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       # taz.de -- Merz' Besuch bei Donald Trump: Er war nicht „Angela“
       
       > Mit dem Besuch in Washington wollte Friedrich Merz das wackelige
       > transatlantische Verhältnis stabilisieren. Immerhin – einen Punkt konnte
       > er machen.
       
   IMG Bild: Ziemlich gute Freunde? Immerhin kommt Trump mit Merz beim Antrittsbesuch besser klar als mit Ex-Kanzlerin Merkel
       
       Washington taz | Der Antrittsbesuch bei Donald Trump verlief frustrierend.
       „Kaum waren nach dem Vieraugengespräch die Mitglieder der beiden
       Delegationen ins Oval Office gekommen, begann er, Deutschland die bekannten
       Vorhaltungen zu machen“, berichtet der Staatsgast aus Berlin über den
       US-amerikanischen Präsidenten. „Wenn er meinen Argumenten doch einmal
       Aufmerksamkeit schenkte, dann zumeist nur, um daraus neue Vorhaltungen zu
       konstruieren.“ Für Angela Merkel stand danach fest: Kooperation ist mit
       Trump nicht möglich. Ihm gehe es nur ums Gewinnen oder Verlieren. Das war
       2017.
       
       Die damalige deutsche Kanzlerin machte nicht nur in ihrer Autobiografie
       keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber Trump. Den G7-Gipfel drei Jahre
       später, mitten in der Coronapandemie, sagte sie ab. Danach soll Funkstille
       zwischen ihr und Trump geherrscht haben.
       
       Ihr CDU-Nachfolger im Amt, Friedrich Merz, wollte nun die Drähte neu
       spannen, um sich Trump als zuverlässiger Gesprächspartner zu empfehlen. Als
       einer, dessen Nummer Trump als Erstes wählt, wenn er mit Europa sprechen
       will. Aber auch als jemand, der ihm – wenn nötig – widerspricht.
       
       Merz’ Antrittsbesuch am Donnerstag in Washington war der bislang wichtigste
       Termin seiner noch jungen Kanzlerschaft und hatte etwas von der Aufwartung
       des hoffnungsvollen Bräutigams bei der als Drachen geltenden
       Schwiegermutter.
       
       ## Strategie: Lächeln und Schweigen
       
       Merz meisterte ihn. [1][Aber was folgt daraus?] Wird sich Trump nun ohne
       Wenn und Aber auf die Seite der Ukraine schlagen? Ändert er seine
       Zollpolitik?
       
       [2][Die Ausgangslage schien günstig.] Merz hat einmal für die
       US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackrock gearbeitet, war jahrelang
       Vorsitzender des Lobbyvereins „Atlantikbrücke“. Er spricht fließend
       Englisch und besuchte bereits 1982 zum ersten Mal das Weiße Haus, als dort
       noch Trumps politisches Idol Ronald Reagan regierte. Was aber wohl am
       meisten für ihn sprach: Er war nicht „Angela“.
       
       Die Ex-Kanzlerin ist für Trump offenbar immer noch eine solche Reizfigur,
       dass er sie beim Treffen mit Merz in seinem Büro, dem Oval Office, gleich
       mehrfach erwähnte. „Angela“ hätte viele böse Menschen nach Deutschland
       gelassen und Russland Milliarden geschenkt, behauptete Trump – eine
       Anspielung auf die Flüchtlingspolitik unter Merkels schwarz-roter Regierung
       und den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2.
       
       Für Merz fand Trump viele warme Worte: Dessen Englisch sei so gut, ob sein
       Deutsch genauso gut sei? Merz lächelte. Er hatte extra auf einen
       Dolmetscher verzichtet. Ein Vertrauensbeweis. An anderer Stelle nannte
       Trump den Kanzler sogar seinen Freund, darauf antwortete dieser
       schlauerweise nichts.
       
       Überhaupt verbrachte er den größten Teil des gut 40-minütigen öffentlichen
       Beisammenseins schweigend, denn Trump ließ seinen Gast kaum zu Wort kommen.
       Er sprach lieber selbst, vor allem über US-amerikanische Innenpolitik:
       [3][Über die von ihm Big Beautiful Bill genannten Steuererleichterungen] –
       die Milliardenlöcher in die Staatskasse reißen werden –, über Ex-Präsident
       Joe Biden, der nie hätte Präsident werden dürfen, über seinen ehemaligen
       Best Buddy und neuen Intimfeind Elon Musk und natürlich über sich selbst,
       Donald Trump: Wäre er 2022 Präsident gewesen, hätte es den Krieg in der
       Ukraine nie gegeben.
       
       ## Merz'scher D-Day
       
       Merz, der sich in der Haltungsnote zwischenzeitlich dem Präsidenten
       angenähert hatte, vornüber geneigter Oberkörper, weit geöffnete Knie, die
       Hände locker dazwischen baumelnd, sich dann wieder zurücklehnte und die
       Armlehnen seines Sessels umklammerte, widersprach nur selten. Etwa als
       Trump den Krieg in der Ukraine mit zwei Kindern verglich, die sich
       prügelten und die man einfach mal ein bisschen kämpfen lassen solle, ehe
       man sie auseinanderreißt.
       
       Das konnte Merz so nicht stehen lassen. Die Nachfrage eines Journalisten
       ermunterte ihn zur Gegenrede: „Sie sind die Schlüsselfigur in der Welt, die
       Druck auf Putin ausüben kann, um den Krieg zu beenden“, schmeichelte er
       seinem Gegenüber. Und appellierte an dessen historische Verantwortung: Im
       Juni 1944 sei es zum D-Day gekommen, als die Alliierten unter
       amerikanischer Führung in der Normandie landeten und damit die letzte Phase
       von Hitlers Krieg begann, der mit der Kapitulation der Wehrmacht endete.
       
       Insgesamt war der Besuch bei Trump für den nicht zum Understatement
       neigenden CDU-Politiker eine Übung in Demut und Bescheidenheit, eine Art
       Merz’scher D-Day. Als Merz später, nachdem er mit Trump noch zu Mittag
       gegessen hatte – Salat, Steak und Nachtisch –, vor der Kulisse des Lincoln
       Memorial ein erstes Fazit zog, schwitzte er noch immer. Es sei ein sehr
       gutes Gespräch, eine wirklich gute Atmosphäre gewesen, sagte der Kanzler in
       der schwülwarmen Nachmittagsluft. „Wir verstehen uns auf der persönlichen
       Ebene gut.“ Darauf aufbauend werde man sicher auch in Zukunft gute
       Gespräche haben. Merz wirkte erleichtert.
       
       Denn das war der Zweck des Besuchs: einen guten Eindruck hinterlassen.
       Andere waren zuvor an Trump gescheitert, der hatte seine Gäste in
       Despotenmanier zur Schnecke gemacht, den ukrainischen Präsidenten
       gedemütigt, [4][den südafrikanischen Staatschef mit Fake News provoziert].
       Die Befürchtung, Merz widerfahre ein ähnliches Schicksal, war nicht
       unberechtigt, zumal Trumps Stab kurz nach der Landung des Kanzlers den
       Ablaufplan änderte.
       
       Das Mittagessen, wo Merz schon mal für gute Stimmung sorgen wollte, wurde
       nach hinten verlegt, das Gespräch vor Journalisten im Büro des Präsidenten
       vorgezogen. Schlechtes Timing. Würde sich Merz also von einem hungrigen
       Präsidenten einen Vortrag über die gefährdete Meinungsfreiheit in
       Deutschland anhören müssen oder von Maga-Bloggern zu seinem Naziopa befragt
       werden? Nichts davon trat ein.
       
       ## Aus Partnerschaft wird Rivalität
       
       Auf Fragen zur Meinungsfreiheit hatte sich Merz vorbereitet, wie er
       überhaupt einiges an Zeit und Nachdenken in den Besuch investiert hatte. Er
       hatte Telefonate geführt, Videos anderer Antrittsbesuche im Weißen Haus
       angeschaut. Viel steht auf dem Spiel. Deutschland ist in mehrfacher
       Hinsicht auf die USA angewiesen: als atomare Schutzmacht, als
       Handelspartner, als Verbündeter. Doch nie ließen die USA Deutschland diese
       Abhängigkeit auf allen drei Gebieten stärker spüren, nie zuvor schien sich
       Partnerschaft vor allem in Rivalität zu verwandeln.
       
       Im Koalitionsvertrag wird die transatlantische Partnerschaft zwar noch als
       Erfolgsgeschichte beschrieben. Doch Trump überzieht die Welt, Europa und
       auch Deutschland mit Zöllen. Erst wenige Tage zuvor verdoppelte er die
       Preisaufschläge auf Stahl und Aluminium. „Die transatlantische
       Partnerschaft ist extrem wacklig und extrem geschwächt“, sagt Rachel
       Tausendfreund, die bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu
       diesem Thema forscht. Die extrem aggressive Handelspolitik der
       Trump-Regierung und deren Einmischung in die inneren Angelegenheiten
       Deutschlands stellten sie auf die Probe. Allerdings sei auch klar:
       „Deutschland kann auf die USA und auf eine gute beiderseitige Beziehung
       nicht verzichten.“
       
       Ein Dilemma. Im Krieg Russlands gegen die Ukraine drohen die USA als
       bislang größter Unterstützer des angegriffenen Landes ebenfalls
       auszufallen. Trumps sprunghafter Umgang mit dem russischen Kriegsherren
       Wladimir Putin treibt die Koalition der Willigen, die Merz gern anführen
       würde, schier in den Wahnsinn. Es geht ihm nun vor allem darum, [5][die USA
       bei der Stange zu halten]. Doch dies, das weiß man auch im Kanzleramt, wird
       harte Arbeit. Trump, der einen Tag vor Merz’ Besuch mit Putin telefoniert
       hatte, übt bislang nur Druck auf die Ukraine aus.
       
       Beide Themen sprach Merz im Weißen Haus an. Bei beiden erreichte er wenig.
       Immerhin rang sich Trump im Beisein des Gastes das Bekenntnis ab, dass die
       amerikanischen Truppen, nach Trumps Angaben gut 45.000 Soldaten, in
       Deutschland stationiert bleiben sollen.
       
       Zu einer Änderung seiner Zollpolitik ließ sich Trump bislang nicht bewegen,
       weder von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen noch von seinem neuen
       Freund Friedrich. Im Gegenteil – die von Trump geplanten
       Steuererleichterungen enthalten auch eine versteckte Strafsteuer für
       Länder, die eine Abgabe für Digitalkonzerne erheben, wie sie etwa die EU
       und auch Deutschland plant. Darauf weist der Grünen-Politiker Sven Giegold
       auf X hin.
       
       ## Vorauseilender Gehorsam
       
       Beim ersten Telefonat mit Trump, zwei Wochen nach seinem Amtsantritt, hatte
       Merz sich mit diesem tatsächlich auch über Großväter ausgetauscht. Nicht
       über den eigenen, [6][der Mitglied der NSDAP und Bürgermeister von Brilon
       war], sondern Trumps Ahne. Der stammt aus dem rheinland-pfälzischen
       Kallstadt und hieß wie Merz mit Vornamen Friedrich. Nach dem Telefonat ließ
       er nach Trump seniors Geburtsurkunde fahnden, im Landeskirchenarchiv von
       Speyer wurde man fündig. Die in Gold gerahmte Abschrift überreichte er dem
       Enkel.
       
       Trumps öffentliche Begeisterung hielt sich in Grenzen. Er schien das
       gleiche Geschenk bereits 2017 erhalten zu haben, jedenfalls behauptet das
       Ex-Bild-Chef Kai Diekmann auf X. Und zwar von ihm, Kai Diekmann.
       Möglicherweise hat Trump es inzwischen entsorgt, zu sehen war es jedenfalls
       nicht.
       
       Wichtiger als das goldgerahmte Faksimile war wohl ein anderes
       Antrittsgeschenk: In seiner Regierungserklärung hatte Merz verkündet,
       Deutschland wolle die stärkste konventionelle Armee Europas stellen. Er
       legte dann nach, dass man künftig 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in
       Verteidigungsausgaben investieren wolle. Eine Forderung, der sich auch
       andere Länder anschlossen. Trump quittierte das im Weißen Haus als
       „positiv“.
       
       „Die USA geben selbst keine fünf Prozent für Verteidigung aus, insofern
       kann es Trump als Etappensieg verbuchen, dass Deutschland und die EU-Länder
       das vorauseilend als Nato-Ziel anbieten“, sagt Cathryn Clüver Ashbrook,
       Expertin für Außenpolitik bei der Bertelsmann-Stiftung. Trump habe mit
       Europa im Verteidigungsbereich eigentlich abgeschlossen. „Er möchte aus der
       Verantwortung, so weit es geht, raus. Asien steht im Fokus.“
       
       Für das beste Angebot, welches Merz Trump machen könnte, sei es noch zu
       früh, meint Clüver Ashbrook. Trump werde in den kommenden Monaten große
       wirtschaftliche Probleme mit den von ihm selbst verhängten Zöllen und
       innenpolitischen Interventionen bekommen, prophezeit sie.
       „Reindustrialisierung ist sein Ziel, Technologie und Hochleistungsfertigung
       können hier Antworten bieten. Die dafür nötigen Maschinen kommen entweder
       aus Europa, aus Deutschland oder Italien – oder eben aus China.“ Hier könne
       Deutschland im eigenen und im US-Interesse eine Lücke füllen.
       
       Will Trump das? Als Merz zum Schluss vor das Lincoln Memorial zog, fanden
       sich zahlreiche Schaulustige ein. Unter ihnen Kevin und Tami aus
       Kalifornien. „Ah, Friedrich Merz“, bemerkte Kevin, ein Ex-Soldat, der mal
       in Deutschland stationiert war. „Ein guter Mann.“ Dann entschuldigte er
       sich: „Wir lieben Deutschland, und wenn es vorbei ist mit Trump, werden wir
       auch wieder gute Freunde.“ Dass es Trump um Kooperation geht, bezweifeln
       sie.
       
       Merz will es jedenfalls versuchen. Schon in einer Woche, beim Treffen der
       G7-Staaten, und Ende Juni beim Nato-Gipfel trifft er Trump wieder.
       
       6 Jun 2025
       
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