARS-CoV-2 infizierte PatientInnen
       sterben? Das kommentiert Wodarg mit den Worten: „Natürlich sterben in
       Krankenhäusern viele.“ Auf seiner Webseite legt er sogar nahe, dass die
       Situation aus finanziellen Gründen absichtlich dramatischer dargestellt
       werde, als sie sei. „Spielen die in Aussicht gestellten europäischen
       Finanzhilfen für Italiens Kliniken eine Rolle bei der medialen Darstellung
       der Lage durch einzelne Krankenhäuser?“, fragt er.
       
       Auch den Virologen, die vor den Gefahren von SARS-CoV-2 warnen, unterstellt
       Wodarg niedere Motive. „Das machen die Virologen, die leben davon“, raunt
       er. „Und die machen dann Impfstoffe und wollen die verkaufen und machen
       Tests und verdienen daran und sind wichtig.“ Konkret greift er den in den
       Medien derzeit sehr präsenten Leiter der Virologie der Berliner Charité
       Christian Drosten an. Der von ihm entwickelte Test sei nicht
       aussagekräftig, weil er nicht nur auf das neuartige Coronavirus anspreche,
       sondern auch auf andere, sagt Wodarg. Zudem sei der Test noch nicht
       unabhängig validiert, also überprüft.
       
       Drosten bestreitet das entschieden. Der Test sei vielfach überprüft worden
       und habe „keine einzige falsch positive Meldung“ ergeben, sagte er [3][in
       seinem NDR-Podcast]. Zwar spreche er theoretisch auch auf verwandte
       SARS-Viren an, aber diese gebe es beim Menschen nicht. „Wir testen mit
       diesem Test nur das neue Coronavirus.“ Und finanziell profitiere er nicht
       vom Test, sagte Drosten.
       
       Detaillierte Faktenchecks, etwa vom Recherchezentrum [4][Correctiv] oder
       dem [5][MDR], kommen zum Ergebnis, dass Wodargs zentrale Aussagen einer
       Überprüfung nicht standhalten. Auch bei bisherigen Weggefährten stoßen
       Wodargs Aussagen auf scharfe Kritik.
       
       ## „Das ist blanker Unsinn“
       
       „Ich schätze Wolfgang Wodarg eigentlich sehr“, sagt SPD-Gesundheitsexperte
       und Epidemiologe Karl Lauterbach über seinen ehemaligen Fraktionskollegen.
       Dessen Videos zu Corona hält er aber für falsch und gefährlich. „Das ist
       eine abwegige, vollkommen falsche Sicht der Dinge“, sagt Lauterbach. „Das
       ist blanker Unsinn.“ Das neue Virus habe mit den bisherigen Coronaviren
       nichts zu tun, denn es kombiniere eine hohe Ansteckungsrate mit einer hohen
       Sterberate. „Jeder, der da ernsthaft unterwegs ist, sagt, so etwas haben
       wir noch nie gehabt.“
       
       Auch bei Transparency International sorgen die Äußerungen von
       Vorstandsmitglied Wodarg für Befremden. Das Infragestellen der staatlichen
       Maßnahmen gegen Corona führe „zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung,
       die den realen Gefahren des Virus nicht gerecht wird“, erklärte die
       Organisation – und stellt klar: „Wolfgang Wodarg äußert sich in dieser
       Sache als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Vorstandsmitglied.“
       Der selbst sieht das aber offenbar anders: In vielen seiner Beiträge weist
       er explizit auf sein Amt bei Transparency hin, etwa wenn er betont: „Als
       Transparency-Mitglied ist mir auch wichtig, dass mögliche
       Interessenkonflikte offengelegt werden.“
       
       Auch die Medien, in denen sich ihr Vorstandsmitglied äußerte, findet die
       Organisation problematisch. „Für Transparency Deutschland ist es
       inakzeptabel, wenn sich Wolfgang Wodarg in Medien wie Rubikon, Ken FM,
       Geolotico, die mit Verschwörungstheorien und antisemitischen Vorurteilen
       arbeiten, äußert oder Eva Herman Interviews gibt“, sagte der Vorsitzende
       von Transpareny Deutschland, Hartmut Bäumer, der taz.
       
       ## „Frontal 21“ sieht kein Problem
       
       Komplett auf zweifelhafte Internet-Kanäle angewiesen ist er zur Verbreitung
       seiner Thesen übrigens nicht; sie finden sich auch in einer Quelle, die
       eigentlich als seriös gilt: Im ZDF-Magzin „Frontal 21“ kam Wodarg am 10.
       März ebenfalls ausführlich zu Wort. Es sei „nichts Besonderes, dass es
       jetzt neue Coronaviren gibt“, sagte er auch dort. „Das heißt aber nicht,
       dass diese Coronaviren gefährlicher sind als andere.“
       
       Neben Wodarg kommen im „Frontal 21“-Beitrag noch weitere Menschen zu Wort,
       die die Corona-Gefahr relativieren. Die Kritik, mit diesem ebenfalls
       vielfach im Netz geteilten Beitrag zu einer Verharmlosung beizutragen,
       weist die Redaktion zurück. Aus ihrer Sicht „gehört es zur Aufklärung dazu,
       dass es Wissenschaftler, Ärzte und Experten des deutschen
       Gesundheitssystems gibt, die eine abweichende Einschätzung haben, was die
       Verbreitung des Coronavirus und mögliche Gegenmaßnahmen betrifft“, heißt es
       in einer Stellungnahme.
       
       19 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Falsche-Angaben-zu-Stickoxid/!5572843
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=Dk8wqJbNhq0
   DIR [3] https://www.ndr.de/nachrichten/info/16-Wir-brauchen-Abkuerzungen-bei-der-Impfstoffzulassung,audio655164.html
   DIR [4] https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2020/03/18/coronavirus-warum-die-aussagen-von-wolfgang-wodarg-wenig-mit-wissenschaft-zu-tun-haben
   DIR [5] https://www.mdr.de/wissen/wolfgang-wodarg-corona-uebertrieben-faktencheck-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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