# taz.de -- Mesut Özils DFB-Rücktritt: Maskulinismus besiegt Melancholie
> Der DFB-Rücktritt des Weltklassespielers Özil ist auch ein Triumph der
> Alphamänner im Feldherren-Fußball. Seine Körpersprache passte ihnen nie.
IMG Bild: Die hängenden Schultern, das Zerbrechliche, das Hadern: Mesut Özil
Frankfurt am Main taz | Dass [1][Mesut Özil zum Sündenbock] und zur
[2][Zielscheibe rassistischer Attacken] wurde, hat nicht nur [3][mit den
bescheuerten Erdoğan-Fotos zu tun], sondern auch mit seiner Art, Fußball zu
performen, mit seinem Auftreten auf dem Platz und, ja, mit seiner
gottverdammten Körpersprache. Die hängenden Schultern, das Zerbrechliche,
das Hadern, die Melancholie, die auch im Torjubel nie ganz verschwindet aus
Mesuts Glubschaugen – Symptome einer Fußball(un)männlichkeit, die so gar
nicht nach deutschem Tugendschweiß und German Panzer riecht.
Özil sei „aufreizend, nicht nur als ,Türke' oder Muslim, ein
„postheroischer, andersmännlicher Sportler“, schreibt René Aguigah von
Deutschlandfunk Kultur auf Facebook – und verlinkt zu einer Hommage des
Standford-Professors Ulrich Gumbrecht aus der Zeitschrift 11 Freunde: Dort
feiert Gumbrecht die „erhabenen Momente“ in Özils Spiel als „Eleganz des
Minimalismus“: Ihm gelängen „Pässe, die eher aus dem Nichts zu kommen
scheinen als aus der epischen Tiefe des Raums.“ Professorale Schwärmereien
sind dem gemeinen deutschen Fußballfan mindestens so suspekt wie der
Versuch, die Qualitäten eines Spielers statistisch zu belegen.
Das tut Exprofi Stefan Reinartz mit dem „Packing“: Dabei wird gezählt, wie
viel gegnerische Spieler mit einem Pass überspielt werden. „Özil
polarisiert ohne Ende, aber nur in Deutschland – in England und Spanien
wird er gefeiert“, sagt Reinartz. „Er ist ja auch ein seltsamer Spieler:
Viele Tore schießt er nicht, ein richtig guter Dribbler ist er auch nicht,
und er ist auch nicht besonders schnell.“ Aber: „Er ist die beste
Anspielstation. Über ihn sind bei der EM 2016 mit die meisten Gegenspieler
überspielt worden, 66. Özils große Stärke ist das Raumverhalten zwischen
den Linien. Da ist er der Beste der Welt.“ Und es sieht mühelos aus. Wer
Fußball ohne Mühsal spielt, der gerät unter Verdacht.
„Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist“, verkündet Uli Hoeneß in Sport
Bild. Özil habe „seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf
hat er vor der WM 2014 gewonnen.“ Womit [4][der Bayern-Patriarch] sogar
Recht haben könnte. Unnötigen Zweikämpfen geht Özil aus dem Weg, er sucht
spielerische Lösungen. Groß ist er in dem, was er nicht tut. Keine
Verzweiflungsschüsse! „Hauptsache Abschluss“, sagt eine dieser ewigen
Fußballweisheiten, der Schussversuch aus ungünstiger Position soll
Willensstärke signalisieren, führt aber kaum zum Erfolg. Besser: Keine
Flanken auf gut Glück! Nie hebt Özil die Kugel in den Strafraum, in der
vagen Hoffnung auf einen Mitspieler. Stattdessen: weiterspielen und Lücken
finden. Risikopässe auf engstem Raum, wenn’s klappt, ist es meistens ein
Tor.
## „35 Millionen Follower-Boys“
Für solche Feinheiten wird der feine Fußballer Mesut Özil geliebt – und
gehasst. Gehasst vor allem von Alphamännern des Feldherren-Fußballs. Wenn
er die Hymne nicht singt, soll er nicht für Deutschland spielen, meint
Stefan Effenberg, Körpersprache wie ein toter Frosch, blökt Mario Basler.
Putin-Freund Lothar Matthäus erkennt, dass Mesut sich im Nationaltrikot
nicht wohlfühlt, und Hoeneß würzt seine Tirade mit einer
Verschwörungstheorie von Özils „35 Millionen Follower-Boys – die es
natürlich in der wirklichen Welt nicht gibt“.
„Follower-Boys“? Das klingt nach „Yogis Schwulencombo“. So bezeichnete
Michael Becker 2010 die Nationalmannschaft. Becker war Berater von Michael
Ballack, dem letzten Alphamann, der gerade der Schwulifizierung der
deutschen Auswahl zum Opfer gefallen war, ins Werk gesetzt von den
notorisch unter Homoverdacht stehenden Philipp Lahm und Joachim Löw.
[5][Özils Rücktritt ist nicht nur ein Triumph des Rassismus], er ist auch
einer des maskulinistischen Rollbacks von rechts, in dem kernige weiße
Heteromänner ihre Machtpositionen gegen Genderwahn und Diversity
vorwärtsverteidigen.
23 Jul 2018
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## AUTOREN
DIR Klaus Walter
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