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       # taz.de -- Mexiko: Knochenreste auf Ranch gefunden: Spuren eines Massenmords
       
       > Im Westen Mexikos wurden menschliche Überreste in einem
       > „Vernichtungslager“ gefunden. Mitglieder eines Kartells sollen zudem
       > dort ausgebildet haben.
       
   IMG Bild: Mahnwache: Sandalen, die stellvertretend für das Opfer stehen
       
       Nein, dieses Mal sind es keine inszenierten Gesänge, kunstvoll vorgetragen
       von einigen schwarz gekleideten Frauen, die von einer trans Frau
       unterstützt werden, die einst als Mafiachef Menschen terrorisiert und
       gekillt hat. Die Fotos, die in diesen Tagen über das [1][Verschwinden von
       Söhnen, Töchtern, Vätern und Geschwistern mexikanischer Familien] durch die
       Medien des Landes gehen, haben wenig zu tun mit dem Bild, [2][das Filme wie
       „Emilia Pérez“] auf internationalen Leinwänden zeichnen.
       
       Sie zeigen Berge von Schuhen, zurückgelassene T-Shirts, Leggins und
       Rucksäcke sowie Gebäude, die als Krematorien dienten – die verbliebenen
       Spuren eines Massenmords auf einem Anwesen im Zentrum des Landes. Auch
       verkohlte Reste menschlicher Knochen wurden auf dem Gelände gefunden, das
       viele als „Vernichtungslager“ bezeichnen.
       
       Wieder einmal waren es nicht die Sicherheitsbehörden, die vergangene Woche
       diesen grausamen Fund machten. Das Kollektiv Guerreros Buscadores de
       Jalisco entdeckte die Ranch Izaguirre nahe der Gemeinde Teuchitlán, eine
       Stunde von der Großstadt Guadalajara entfernt. Hier hatten sich einst die
       Killer des Jalisco-Kartells niedergelassen. Die Gruppe von Angehörigen von
       Verschwundenen war auf der Suche nach ihren Liebsten auf den Hof gestoßen,
       der den Kriminellen mehrere Jahre lang als Trainingslager diente. Und als
       Ort zur Hinrichtung derer, die nicht verwertbar waren.
       
       Dank der Bilder, die das Kollektiv von dem grauenvollen Gelände
       veröffentlichte, meldete sich ein Zeuge, der selbst einst dorthin
       verschleppt wurde. Er berichtete davon, wie man ihn mit etwa 200 weiteren
       Menschen für den Krieg des Kartells drillte. Demnach boten ihnen die
       Kriminellen auf einem Busbahnhof nahe Guadalajara Jobs an. Kaum in den
       Transporter gestiegen, habe man ihnen ihre Habseligkeiten abgenommen und
       die Augen verbunden.
       
       ## Kooperation zwischen Mafia und Behörden
       
       Im Lager seien sie dann, ständig bewacht von Bewaffneten, „ausgebildet“
       worden. Sie hätten an simulierten Kämpfen teilnehmen müssen. Wer sich
       beklagte, sei im Krematorium verbrannt worden, das sie selbst hatten bauen
       müssen. Die anderen zogen in den Krieg gegen andere Kartelle. Nicht jedes
       Wort, das der Überlebende berichtet, muss stimmen. Aber seine Beschreibung
       entspricht dem, was auch die wenigen anderen berichten, die diese Hölle
       überlebt haben.
       
       Wie viele solcher Lager es in Mexiko gibt, ist unklar. Sie liegen häufig
       abgelegen, weil es dort, wie der Sicherheitsexperte David Saucedo erklärt,
       „Schreie aufgrund von Folter“ und „Explosionen“ gebe. Einige der 124.000
       Menschen, die insgesamt im Land als verschwunden gelten, dürften in eines
       dieser Zentren verschleppt worden und dort gestorben sein.
       
       „Teuchitlán ist der medialen Kontrolle des Regimes entkommen“, schreibt der
       Kolumnist der Zeitung El País, Salvador Camarena. Das muss man nicht
       wörtlich nehmen, denn in Mexiko wird die Presse nicht von der Regierung
       kontrolliert. Betrachtet man jedoch den Diskurs, so hat Camarena recht.
       Angesichts der beliebten und erfolgreichen [3][Präsidentin Claudia
       Sheinbaum] und des Troubleshooters Donald Trump sind die Verschwundenen in
       den Hintergrund gerückt.
       
       Dabei wurden in der knapp halbjährigen Amtszeit der Staatschefin schon
       wieder 6.726 Menschen verschleppt. Auch die Kooperation zwischen Mafia und
       Behörden hält an. Anders ist kaum zu erklären, warum die Staatsanwaltschaft
       nicht weiter ermittelte, obwohl die Nationalgarde im letzten Herbst nach
       Schusswechseln auf dem Gelände zehn Personen verhaftete und zwei Entführte
       befreite. Danach interessierten sich die Strafverfolger nicht weiter für
       die Ranch.
       
       Wären da nicht die Angehörigen, würde niemand über das Todeslager sprechen.
       Die Bilder, die schlimmste Assoziationen wecken, rüttelten jedoch auf.
       Vergangenen Samstag gingen in 20 Städten Mexikos Menschen auf die Straßen,
       um an die unbekannten Toten zu erinnern. In Mexiko-Stadt stellten sie 400
       Kerzen und 400 Paar Schuhe auf den zentralen Platz der Metropole – genau so
       viele, wie die Angehörigen auf der Ranch Izaguirre gefunden haben.
       
       18 Mar 2025
       
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