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       # taz.de -- Maskengate der Union: Größerer Koalitionsknatsch
       
       > Die SPD wirft der Union systematische Verfehlungen vor. Diese entgegnet:
       > Kehr' vor Deiner eigenen Tür. Lobbyismus und Korruption sind längst
       > Wahlkampfthema.
       
   IMG Bild: Ein bisschen mehr als 3 Euro floss schon in die Taschen der Unionsparlamentarier Nüsslein und Löbel
       
       BERLIN dpa | Die SPD hat die Union in der [1][Masken- und Lobbyismusaffäre]
       scharf angegriffen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans warf dem
       Koalitionspartner vor, die Verfehlungen bei CDU und CSU hätten System. Kurz
       vor dem Auftakt zum Superwahljahr mit den Landtagswahlen in
       Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an diesem Sonntag keilte die Union
       zurück. Auch über die Konsequenzen aus den Vorwürfen von Korruption und
       Lobbyismus zeichnet sich Streit zwischen Union und SPD ab – von den
       Sozialdemokraten kamen neuen Vorschläge.
       
       Drei Parlamentarier hatten die Unionsfraktion verlassen, nachdem bekannt
       geworden war, dass sie oder ihre Firmen für die Vermittlung von
       Corona-Schutzmasken Provisionen erhalten hatten, beziehungsweise nachdem
       der Verdacht der bezahlten [2][Einflussnahme zugunsten der autoritär
       regierten Kaukasusrepublik Aserbaidschan] laut geworden war. Die drei
       wiesen die Vorwürfe zurück. Die Fraktionsspitze hatte alle
       Unionsparlamentarier aufgefordert, bis Freitagabend zu erklären, dass sie
       keine finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Bekämpfung der
       Corona-Pandemie erzielt haben. [3][Alle 240 Abgeordneten von CDU und CSU
       unterzeichneten die angeforderte Erklärung].
       
       CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt drohte mit Konsequenzen, falls
       jemand falsch geantwortet habe. „Jeder weiß, was es bedeutet, wenn man hier
       nicht die Wahrheit erklären würde: Solche Kolleginnen hätten keinen Platz
       mehr in unserer Fraktion“, sagte er im ZDF.
       
       In der Fraktion gibt es auch Stimmen, die sich beim Thema Aserbaidschan
       eine umfassendere Abfrage gewünscht hätten. Roderich Kiesewetter (CDU)
       sagte dem Sender: „Ich hätte mich gefreut, wenn die Abfrage breiter gefasst
       worden wäre – nicht nur auf medizinisches Gerät und Masken, sondern dass
       alles auf den Prüfstand kommt.“
       
       SPD-Chef Walter-Borjans sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:
       „In Teilen von CDU und CSU ist das Prinzip, dass eine Hand die andere
       wäscht, immer wieder zum Vorschein gekommen. Das Waschmittel dabei ist Geld
       – und dem stehen in diesen Parteien einige besonders nah.“ Dazu passe, dass
       CDU und CSU regelmäßig Vorstöße für mehr Transparenz blockierten. „Die
       Parteivorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder müssen jetzt klarmachen,
       dass sie strukturell wirklich etwas verändern wollen.“
       
       CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte derselben Zeitung, die SPD
       missbrauche die Corona-Pandemie seit Monaten zum Wahlkampf. Nun mache sie
       „in einer ziemlich dreisten Art Tausende CDU-Mitglieder verächtlich“.
       
       ## Hans: Nicht vergleichbar mit Spendenaffäre von Helmut Kohl
       
       CSU-Generalsekretär Markus Blume erinnerte die SPD in der Zeitung daran,
       dass bei ihr ein Abgeordneter wegen Bestechlichkeit vor Gericht steht, ohne
       dass er das Mandat abgegeben hat. Er sprach von einer „dubiosen Rolle“ des
       SPD-Kanzlerkandidaten und Finanzministers Olaf Scholz im Wirecard-Skandal
       und davon, dass Altkanzler Gerhard Schröder „als russischer Söldner
       ungeniert für ein autokratisches Regime“ arbeite. „Norbert Walter-Borjans
       und Saskia Esken sollten dringend mal anfangen, in ihrem eigenen Laden
       aufzuräumen.“
       
       Auch Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) wies die SPD-Vorwürfe
       zurück: „Es ist kein strukturelles Problem in der CDU oder der CSU“, sagte
       er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Vorgänge seien nicht vergleichbar mit
       der Spendenaffäre des damaligen CDU-Chefs und Kanzlers Helmut Kohl. Gelder,
       die in „unmoralischer Weise entgegengenommen“ worden seien, sollten
       zurückgezahlt werden.
       
       SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte in Berlin, ob CDU und CSU ihre
       Beteuerungen für mehr Transparenz ernst meinten, werde sich sehr schnell in
       konkreten Gesprächen in der Koalition zeigen. Einkünfte, die Abgeordnete
       neben ihrem Mandat erzielen, sollten auf Euro und Cent genau offengelegt
       werden, nicht erst ab 100.000 Euro wie die Union vorschlage. „Die Union
       muss sich daran messen lassen, ob sie endlich bereit ist für umfassende
       gesetzliche Regelungen. Selbsterklärungen reichen nicht aus.“
       
       Die SPD-Führung macht sich für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung
       stark. So sollen Bürgerinnen und Bürger leichter an Daten der öffentlichen
       Verwaltung kommen, wie es in einem Entwurf für den SPD-Vorstand heißt, der
       an diesem Montag beschlossen werden soll. Das Informationsfreiheitsrecht
       solle fortentwickelt, offene Daten sollten kostenfrei bereitgestellt
       werden. Die Informationsfreiheitsgesetze regeln die Bereitstellung von
       Daten zwar bereits seit Jahren. Antragsteller kritisieren aber immer
       wieder, dass sie an Grenzen stoßen.
       
       In ihrem neuen Entwurf fordert die SPD-Spitze auch, dass der
       Bundestagspräsident als Kontrollinstanz besser ausgestattet wird, so dass
       die Regeln auch durchgesetzt werden können. Wahlkampfhilfe etwa durch
       kostspielige Anzeigen solle wie Parteispenden behandelt werden und in den
       Rechenschaftsberichten aufgeführt werden.
       
       Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) räumte im Internetformat Bild Live ein:
       „In den letzten 20 Jahren ist das sicherlich eine der schwersten Krisen,
       die wir als Union mitmachen. Schwer vor allen Dingen deshalb, weil es eine
       Glaubwürdigkeitskrise ist.“ Deswegen sei es „entscheidend, dass wir uns
       ganz unmissverständlich an die Spitze derer stellen, die solche Dinge für
       die Zukunft verhindern möchten“.
       
       Die Fraktionen von Union und SPD hatten am Freitag [4][Verhandlungen über
       Verschärfungen der Regeln] am Freitag zunächst ohne Ergebnis unterbrochen.
       In der neuen Woche werde weiterverhandelt, hieß es danach aus den
       Fraktionen.
       
       13 Mar 2021
       
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