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       # taz.de -- Merkels Ansprache zu Corona: Deutsche Gründlichkeit
       
       > Die Bundeskanzlerin bittet die Bürgerinnen und Bürger mit bewegenden
       > Worten, zuhause zu bleiben. Das reicht nicht.
       
   IMG Bild: Das Team der Zentralen Notaufnahme in Essen macht klare Ansagen
       
       Die eindringliche Rede der Bundeskanzlerin vom Mittwoch hat das Dilemma der
       deutschen Reaktion auf die Pandemie exemplarisch gezeigt. Wie ordnet man
       Maßnahmen an auf einer nach oben offenen Eskalationsskala und bleibt
       zugleich im Tempo und Tonfall der typisch deutschen Zurückhaltung?
       
       Die Pläne, die der Krisenstab rund um die Uhr für die Bundesregierung und
       die Kanzlerin entwickelt, sind durchdacht, abgestimmt und austariert. Sie
       sind nicht geprägt von überstürztem Handeln oder panischer Geschäftigkeit.
       Sie sind im zeitlichen Ablauf geordnet und organisiert. Es gibt nur ein
       Problem: Das Virus entzieht sich dem historisch gewachsenen
       Selbstverständnis der Deutschen.
       
       Stand Mittwochabend waren in Deutschland 11.302 Fälle einer
       [1][Infizierung] mit dem Coronavirus registriert. Wir haben uns (bei
       weltweit fast 210.000 Infizierten) auf Platz fünf der globalen Statistik
       vorgearbeitet, vor Südkorea und Frankreich. Dass die Zahl der Infektionen
       in Wahrheit deutlich höher liegt, bezweifelt niemand mit Sachverstand.
       Schon allein weil heute angesteckte Menschen vielleicht morgen, vielleicht
       erst in zehn Tagen oder gar nicht getestet werden. Da hilft es auch nicht,
       dass die US-Zahlen noch viel weiter von der Wahrheit entfernt sein dürften.
       
       Gleichzeitig ist die Zahl der an der Infektion Gestorbenen zwar in jedem
       Einzelfall eine Tragödie, aber im internationalen Vergleich mit bislang 27
       Toten phänomenal niedrig. Die Daten legen nahe, dass unser
       Gesundheitssystem bislang hervorragend funktioniert. Im Gegensatz zu
       Italien und auch Spanien, wo sich medizinische Katastrophen entwickelt
       haben, kann Deutschland bisher in der medizinischen Versorgung mit den
       steigenden Fallzahlen mithalten. Berlin errichtet sogar ein Krankenhaus mit
       1.000 Betten.
       
       Was liegt da näher, als noch einmal schnell die Frühlingssonne zu genießen?
       Das erste Eis wird schon verkauft, die Leute sitzen in Cafés. Die Gefahr
       scheint in Deutschland ja doch nicht ganz so groß zu sein wie in Italien.
       Bilder aus überfüllten Krankenhäusern mit verzweifelten Menschen stammen
       aus einer Welt hinter den Alpen. Eine gefährliche Illusion.
       
       Wenn die Bundeskanzlerin die Bürgerinnen und Bürger jetzt in einer
       bewegenden Rede an die Nation auffordert, doch bitte zu Hause zu bleiben,
       reicht das nicht aus. Eine Aufforderung, die das Wort „Ausgangssperre“
       vermeidet, ist sogar falsch. Sie legt nahe, Deutschland habe das, anders
       als [2][seine Nachbarstaaten,] nicht nötig. Diese Interpretation wiegt die
       Menschen in einer Sicherheit, die es nicht gibt.
       
       Es braucht klare Auflagen. Dass diese vom Krisenstab bald noch kommen, ist
       recht wahrscheinlich. Wir machen das eben gründlich. Aber zu langsam. Für
       alle Maßnahmen muss allerdings eine Bedingung gelten: dass sie nur in der
       Pandemie zur Anwendung kommen und danach ohne Ausnahme wieder rückgängig
       gemacht werden.
       
       18 Mar 2020
       
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