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       # taz.de -- Menschenrechte in Lieferketten: Friedrich Merz bekommt Gegenwind vom eigenen Vizekanzler
       
       > Dass der Bundeskanzler die EU-Lieferkettenrichtlinie abschaffen will,
       > stößt dem Koalitionspartner auf. Und nicht nur dem: NGOs starten eine
       > Petition.
       
   IMG Bild: Die EU-Lieferkettenrichtlinie verpflichtet Firmen zum Schutz von Menschenrechten auch bei Vorprodukten: Minenarbeiter im Kongo
       
       Brüssel dpa/taz | Wenige Tage nach der ersten Brüsselreise von Friedrich
       Merz in seiner neuen Funktion tritt Uneinigkeit zwischen dem Bundeskanzler
       und seinem Vize Lars Klingbeil zutage. Der SPD-Politiker widersprach Merz
       mit Blick auf das europäische Lieferkettengesetz. Natürlich müsse die neue
       Bundesregierung Bürokratie abbauen, so Klingbeil. „Aber insgesamt waren wir
       uns einig, das Lieferkettengesetz ist wichtig“, sagte der SPD-Chef und
       Finanzminister. Auch die Initiative Lieferkettengesetz kritisierte die
       Aussagen des Bundeskanzlers, am Dienstagmorgen startete sie eine Petition.
       
       Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel hatte [1][Merz am Freitag in zwei
       Pressekonferenzen gefordert, die europäische Lieferkettenrichtlinie
       abzuschaffen]. „Wir werden in Deutschland das nationale Gesetz aufheben.
       Ich erwarte auch von der Europäischen Union, dass sie diesen Schritt
       nachvollzieht und diese Richtlinie wirklich aufhebt“, sagte der
       CDU-Politiker bei einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin
       Ursula von der Leyen.
       
       Im Koalitionsvertrag habe sich die neue Bundesregierung klar zur Umsetzung
       der EU-Lieferkettenrichtlinie bekannt, heißt es in einer Mitteilung der
       Initiative Lieferkettengesetz, einem Bündnis von mehr als 90 Organisationen
       – darunter Menschenrechtsorganisationen, Umweltverbände, Gewerkschaften
       sowie kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen. „Dieses
       Versprechen bereits wenige Tage nach Amtsantritt infrage zu stellen, ist
       ein fatales Signal – an die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen, an
       den Koalitionspartner, ebenso wie an Unternehmen, die dringend auf
       verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen sind und
       Planungssicherheit brauchen.“ In einer [2][Petition fordern die
       Organisationen den Bundeskanzler auf, das Lieferkettengesetz zu
       verteidigen] statt auf das Recht des Stärkeren zu setzen.
       
       Am Montag hatte sich auch die EU-Kommission gegen die Forderung von Merz
       gestellt. Die [3][Position der Kommission zur Lieferkettenrichtlinie] sei
       öffentlich bekannt, es gehe um Vereinfachung, sagte eine Sprecherin der
       Behörde in Brüssel. „Es geht nicht darum, sie abzuschaffen.“
       
       ## Gegenwind auch aus dem Europaparlament
       
       Es habe nur wenige Tage gedauert, bis sich Kanzler und Vizekanzler in
       Brüssel auf offener Bühne widersprechen würden, sagte der stellvertretende
       Parteivorsitzende und Europa-Sprecher der Grünen, Sven Giegold. Das sei
       „entzaubernd“, so der Politiker. Merz hatte mehr Einigkeit in der
       Europapolitik der Bundesregierung versprochen.
       
       Widerworte bekommt Merz auch von Europaabgeordneten seines
       Koalitionspartners. „Eine Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes liegt
       nicht auf dem Tisch“, sagte der Delegationsvorsitzende der
       SPD-Europaabgeordneten, René Repasi. Dies habe auch weder im
       Europaparlament noch unter den EU-Staaten eine Mehrheit. Man [4][stehe
       Änderungen offen gegenüber, die Entlastungen für Unternehmen bedeuteten].
       
       Das Ziel, [5][Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung
       einzudämmen], bleibe aber bestehen. Die Umsetzung des
       EU-Lieferkettengesetzes sei im deutschen Koalitionsvertrag beschrieben,
       betonte Repasi. Sein Parteifreund und SPD-Fraktionsvize für Wirtschaft im
       Bundestag, Armand Zorn, sagte: „Die Abschaffung der
       EU-Lieferkettenrichtlinie wäre aus meiner Sicht der falsche Weg.“
       
       Das Europaparlament hatte Anfang April eine Verschiebung des europäischen
       Lieferkettengesetzes ermöglicht, um den Unternehmen mehr Zeit zu geben.
       Erste Regeln sollen nun voraussichtlich erst 2028 gelten.
       
       13 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abschaffung-des-EU-Lieferkettengesetzes/!6087462
   DIR [2] https://lieferkettengesetz.de/lieferkettengesetzretten/
   DIR [3] /Aufweichung-der-EU-Lieferkettenrichlinie/!6070195
   DIR [4] /Lieferkettengesetz-soll-vertagt-werden/!6075838
   DIR [5] /UN-Report-zu-Menschenhandel/!6055956
       
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