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       # taz.de -- Maßnahmen gegen Corona-Ansteckung: Das Tempo ist entscheidend
       
       > Veranstaltungsabsagen sind sinnvoll. Denn je schneller sich Covid-19
       > ausbreitet, desto eher stößt das Gesundheitssystem an Kapazitätsgrenzen.
       
   IMG Bild: Drive-In-Teststation für Coronavirus in Nürtingen
       
       Berlin taz | Am Montagnachmittag meldete das nordrhein-westfälische
       Gesundheitsministeriums die ersten beiden Todesfälle wegen des Coronavirus
       in Deutschland. Dabei handelt es sich um eine Person in Heinsberg und eine
       in Essen.
       
       Und dennoch: Bei vielen Menschen stoßen die [1][jüngsten Maßnahmen] zur
       Eindämmung von Covid-19 auf Kritik. Die Erkrankung sei doch gar nicht
       gefährlicher als die normale Grippe und für die werden auch keine
       Veranstaltungen abgesagt, lautet ein Einwand. Andere meinen, wenn sich am
       Ende ohnehin ein Großteil der Bevölkerung mit dem Virus infiziere, sei es
       doch egal, ob das früher oder später passiere.
       
       Beides ist nach Ansicht von ExpertInnen aber falsch. So ist die
       Ansteckungsrate beim neuartigen Coranavirus deutlich höher als bei der
       klassischen Grippe – denn weil es so neu ist, gibt es noch keinerlei
       Immunität in der Bevölkerung. Auch ist, anders als bei der normalen Grippe,
       nicht damit zu rechnen, dass die Infektionsrate bei wärmeren Temperaturen
       zurückgehe, sagte der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten,
       am Montag. Zudem gibt es noch keinen Impfstoff, sodass Risikogruppen wie
       Klinikpersonal oder ältere Menschen nicht geschützt werden können.
       
       Und auch wenn es nach Ansicht vieler ExpertInnen möglich oder sogar
       wahrscheinlich ist, dass ein Großteil der Menschen in Deutschland mit dem
       Virus infiziert werden wird, macht es einen großen Unterschied, in welchem
       Zeitraum das passiert. Denn je schneller die Ausbreitung verläuft, desto
       wahrscheinlicher ist es, dass das Gesundheitssystem an seine
       Kapazitätsgrenze stößt.
       
       Das zeigt eine einfache Rechnung: Bisher hat sich die Zahl der
       [2][Infektionen in Italien] ebenso wie in Deutschland etwa alle drei Tage
       verdoppelt. In Italien waren zuletzt knapp 8.000 Fälle registriert; die
       deutschen Zahlen folgen den italienischen bisher mit einer Verzögerung von
       8 Tagen; hier sind bisher gut 1.000 Erkrankungen nachgewiesen. Wenn dieser
       exponentielle Trend anhält, liegt die Zahl der Infizierten in einem Monat
       schon bei 1 Million.
       
       ## Intensiv-Betten könnten knapp werden
       
       In Italien werden derzeit etwa 10 Prozent der Erkrankten auf einer
       Intensivstation behandelt; in anderen Ländern oder Regionen war dieser Wert
       geringer. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass nur 5 Prozent der Fälle
       einen so schweren Verlauf zeigen, dass sie intensivmedizinische Behandlung
       benötigen, wären das bei 1 Million Infizierten 50.000 Menschen. In
       Deutschland gibt es aber insgesamt nur 28.000 Betten auf Intensivstationen.
       
       Ein so schneller Anstieg der Covid-19-Erkrankungen würde also zum einen
       dazu führen, dass nicht alle schweren Fälle intensivmedizinisch betreut
       werden können, was die Sterberate deutlich erhöhen dürfte. Zum anderen
       stehen die vorhandenen Intensiv-Betten bisher ja nicht leer, sondern werden
       für andere PatientInnen benötigt. Auch für andere Schwerkranke würde damit
       die medizinische Versorgung schlechter, was zusätzliche Todesfälle zur
       Folge hätte.
       
       ## „Es ist noch nicht zu spät“
       
       Die Absagen von großen Veranstaltungen, bei denen viele Menschen aus
       unterschiedlichen Regionen dicht aufeinandertreffen, soll dazu führen, das
       Ansteckungstempo zu verringern. Wenn dadurch erreicht wird, dass sich die
       Zahl der Erkrankten nicht mehr in 3 Tagen verdoppelt, sondern erst in 6
       Tagen, wären nach einem Monat nicht 1 Million Menschen infiziert, sondern
       nur 32.000. Auch die Zahl der zu einem Zeitpunkt maximal gleichzeitig
       Infizierten ist bei langsamerem Verlauf deutlich geringer.
       
       Für den Virologen Christian Drosten steht darum fest: „Die Verlangsamung
       ist entscheidend.“ Und sie sei auch noch möglich, meint er: „Es ist noch
       nicht zu spät.“
       
       9 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Geisterspiel-in-Spanien/!5667151
   DIR [2] /Corona-Dekret-Norditalien-abgeriegelt/!5670030
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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