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       # taz.de -- Mietendeckel-Urteil aus Bayern: Noch ist der Deckel nicht drauf
       
       > Ist Mietpreisregulierung eine Länderkompetenz? Der Berliner Senat hält
       > ein Urteil zum Mietendeckel aus Bayern für nicht übertragbar.
       
   IMG Bild: Für Landesverfassungsrichter:innen in Bayern anscheinend doch
       
       Berlin taz | Heben die Bayern den rot-rot-grünen Berliner Mietendeckel? Ein
       [1][Urteil des bayerischen Landesverfassungsgerichts] stellt die
       grundsätzlichen Landeskompetenzen für einen Mietenstopp infrage. Ein
       Volksbegehren in Bayern wollte einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild und
       ist nun an den bayerischen Verfassungsrichter:innen gescheitert. In einer
       am Donnerstag [2][veröffentlichten Mitteilung] urteilt das Gericht, dass
       ein Volksbegehren für einen Mietenstopp in Bayern unzulässig sei, weil der
       Gesetzesentwurf mit Bundesrecht „offensichtlich unvereinbar“ sei.
       
       Auch im Streit über den [3][Berliner Mietendeckel] wurde dieser Punkt
       kontrovers diskutiert, im Gesetzgebungsverfahren kamen verschiedene
       Gutachten zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen dazu. Dem Berliner
       Mietendeckel steht noch eine Prüfung vor den Verfassungsgerichten sowohl
       auf Bundes-, als auch auf Landesebene bevor: CDU und FDP haben gegen das
       R2G-Gesetz geklagt.
       
       Mit dem Mietendeckel hatte die rot-rot-grüne Koalition wegen der
       [4][anhaltenden Wohnungsnot in Berlin] die Mieten für 1,5 Millionen
       Wohnungen auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren. Er gilt seit Februar
       2020, und ab November sind sogar Mietsenkungen möglich – wenn der Deckel
       nicht von Gerichten gekippt wird. Ab 2022 dürften die Mieten jährlich um
       1,3 Prozent steigen. Auch bei Wiedervermietungen müssen sich
       Vermieter:innen an festgelegte Obergrenzen halten. Für Neubau gilt der
       Deckel nicht.
       
       Die Berliner CDU und FDP freuten sich am Donnerstag recht unverhohlen über
       das Scheitern der bayerischen Volksinitiative. Das Urteil sei eine Ohrfeige
       für den Berliner Senat, sagte Berlins CDU-Chef Kai Wegner am Donnerstag.
       „Der Mietendeckel steht endgültig vor dem Aus.“ Auch der Verband
       Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmer feierte. Vorständin Maren Kern
       sagte: „Die Münchner Entscheidung ist ein klares Signal für Berlin.
       Mietrecht ist und bleibt Bundesrecht.“ Sie sei sehr erleichtert über das
       Urteil, das den Verband in seiner Rechtsauffassung bestärke.
       
       ## „Keine Auswirkungen auf Mietendeckel in Berlin“
       
       Der Berliner Senat hält das bayerische Urteil dennoch nicht für Berlin
       anwendbar: Die zuständige Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin
       Lompscher (Linke), sagte der taz: „Auf das in Berlin geltende Gesetz zum
       Mietendeckel hat das Urteil keine Auswirkungen.“ Die Kompetenzfrage könne
       nur abschließend vom Bundesverfassungsgericht beantwortet werden. Auch
       unterscheide sich das Berliner Gesetz „inhaltlich deutlich vom bayerischen
       Vorschlag. Deshalb gehen wir davon aus, dass es einer
       verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten wird“, so Lompscher. Für die
       bayerische Volksinitiative sei es allerdings „bitter“.
       
       Die mietenpolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, hielt vor
       allem die Freude der CDU über das Urteil für „zynisch“ und
       „mieter:innenfeindlich“: „Die CDU hat auf Bundesebene durch unterlassene
       Hilfeleistung den rasanten Mietanstieg seit Jahren mitzuverantworten“, sagt
       Schmidberger. Es werde deutlich, auf wessen Seiten die CDU mietenpolitisch
       stehe. Zum Urteil sagt sie: „Die Gesamtkonzeption des Berliner Deckels ist
       komplett anders als der bayerische Mietenstopp und lässt keinerlei
       Rückschlüsse auf Berliner Mietendeckel zu.“
       
       Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sven
       Kohlmeier, sah in dem bayerischen Urteil gar eine offene Tür. Natürlich
       habe ein Verfassungsgerichtsurteil immer Symbolwirkung, so Kohlmeier. Aber
       das Urteil bedeute nicht, dass ein Mietendeckel grundsätzlich nicht in der
       Länderkompetenz liege.
       
       Das Urteil enthalte gar einen Hinweis darauf, wie ein Mietendeckel
       funktionieren könne: Nämlich wenn er in ein „öffentlich-rechtliches
       Gesamtkonzept“ eingebettet ist, so Kohlmeier zur taz. Nur sei die Frage, ob
       dies in Berlin ausreichend geschehen sei, so Kohlmeier. Zweifel habe er da
       mit Blick auf Neubau und eine uneinheitliche Handhabung des Vorkaufsrechts
       in den Bezirken.
       
       Gaby Gottwald von den Linken griff die Rechtsauffassung des bayerischen
       Verfassungsgerichts offen an: „Das Landesverfassungsgericht redet von
       offensichtlich unvereinbar, das halten wir für eine sehr gewagte
       Interpretation.“ Noch in einem Eil-Urteil habe das Bundesverfassungsgericht
       im März entschieden, dass dies grundsätzlich zu prüfen sei, so Gottwald:
       „Es ist ein bisschen übergriffig, dass Bayern nun diese Entscheidung
       vorwegnehmen will.“
       
       Gleichwohl sei die mögliche Einbettung eines Mietenstopps in eine
       Gesamtstrategie ein interessanter Gedanke. Vor allem mit Blick auf die
       nächste Legislatur: „Wir diskutieren schon seit Monaten ein gesamtes
       Wohnungswirtschaftsgesetz, in dem Preisregulierung ein Teil ist und
       verschiedene Bereiche zusammengeführt werden.“ Sie gehe aber ebenso wie die
       Senatorin davon aus, dass der Berliner Mietendeckel halten werde.
       
       ## Ramona Pop: „Mit Plan B vorbereitet sein“
       
       Ramona Pop, Grünen-Senatorin für Wirtschaft, plädierte jedenfalls dafür,
       für alle Fälle gewappnet zu sein: „Berlin muss mit einem Plan B vorbereitet
       sein, falls der Mietendeckel für unwirksam erklärt wird.“ Dafür brauche es
       eine Auffanglösung über einen Mietspiegel, um Mieter:innen vor dramatischen
       Rechtsunsicherheiten zu schützen. An einem Mietspiegel arbeitet [5][der
       Senat bereits].
       
       Tatsächlich scheint derzeit vieles möglich – Gewissheit gibt es wohl erst
       mit dem Urteil des Bundesverfassungsgericht. Auch das 47-seitige Urteil aus
       Bayern enthält ein Sondervotum – demnach halten drei der neun Richter:innen
       den Mietendeckel auch für eine Kompetenz der Länder.
       
       Berlins eigene wohnungspolitische Volksinitiative „Deutsche Wohnen und Co.
       enteignen“ sah sich durch das Urteil darin bestätigt, dass es über den
       Mietendeckel hinaus weitere Maßnahmen gegen Verdrängungen und
       Mietenwahnsinn geben müsse.
       
       Sprecher Rouzbeh Taheri sagte der taz: „Das negative Urteil gegen den
       Mietenstopp in Bayern ist ein Rückschlag für alle Mieter:innen“ Die
       Bedeutung für Berlin sei nicht abzusehen, allerdings mache „das Urteil
       deutlich, dass es ein großer Fehler wäre, wenn wir uns allein auf das
       Instrument des Mietendeckels beschränken“, so Taheri. Mit der
       Vergesellschaftung stünde ein Instrument zur Verfügung, das eine
       gemeinwohlorientierte Reform des Wohnungssektors erlaubt.
       
       Die Verfassungsmäßigkeit von Enteignungen ist aus Sicht vieler
       Verfassungsrechtler:innen weniger umstritten. Dort ist nach allgemeiner
       Meinung eher die Finanzierung fraglich. Taheri jedenfalls sagt: „Wir hoffen
       weiterhin auf einen Bestand des Berliner Mietendeckels. Es wird jedoch
       deutlich, dass es wohnungspolitisch unverantwortlich ist, nur auf diese
       Karte zu setzen. Wir fordern weiterhin: erst richtig deckeln, dann
       enteignen.“
       
       16 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
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