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       # taz.de -- Meduza-Auswahl 9. – 15. Januar 2025: „Wo andere Schlagzeilen enden, beginnt Meduza“
       
       > Das Exilmedium wirbt mit einer neuen Kampagne um Leserinnen und Leser im
       > Westen – unter anderem mit einer Guerilla-Aktion in Berlin am 16. Januar.
       
   IMG Bild: Ein Verweis auf die Zensur des Mediums „Meduza“ in Russland: bald an einer Hauswand in Berlin zu sehen
       
       ## Ein Guerilla-Event für Pressefreiheit
       
       Am 16. Januar veranstaltet Meduza ein Guerilla-Event in Berlin. An eine
       große Hauswand an der Karl-Liebknecht-Straße 14, vis-à-vis
       demAlexanderplatz, wird Meduza von 18 bis 23 Uhr einen Teaser zu seiner
       Arbeit auf die Gebäudewand projizieren. Zur gleichen Zeit werden dieselben
       Projektionen in Paris und London zu sehen sein.
       
       „Wo andere Schlagzeilen enden, beginnt Meduza“: [1][Unter diesem Motto
       startet das russischen Exilmedium seine erste Werbekampagne in seiner
       zehnjährigen Geschichte.] Sie richtet sich nicht an russische, sondern an
       westliche Leser:innen (englischer Text).
       
       Mit diesem Slogan soll ein Publikum in Nordamerika, Westeuropa und
       Nordeuropa angesprochen werden, das die Ereignisse in Russland und der
       Ukraine verfolgt – aber das Gefühl hat, dass die Berichterstattung in den
       regionalen und internationalen Medien nicht ausreichend ist.
       
       Ziel ist es, das Bewusstsein für die Herausforderungen zu schärfen, mit
       denen der russische Journalismus im Exil konfrontiert ist. Obwohl Russland
       Meduza verboten und blockiert hat, bleibt das Exilmedium mit mehr als 10
       Millionen monatlichen Lesern das größte unabhängige russische
       Medienunternehmen. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar
       2022 konnte Meduza vor allem dank der Unterstützung durch Spenden von
       internationalen Lesern und im Ausland lebenden Russen überleben.
       
       Die Kampagne wurde von der Berliner Agentur Lure entwickelt. Lure ist auch
       Teil von WPI (Worldwide Partners), dem größten globalen Netzwerk
       unabhängiger Agenturen. Die Kampagne startet [2][mit einem Video].
       
       Das Team von Lure sprach mit den Mitarbeitern von Meduza, um die
       schwierigen Bedingungen, unter denen die Redakteure und Reporter arbeiten,
       besser zu verstehen. Insbesondere, wie sie weiterhin Informationen aus
       Russland sammeln, obwohl Meduza dort verboten ist. Das Promo-Video verweist
       auf Schlüsselmomente der staatlichen Repression in der Geschichte von
       Meduza: die Verhaftung der Reporter Iwan Golunow in Moskau und Maxim
       Solopow in Minsk, die Sperrung der Website in Russland, die Einstufung des
       Senders als „ausländischer Agent“ und „unerwünschte Organisation“ sowie der
       Versuch der Vergiftung der Sonderkorrespondentin Elena Kostjutschenko.
       
       Die Gründer von Meduza, Galina Timtschenko und Iwan Kolpakow, sagen, dass
       die von Lure entwickelte Anzeigenkampagne zu einem kritischen Zeitpunkt für
       alle russischen Medien im Exil kommt. Wie viele andere Medien, die Russland
       aufgrund des Krieges und der militärischen Zensur verlassen mussten, steht
       auch Meduza vor erheblichen Finanzierungsproblemen. Timtschenko ist
       überzeugt, dass „die unglaublich hochwertige Kampagne von Lure“ dazu
       beitragen wird, das Bewusstsein des westlichen Publikums für dieses Thema
       zu schärfen. Da die Meduza-Redaktion über kein eigenes Marketingbudget
       verfügt, zählt sie auf Leser und Kollegen aus anderen Medien und
       zivilgesellschaftlichen Organisationen, um die Kampagne zu unterstützen.
       
       Auch die taz Panter Stiftung unterstützt Meduza: Seit März 2023 präsentiert
       sie unter [3][taz.de/meduza] wöchentlich eine Zusammenfassung der
       wichtigsten, interessantesten Artikel Meduzas der vergangenen Woche. In der
       Zeit vom 9. bis zum 15. Januar 2025 berichtete Meduza unter anderem über
       folgende Themen: 
       
       ## Ein Neonazi und ein tschetschenischer Militär
       
       Das öffentliche Gesicht der tschetschenischen Spezialeinheit „Akhmat“ und
       einer der berüchtigtsten Neonazi-Führer Russlands treten gemeinsam in einem
       bizarren Video auf. Im Internet verbreitete es sich schnell – und sorgt für
       Verwirrung: Warum machen diese beiden Charaktere gemeinsame Sache?
       
       Der Tschetschene Apti Alaudinow sprach von einer gemeinsamen Sache und
       gegenseitigem Respekt. Alexej Milchakow erklärte, dass niemand „von
       irgendjemandem eingeschüchtert“ worden sei, um an dem Treffen teilzunehmen.
       Dieser ungeschickte Zwischenruf erweckte erst den Eindruck, dass Milchakow
       zur Teilnahme gedrängt wurde.
       
       Alaudinow und Milchakow sind beide seltsame Gestalten. Beobachter
       analysieren: Beide Seiten hatten Gründe, diesen gemeinsamen Publicity-Gag
       zu veranstalten. Semyon Reshetilov von RFE/RL hatte jüngst über die
       Hintergründe des Treffens berichtet, [4][Meduza fasst seine Erkenntnisse
       auf Englisch zusammen.]
       
       Mehrere Quellen berichteten RFE/RL, dass Milchakow selbst unter russischen
       Nationalisten als Außenseiter gilt. „Sein Hauptmerkmal ist nicht, dass er
       ein Nazi ist, sondern dass er ein Wahnsinniger ist, der öffentlich Welpen
       geschlachtet hat“, erklärt eine Quelle. Ende 2011, im Alter von 20 Jahren,
       erlangte Milchakow landesweite Berühmtheit, als er Aufnahmen
       veröffentlichte, die ihn beim Töten und anschließenden Verzehr eines Welpen
       zeigten.
       
       Wenige Jahre nach dem Welpenvideo schloss sich Milchakow den russischen
       Stellvertreterkräften an, die in der Ostukraine kämpften. „Ich bin ein
       Nazi. Ich werde nicht ins Detail gehen – nationalistisch, patriotisch,
       imperialistisch – ich sage es direkt: Ich bin ein Nazi“, erklärte Milchakov
       dem nationalistischen Medienunternehmen Sputnik & Pogrom im Jahr 2014.
       
       ## Auch Moskau und die Taliban machten gemeinsame Sache
       
       In einer neuen Recherche, die auf einem Bericht des Spiegels basiert, hat
       The Insider Details über eine angebliche Zusammenarbeit zwischen dem
       russischen Militärgeheimdienst GRU und den afghanischen Taliban aufgedeckt.
       Dem Bericht zufolge zahlte Moskau zwischen 2016 und 2019 den Taliban
       verbundenen Kämpfern rund 200.000 US-Dollar für jeden westlichen
       Koalitionssoldaten, den sie in Afghanistan töteten. [5][Meduza fasst die
       wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bericht von The Insider auf Englisch
       zusammen.]
       
       Im Jahr 2020 berichtete die New York Times, dass der russische Geheimdienst
       Kopfgelder auf US- und Koalitionstruppen in Afghanistan ausgesetzt hatte.
       Dem Bericht zufolge fanden die US-Geheimdienste heraus, dass eine russische
       Einheit, die für verdeckte Operationen in Europa bekannt ist, hinter den
       Zahlungen stand. US-Beamte sollen auch Beweise für Banküberweisungen von
       einem GRU-kontrollierten Konto an ein Konto mit Verbindungen zu den Taliban
       abgefangen haben.
       
       The Insider sprach mit vier ehemaligen afghanischen Beamten, von denen drei
       leitende Positionen im Nationalen Geheimdienst Afghanistan (NDS)
       innehatten, bevor die Taliban 2021 die Macht übernahmen. Ihnen zufolge
       fanden die angeblich von Moskau finanzierten Attacken zwischen 2016 und
       2019 statt.
       
       Der NDS deckte den Plan Mitte 2019 bei Verhören von gefangenen
       Taliban-Kämpfern auf. Ein ehemaliger NDS-Beamter schätzte, dass die GRU
       insgesamt mindestens 30 Millionen Dollar an die Taliban zahlte.
       
       ## Wie das ukrainische Militär sich in Pokrowsk verteidigt
       
       Die russischen Truppen haben vor einigen Monaten eine Offensive im Gebiet
       Pokrowsk in der Region Donezk begonnen. Anfang Januar kamen sie Pokrowsk
       selbst sehr nahe – einer Stadt, in der vor Kriegsbeginn mehr als 60.000
       Menschen lebten. Es gilt als wahrscheinlich, dass die russischen
       Streitkräfte nicht vorhaben, die Stadt zu stürmen, sondern die
       Nachschublinien zu unterbrechen. So sollen die ukrainischen Streitkräfte
       zum Rückzug gezwungen werden.
       
       Während sich das russische Militär der Stadt nähert, verlassen die
       Einwohner die Stadt. Anfang Januar lebten noch etwa 7.000 Menschen in
       Pokrowsk. Die ukrainischen Streitkräfte forderten die Bewohner auf, die
       Stadt zu verlassen. Denn die Evakuierung trage dazu bei, die Stadt
       wirksamer zu verteidigen. [6][Meduza erzählt die Geschichte der
       Evakuierungen und des Kampfes mit Fotografien (russischer Text).]
       
       15 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://meduza.io/en/feature/2024/11/25/where-other-headlines-end-meduza-begins
   DIR [2] https://meduza.io/brand/where-other-headlines-end-meduza-begins
   DIR [3] /Unser-Fenster-nach-Russland/!t5916992
   DIR [4] https://meduza.io/en/feature/2025/01/11/general-tiktok-and-his-neo-nazi-freak
   DIR [5] https://meduza.io/en/feature/2025/01/09/the-insider-reveals-new-details-of-russian-intelligence-scheme-offering-taliban-200-000-bounties-for-killing-u-s-soldiers-in-afghanistan
   DIR [6] https://meduza.io/feature/2025/01/14/rossiyskie-voyska-vplotnuyu-podoshli-k-pokrovsku-iz-goroda-uezzhayut-te-zhiteli-kotorye-ostavalis-tam-do-poslednego-fotografii
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tigran Petrosyan
       
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