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       # taz.de -- Medien in Russland: Krieg gegen die Pressefreiheit
       
       > Der ehemalige Journalist Iwan Safronow wurde in Russland zu 22 Jahren
       > Lagerhaft verurteilt. Der Zeitung Nowaja Gaseta wurde die Lizenz
       > entzogen.
       
   IMG Bild: Dmitri Muratow, Chefredakteur der Nowaja Gaseta, und Stellvertreter Sergej Sokolow im Gerichtssaal
       
       Russlands Präsident und oberster Kriegsherr Wladimir Putin beschäftigt sich
       auch mit den „lästigen“ Dingen des Lebens. Er werde nicht darüber richten,
       wie gerechtfertigt die Strafe für Iwan Safronow sei. „Die Details kenne ich
       nicht. Aber ich weiß, dass er sein Geld nicht nur mit journalistischer
       Arbeit, sondern auch damit verdient hat, dass er Material gesammelt und auf
       Anordnung eines westlichen Geheimdienstes weitergegeben hat“, sagte Putin
       am Mittwoch.
       
       Zwei Tage zuvor war der 32-jährige Safronow, ein ehemaliger Mitarbeiter der
       russischen Zeitung Kommersant, [1][wegen Staatsverrats zu 22 Jahren
       Lagerhaft unter verschärften Bedingungen verurteilt worden]. Hinzu kommen
       zwei Jahre Freiheitsentzug nach Verbüßung der Haft sowie eine Geldstrafe
       von umgerechnet 8.230 Euro.
       
       Von Beweisen könne keine Rede sein, schreibt das unabhängige russische
       Medienportal Projekt, da alle Informationen, die Safronow angeblich
       weitergegeben habe, frei zugänglich gewesen seien. Der Fall ist nicht das
       einzige Beispiel für die massiven Repressionen, mit denen die russische
       Staatsmacht [2][verstärkt seit ihrem Überfall auf die Ukraine am 24.
       Februar gegen kritische Medien vorgeht]. Ebenfalls am vergangenen Montag
       hatte ein Moskauer Gericht auf Betreiben der Medienaufsichtsbehörde
       Rozkomnadzor die Registrierung für die gedruckte Ausgabe der Nowaja Gaseta
       für ungültig erklärt.
       
       Angeblich geht es dabei um einen Eigentümerwechsel 2006, der nicht durch
       eine entsprechende Änderung der Satzung des Mediums angezeigt worden sei.
       Jedoch hatte die Nowaja Gaseta nach zwei Verwarnungen ihr Erscheinen –
       sowohl gedruckt als auch online – bereits [3][im vergangenen März selbst
       eingestellt]. Chefredakteur Dmitri Muratow, der 2021 mit dem
       Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war, nannte die
       Gerichtsentscheidung „von oben angeordnet“ und „politisch“. Am Dienstag
       versetzte dasselbe Gericht auch der Nowaja Rasskas-Gaseta (NO) den
       Todesstoß und erklärte deren Registrierung für ungültig.
       
       Die NO ist ein neues Projekt der Nowaja Gaseta, dort wurden vor allem
       literarische Texte veröffentlicht. Seit dem 24. Juli ist die Seite
       blockiert, angeblich wegen „Diskreditierung der russischen Armee“. Die
       Redaktion quittierte diese Entscheidung mit den Worten, die Webseite sei in
       den Kinderschuhen getötet worden. Am 15. September entscheidet das Oberste
       Gericht übrigens über die Registrierung der Nowaja Gaseta Online, wie die
       russische Nachrichtenagentur Interfax meldet. Der Ausgang des Verfahrens
       steht schon jetzt fest.
       
       ## Krieg, der nicht so genannt werden darf
       
       Diskreditierung der russischen Armee sowie Verbreitung von Fake News über
       [4][den Krieg, der so nicht genannt werden darf]: Das ist der gesetzliche
       Hebel, mit dem der Kreml kritische Medien mundtot und mittlerweile Hunderte
       russische Journalisten ins Exil – oft in die baltischen Staaten – getrieben
       hat. Dort, wie auch in anderen EU-Staaten, dürfen sie trotz aller
       Visa-Beschränkungen zumindest auf einen Aufenthaltsstatus hoffen.
       
       Aber es geht auch anders, wie im Falle Georgiens. Die Südkaukasusrepublik
       ist seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine
       [5][für viele Russen zu einem Zufluchtsort geworden] – darunter auch
       Aktivisten, Menschenrechtlern und Journalisten. Am Mittwoch wurde
       dem Gründer des Mediums Takie dela („Solche Dinge gibt es“), Dmitri
       Aleschkowski, die Einreise nach Georgien verweigert, wie die
       russischsprachige Webseite insider.ru berichtet. Angaben Aleschkowskis
       zufolge sei er wieder ins Flugzeug gesetzt und zurückgeschickt worden. Er
       lebe seit mehreren Jahren in Georgien, in der Hauptstadt Tiflis wohnten
       seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter.
       
       Am vergangenen Wochenende war es dem Fotojournalisten Wassili Krestjanikow
       genauso ergangen, und das bereits zum zweiten Mal. Der 24-Jährige arbeitet
       unter anderem für die Nachrichtenagentur Associated Press und für insider.
       Laut dem russisch-georgischen Politologen Jegor Kuroptew, der mit seiner
       Organisation „Free Russia Foundation“ Russen unterstützt, seien das
       bislang jedoch Einzelfälle. Das Vorgehen der Behörden hänge wohl mit der
       mangelnden Bereitschaft zusammen, hochkarätige Persönlichkeiten ins Land zu
       lassen.
       
       8 Sep 2022
       
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