# taz.de -- Machtkampf um Grünen-Fraktionsvorsitz: Erster Rückschlag für Özdemir
> Bei einem Treffen des linken Flügels der Fraktion bekommt Kappert-Gonther
> im Wettbewerb um den Fraktionsvorsitz Gegenwind. „Mit Cem“ gehe es nicht.
IMG Bild: Cem Ödzemir (hinten) und Kirsten Kappert-Gonther (rechts) wollen FraktionschefInnen werden
Berlin taz | Die Kandidatur von Cem Özdemir und Kirsten Kappert-Gonther für
den Vorsitz der Grünen-Bundestagsfraktion hat einen ersten Rückschlag
erlitten. Kappert-Gonther wurde am Montagabend bei einem internen Treffen
signalisiert, dass sie und Özdemir wenig Unterstützung von
Grünen-Abgeordneten zu erwarten haben, die sich zum linken Parteiflügel
zählen. Das erfuhr die taz am Dienstag aus Fraktionskreisen.
Das Treffen der Parlamentarischen Linken (PL) fand am Montagabend in einem
italienischen Restaurant in Berlin-Mitte statt. Dabei waren nach
Teilnehmerangaben rund 30 Leute der 67 Abgeordnete zählenden Fraktion.
Kappert-Gonther wollte dort für ihre Kandidatur werben. Das Gespräch sei
„konstruktiv, wertschätzend, aber auch offen“ gelaufen, berichtete ein
Teilnehmer. Das Ergebnis sei eindeutig gewesen.
Kappert-Gonther sei von vielen Abgeordneten gesagt worden, „dass es mit Cem
nicht geht“. Gegen Özdemir, einen überzeugten Realo, gibt es bei einem Teil
der Linksgrünen massive Vorbehalte. Es wird darauf verwiesen, dass er zu
Egotrips neige und in seiner Zeit als Parteivorsitzender versucht habe, die
Grünen gegen ihre offizielle Beschlusslage nach rechts zu schieben. Niemand
der Anwesenden – außer Kappert-Gonther – habe sich für die Paketlösung mit
Özdemir stark gemacht, erzählt ein anderer Teilnehmer.
Breite Unterstützung habe es dagegen für den aktuellen
Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter gegeben, der ebenfalls zum linken
Flügel gehört. Jener engagiere sich glaubwürdig für Klimaschutz und eine
andere Verkehrspolitik, habe es geheißen. Auch sei lobend erwähnt worden,
dass es im Moment eine gute Arbeitsteilung zwischen Hofreiter, seiner
Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und den ParteichefInnen Annalena
Baerbock und Robert Habeck gebe.
## Der Brückenschlag entscheidet
Für die [1][Chancen von Cem Özdemir und Kirsten Kappert-Gonther] ist das
Votum der Abgeordneten des linken Flügels relevant. Sie brauchen bei der
Wahl des Fraktionsvorstands am 24. September eine Mehrheit. Es ist
unwahrscheinlich, dass die Realos der Fraktion geschlossen [2][für Özdemir]
und Kappert-Gonther stimmen – auch Göring-Eckardt kann hier auf
UnterstützerInnen hoffen. Özdemir und Kappert-Gonther müssen also den
Brückenschlag zu den Linksgrünen schaffen. Das PL-Treffen liefert einen
Hinweis darauf, dass dies nicht einfach wird.
Wichtig wird auch das Verfahren, nachdem die Vorstandswahl abgehalten wird.
Das ChefInnen-Duo an der Fraktionsspitze ist quotiert, mindestens eine Frau
muss dabei sein. Die Geschäftsordnung der Fraktion gibt außerdem vor, dass
die Fraktionsvorsitzenden einzeln und in geheimer Wahl gewählt werden. Es
stehen also zwei Wahlgänge an. Über die Reihenfolge wird sich der Vorstand
diese Woche mit den KandidatInnen verständigen.
Vermutlich wird zunächst der Frauenplatz gewählt, auf dem Kappert-Gonther
und Göring-Eckardt gegeneinander antreten würden. Danach wären die beiden
Männer Özdemir und Hofreiter auf dem so genannten offenen Platz dran. Diese
Reihenfolge ist auf Grünen-Parteitagen üblich. So verfuhr die Fraktion auch
2013, als die Grüne Kerstin Andreae eine Kampfabstimmung gegen
Göring-Eckardt verlor.
## Realo-Doppel unwahrscheinlich
Die unterlegene Frau hätte dann theoretisch die Möglichkeit, auch im
zweiten Wahlgang ihr Glück zu versuchen. Es gilt als wahrscheinlich, dass
Kappert-Gonther dies nicht tun wird. Dass es Göring-Eckardt im Falle einer
Niederlage gegen ihre öffentlich wenig bekannte Konkurrentin noch einmal
versuchen würde, darf ebenfalls als unwahrscheinlich gelten. Es ist deshalb
schwer denkbar, dass am Ende zwei Frauen die Grünen-Fraktion führen.
Interessant ist, was Cem Özdemir macht, wenn seine Partnerin
Kappert-Gonther im ersten Wahlgang gegen die erfahrene Göring-Eckardt
unterliegt. Zieht er zurück? Oder plant er, trotzdem gegen Hofreiter
anzutreten? Seine Chancen stünden – ohne linke Partnerin – äußerst
schlecht. Auch eine reine Realo-Doppelspitze, bestehend aus Özdemir und
Göring-Eckardt, ist daher kaum vorstellbar, zumal auch Habeck und Baerbock
Realos sind.
10 Sep 2019
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Ulrich Schulte
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