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       # taz.de -- Manifest von Robert Habeck: Kapitalismus in Grün
       
       > Der neue Wirtschaftsminister verspricht die sozialökologische
       > Marktwirtschaft: Umweltgesetze, neuer Wohlstandsbegriff und ein Öko-TÜV
       > für die Politik.
       
   IMG Bild: Klima und Wirtschaft gleichzeitig im Blick: Habeck 2020 bei einem Besuch bei BASF
       
       Berlin taz | Normalerweise ist der „Jahreswirtschaftsbericht“ keine
       sonderlich spannende Lektüre. Doch wenn ein [1][Ministerium eine neue
       Leitung bekommt], kann daraus eine programmatische Ansage werden: Im
       Vorwort des diesjährigen Berichts, der im Wirtschaftsministerium gerade
       fertiggestellt wird und der taz in Auszügen vorliegt, skizziert der neue
       grüne [2][Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck] seine Vorstellungen
       von einem grünen Kapitalismus für Deutschland. Und nutzt die Bühne für eine
       eigene Art der Regierungserklärung.
       
       Denn für die große Transformation zur Klimaneutralität müssen dicke Brocken
       bewegt werden, so der Tenor. Dafür soll die Bundesregierung Gesetze und
       Verordnungen erlassen, um eine Überlastung der Umwelt zu verhindern.
       Wohlstand müsse auf neue Art und Weise jenseits des materiellen Konsums
       gemessen werden. Und für diese Ziele sollen alle Instrumente der
       Wirtschaftspolitik darauf hin durchleuchtet werden, ob sie zum Erreichen
       der ökologischen Nachhaltigkeitsziele geeignet sind.
       
       ## Soziale Marktwirtschaft: Positive Bilanz, Umwelt übersehen
       
       „Die Zeit ist reif für eine sozialökologische Marktwirtschaft“, heißt es im
       15-seitigen Vorwort mit dem Titel „Von der sozialen zur sozialökologischen
       Marktwirtschaft“. Es beschreibt die Ziele, die sich die Bundesregierung
       nach dem Willen des grünen Vizekanzlers geben soll. Es lobt ausführlich die
       Erfolge des sozial abgefederten Kapitalismus in Deutschland: Wohlstand,
       politische Stabilität, gesellschaftlicher Zusammenhang, Freiheit und
       Unternehmergeist. „Die Bilanz der sozialen Marktwirtschaft ist eindeutig
       positiv“, heißt es.
       
       Allerdings sieht es „das deutsche Wirtschaftsmodell auch durch die
       strukturell gewachsene Anzahl an ungerechten Privilegien spezifischer
       Interessengruppen geschwächt“. Politik müsse sich in Zukunft stärker am
       Gemeinwohl als an Lobby-Einfluss orientieren, Subventionen überdenken sowie
       „vermachtete oder von Informationsasymmetrien geprägte Machtstrukturen“
       kritischer sehen. Vor allem aber zeige sich, dass die „Wohlstandsgewinne in
       großen Teilen der Welt“ auf einem „nicht nachhaltigen Produktionsystem“
       beruhten, das „existenzielle globale Umweltgüter“ massiv gefährde.
       
       In Deutschland, warnt der Bericht, könne „eine Fortschreibung der
       bestehenden Wirtschaftsweise“ selbst bei aktuellen Klimaschutzbemühungen
       etwa durch Überflutungen mittel- und langfristig zu wirtschaftlichen
       Schäden führen, die „weit im zweistelligen Prozentbereich des
       Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen dürften“. Dem Kapitalismus allgemein und
       auch seiner deutschen Spielart „fehlt es weiterhin an einer systematischen
       Verankerung der Nachhaltigkeit“.
       
       Deshalb ruft Robert Habeck dazu auf, für die „historische Transformation“
       zur Klimaneutralität bis 2045 eine „grundlegende Weiterentwicklung des
       gegenwärtigen Wirtschaftsmodells hin zu einer sozialökologischen
       Marktwirtschaft“ zu schaffen. Das soll in drei Schritten gelingen:
       „Ordnungspolitisch die planetaren Grenzen (…) zu verankern“ – wie es etwa
       in der Finanzpolitik mit der „Schuldenbremse“ schon exerziert wird. Dann
       eine „Neugewichtung der wirtschaftspolitischen Ziele“ vorzunehmen mit einer
       „erweiterten Wohlfahrtsmessung“, die den klassischen BIP-Zahlen
       „Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeits-Indikatoren“ zur Seite stellt. Es
       müsse debattiert werden, ob die Bevölkerung immer mehr materiellen Konsum
       wolle oder lieber Fragen der Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit beantwortet
       sehen wolle.
       
       ## „Allianz für die Transformation“ geplant
       
       Und schließlich wolle die Regierung „sämtliche wirtschaftspolitischen
       Instrumente hinsichtlich ihrer Effekte auf die Erreichung der ökologischen
       Nachhaltigkeitsziele“ hinterfragen und „im Zweifel anpassen“. Das bedeutet
       eine Öko-Inventur bei Förderprogrammen, Subventionen und Steuerregeln. Der
       CO2-Preis soll dabei zu einem „Leitinstrument“ der Wirtschaftspolitik
       werden.
       
       Nötig sei dabei eine „tiefgreifende Umwälzung der ökonomischen
       Wirklichkeit“. Deutschland müsse nicht nur seine Klimaziele erreichen,
       sondern die Öko-Wende auch zum ökonomischen Erfolgsmodell machen, dem
       andere Staaten nacheifern könnten. Dafür will Habeck im Land eine „Allianz
       für die Transformation“ zusammentrommeln: Im Frühjahr 2022 sollen
       VertreterInnen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einem
       „gemeinsamen Aktionsraum“ über diese Fragen reden.
       
       Habeck bekräftigt, für die Transformation würden „alle Köpfe und Hände“
       gebraucht, keine Region werde abgehängt. Und statt immer mehr Konsum sollen
       Respekt und Sicherheit zum neuen Ziel der Politik werden: Bei „weitgehender
       Sättigung“ mit Konsumgütern und hohem Verbrauch von Ressourcen sei „ein
       politisches Versprechen weiter und generell ansteigender Konsumniveaus
       nicht zu geben“, heißt es. Zentral für Lebensqualität und Akzeptanz sei
       dagegen „das Versprechen von sozialer Sicherung“, der Respekt vor
       Engagement und die Wertschätzung „jeder Art von Arbeit“.
       
       21 Dec 2021
       
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