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       # taz.de -- Medienkritik von Christian Drosten: „Die Medien“? Ja, leider „die“
       
       > Virologe Drosten hat scharfe Kritik geübt, sprach von einer
       > Öffentlichkeit „jenseits der Vernunft“. Das ist zu hart – doch muss man
       > es ernst nehmen.
       
   IMG Bild: Christian Drosten übt Kritik an den Medien
       
       Wie konnte das denn passieren? Christian Drosten, Chefvirologe der Berliner
       Charité und gegenwärtig berühmtester Erklärer Deutschlands, hat
       Medienkritik geübt und laut über einen „geordneten Rückzug“ der
       Wissenschaft aus den Medien nachgedacht. Wissenschaftler würden
       überzeichnet, in [1][verzerrter Weise als Entscheidungsträger dargestellt],
       in Text und Bild karikiert. „Mir wird schlecht dabei“, sagte Drosten am
       Montag in seinem NDR-Podcast. Er habe deshalb Interviews gemieden.
       
       Drosten avancierte mit plötzlicher Wucht durch seinen Podcast [2][zum
       Coronavirus] zum Cheferklärer von übermenschlicher Wissensautorität. Und
       bekommt deshalb nun mitunter Hassmails, wie er sagt. Und sagt darum jetzt,
       wir bewegten uns bereits „jenseits der Vernunft in dieser mediengeführten
       Öffentlichkeit“.
       
       Man könnte entgegnen: Hier spricht der Schock einer Wissenschaft, die
       üblicherweise nicht gezwungen ist, sich permanent der breiten
       Öffentlichkeit zu erklären, zudem arg verkürzt und garantiert falsch
       verstanden. Und man könnte anführen, dass ja dieser „Die Medien“-Stuss auch
       nicht weiterhilft. Oder: Man könnte aus diesem Chef-Ausraster etwas lernen.
       
       Über zwei verhakte strukturelle Probleme: journalistische Personenfixierung
       bei mangelndem Fürsorgewillen. Heißt: Alles wird an großen Namen, schönen
       oder interessanten Gesichtern festgemacht. Schon klar, macht man so, weil
       wiederum die Leser*innen und Zuschauer*innen auf vermenschlichte News gut
       anspringen. Heißt aber auch, dass sich Redaktionen bewusst sein müssen,
       welcher Belastung sie diejenigen aussetzen, die sie ins Rampenlicht
       schieben. Dass die Konsequenzen sicher sind: [3][Hassmails am Wochenende.]
       
       Und dann fehlt die Fürsorge. Warum muss ein Sender einen Herrn Drosten
       täglich am Mikro verheizen? Es gibt noch andere Virolog*innen in
       Deutschland, die dasselbe Wissen haben. Warum wird der Mann prioritär
       zitiert? Selbst auf eine Presseanfrage der taz diese Woche kam als Antwort
       von der einen Gesundheitsbehörde, man solle Drosten fragen. Hat der Rest
       des Landes verlernt, Fragen zu beantworten?
       
       Es geht nicht um Drosten, der wird das schon packen. Es geht um all die
       Menschen, die von „den Medien“ regelmäßig notwendigerweise ins Rampenlicht
       einer unbarmherzigen Öffentlichkeit positioniert werden. Oft Menschen mit
       schlechterem Standing als ein Chefvirologe. Wer sorgt dafür, dass diese
       Leute es verkraften? Ist das unsere Aufgabe, als eine „der Medien“? Wessen
       sonst?
       
       3 Apr 2020
       
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