# taz.de -- Macrons Westafrika-Reise: Frankreichs alte Scheinheiligkeit
> Beim Besuch in den westafrikanischen Ex-Kolonien sucht Frankreichs
> Präsident Macron nach Verbündeten gegen Putin. Menschenrechte kümmern ihn
> wenig.
IMG Bild: Benins Präsident Patrice Talon trifft Emmanuel Macron im Präsidentenpalast in Cotonou, Benin
Frankreich, einst größte Kolonialmacht in Westafrika, muss sich nach dem
Desaster in Mali dringend neu positionieren. Lange war klar, dass die
Antiterrormission „Barkhane“ ihre Ziele nicht erreicht, Alleingänge
unternimmt und Absprachen bricht. In Westafrika hat das zu einer
antifranzösischen Stimmung wie schon lange nicht mehr geführt. Ein anderer
Ansatz der Afrikapolitik muss her.
In Benin, der zweiten [1][Etappe seiner Afrikareise, versucht Präsident
Emmanuel Macron] deshalb mit eher unverfänglichen Bereichen wie Bildung und
Kultur Boden zu gewinnen. Benin hat vergangenes Jahr 26 von französischen
Truppen im späten 19. Jahrhundert geraubte Objekte zurückerhalten. Macron
selbst hatte 2017 Restitutionen angekündigt.
Frankreich gibt der einstigen Kolonie damit Würde und Geschichte zurück.
Benins Präsident Patrice Talon wiederum konstruiert ein Gefühl von Stolz
und Gemeinschaft. Beide Seiten glänzen, was ein überaus geschickter
Schachzug ist.
In Kamerun, dem ersten Stopp der Reise, war das anders. Dort hat Macron
Afrika „Scheinheiligkeit“ in Bezug auf den Ukrainekrieg vorgeworfen. Vor
allem afrikanische Staaten würden den russischen Angriff nicht deutlich
verurteilen. Präsident Paul Biya, der seit 1982 an der Macht ist, kontert
mit dem Recht Kameruns auf Nichteinmischung.
Diese Scheinheiligkeit praktiziert Macron aber auch selbst. In Kamerun
spricht er die [2][anglofone Krise], durch die knapp 580.000 Menschen auf
der Flucht sind, ebenso wenig an wie Gewalt gegen die LGBT-Gemeinschaft.
Auch in Benin erwähnt er nicht, [3][dass die beiden
Oppositionspolitiker*innen Joël Aivo und Reckya Madougou nach
fragwürdigen Anschuldigungen und Verfahren langjährige Haftstrafen
verbüßen] und die Demokratie weiter eingeschränkt wird.
Es ist klar: Da Russland nun offensichtlich und massiv um Verbündete in
Afrika wirbt, ist Europa und gerade Frankreich unter Zugzwang. Strategische
Allianzen zählen mehr als die Einhaltung von Menschenrechten und der Schutz
der Verfassung.
28 Jul 2022
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## AUTOREN
DIR Katrin Gänsler
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