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       # taz.de -- Migrationsexperte zum EU-Asylpakt: „Leider nichts Neues“
       
       > Mit Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen, wie es jetzt geplant ist,
       > könne sich das Desaster von Moria wiederholen, sagt der Migrationsexperte
       > Manos Moschopoulos.
       
   IMG Bild: Geflüchtete auf dem Weg ins nächste Camp, Lesbos, 20.9.2020
       
       taz: Herr Moschopoulos, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat
       die Vorschläge für eine Asylreform heute einen „Neustart“ genannt. Wie
       frisch sind die Pläne aus Ihrer Sicht?
       
       Manos Moschopoulos: Unglücklicherweise fürchte ich, sie sind überhaupt
       nicht neu. Wir sehen eine Menge Elemente, die im bisherigen Asylsystem der
       Europäischen Union in der Praxis bereits gescheitert sind, besonders das
       Beharren auf Situationen wie in Moria, auf Grenzanlagen und -prozeduren,
       die eigentlich anständige Aufnahmebedingungen mit rechtsstaatlichen
       Asylverfahren kombinieren sollten.
       
       Es scheint so, als sei der einzig neue Aspekt, einen Kompromiss geschaffen
       zu haben mit Ländern, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Dieser gibt
       Forderungen von Regierungen wie der von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor
       Orbán in Bezug auf Solidarität oder den Rechten von Migranten nach.
       
       Auf Lesbos soll nach den Plänen der EU-Kommission ein „Pilotprojekt“ eines
       neuen Lagers entstehen. Fürchten Sie, dass dort dieselbe Lage entsteht wie
       zuvor? 
       
       Absolut. Die Situation in Moria entstand nicht durch fehlendes Management
       der Lager. Das Problem ist die grundlegende Annahme dahinter: dass
       Griechenland, oder auch ein anderes Land, die Gesuche von in Europa
       Asylsuchenden angemessen bearbeiten kann – auf einer Insel, in einem Camp
       wie Moria.
       
       Solange die grundlegende Annahme hinter dem Asylsystem ist, dass Menschen
       an der Grenze überprüft werden müssen, weil die EU sie so angeblich schnell
       zurückführen kann, landen wir bei einem neuen Moria. Es scheint
       unwahrscheinlich, dass solche Zentren so betrieben werden können, dass sie
       nicht komplett überfüllt sind.
       
       Wie wird der Vorschlag bei Griechenlands Bevölkerung ankommen? 
       
       In Griechenland, auf Lesbos zum Beispiel, gibt es jetzt schon eine lokale
       Bevölkerung, die sehr frustriert davon ist, dass ihr versprochen wurde,
       dass es sich nur um eine Notfallsituation handelt. Der Vorschlag der
       EU-Kommission zeigt den Menschen von Lesbos, dass es aber genau so
       weitergehen wird. Das verschafft Menschen, die hasserfüllte
       nationalistische Botschaften verbreiten wollen, einen fruchtbaren Boden.
       
       Generell denke ich, dass der Vorschlag Griechenland keinerlei Garantie
       gibt, nicht doch allein damit gelassen zu werden, die Asylgesuche
       ankommender Menschen zu bearbeiten. Außerdem beantwortet der Pakt die Frage
       nicht: Was passiert mit den Abertausenden Menschen, die jetzt schon in
       Griechenland gestrandet sind?
       
       Und die Reaktion der konservativen griechischen Regierung? 
       
       Wie die Dinge im Moment aussehen, scheint die griechische Regierung
       zumindest die Vorschläge der Kommission der gemeinsam gemanagten
       Einrichtungen willkommen zu heißen. Die Regierung hat schon immer eine
       Rhetorik genutzt, die sehr kritisch gegen Flüchtlinge war, und versprochen,
       ich zitiere, „das Problem zu lösen“.
       
       Durch riesige Internierungslager für Asylbewerber auf den Inseln und
       dadurch, die Anzahl der Ankommenden auf null zu setzen. Der Weg, Letzteres
       zu erreichen, hat viel Kritik auf sich gezogen, wegen der vielen Berichte
       über die Menschenrechtsverletzungen und die illegalen Praktiken des
       Pushbacks in die Türkei.
       
       24 Sep 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Oer
       
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