URI: 
       # taz.de -- Milliarden für den Klimaschutz in Berlin: Das Volk macht Druck
       
       > CDU und SPD einigen sich in den Koalitionsverhandlungen auf ein
       > Sondervermögen für den Klimaschutz. Das hängt mit dem
       > Klima-Volksentscheid zusammen.
       
   IMG Bild: Ja, das könnte was werden am 26. März
       
       Die Ankündigung liest sich spektakulär: SPD und CDU wollen ein bis zu 10
       Milliarden Euro starkes Sondervermögen einrichten, um damit Maßnahmen für
       den Klimaschutz zu finanzieren. Das teilten die Spitzen beider Parteien,
       die derzeit über eine Koalition in Berlin verhandeln, [1][am Mittwoch mit].
       Im [2][taz-Talk am Dienstagabend] hatte der Klimaexperte der CDU-Fraktion
       Danny Freymark entsprechende Pläne bereits angekündigt.
       
       Da fragt man sich: Wie kommen ausgerechnet diese beiden Parteien, die sonst
       eher die Klimakrise klein reden und ein Image fossiler Dinosaurier pflegen,
       zu einem derart progressiven Schritt?
       
       Die Antwort ist klar: Sie werden dazu getrieben. Am Sonntag kommender Woche
       steht der [3][Klima-Volksentscheid in Berlin] an. Zur Abstimmung steht ein
       Gesetz, das das Land verpflichten würde, bis 2030 die CO2-Emissionen fast
       auf Null zu senken. Anders als etwa beim Enteignen-Entscheid wäre die
       Politik bei einem Erfolg verpflichtet, sich daran sofort zu halten und
       innerhalb von nur drei Monaten einen entsprechenden Plan zu beschließen.
       
       Tatsächlich spricht vieles dafür, dass am 26. März eine Mehrheit der
       Abstimmenden mit „Ja“ votiert und auch mehr als die benötigten rund
       610.000-Ja-Stimmen zusammenkommen. Zehn Tage vor dem Termin haben bereits
       400.000 Menschen eine Abstimmung per Brief beantragt. Da es keine
       Gegenkampagne gibt, darf man davon ausgehen, dass ein Großteil der
       Abstimmenden für das Gesetz stimmt. Darauf bereitet sich Schwarz-Rot schon
       mal vor mit der Ankündigung des Sondervermögens.
       
       ## Kosten? Nicht relevant
       
       Damit ist auch klargestellt, dass [4][das Argument zu hoher Kosten, das die
       Gegner des Gesetzentwurfs anführen], kaum mehr relevant ist. Geld spielt
       derzeit für eine Politik, die jedes Jahr eine neue fundamentale Krise zu
       bewältigen hat, kaum mehr eine Rolle. Was auch Hoffnung macht, dass die
       Mittel noch mal deutlich erhöht werden.
       
       Schließlich hatte der Senat in seiner Schätzung zum Volksentscheid dessen
       Kosten zwar nicht genau beziffern können, aber von einem „hohen
       zweistelligen Milliardenbetrag“ bis 2030 gesprochen. Das heißt wohl: Nötig
       wären eher 70 als 30 Milliarden Euro. Investitionen übrigens, die sich
       schnell amortisieren, etwa durch stark sinkende Heizkosten, wie
       Expert*innen nicht müde werden zu betonen.
       
       Dennoch heißt es für den nächsten Senat: schnell handeln. Gut möglich, dass
       daher ausgerechnet Schwarz-Rot nach dem Eingeständnis für mehr Klimaschutz
       auch zu Maßnahmen greifen muss, die man eigentlich vermeiden will. Im
       Verkehrssektor lässt sich nämlich im Vergleich zu Gebäudedämmung und
       Energieversorgung relativ fix CO2 einsparen – wenn man, anders als
       beispielsweise Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), das wirklich
       will.
       
       Etwa indem man Autofahren in die Innenstadt verteuert, zum Beispiel nach
       Londoner Vorbild mit einer Citymaut. Denn die Reduktion des Autoverkehrs
       zumindest in der Innenstadt bringt viel bei sehr geringen Kosten. Im
       Gegenzug muss die Koalition auf den Ausbau des ÖPNV vor allem durch E-Busse
       und Trams setzen: Die angestrebten Verlängerungen der U-Bahn kämen
       frühestens Mitte der 2030er-Jahre und damit zu spät. Zugleich ist die
       Debatte über eine Bebauung des Tempelhofer Feldes damit eigentlich
       entschieden, weil die dicht bebaute Innenstadt diese wichtige
       Kaltluftschneise dringend und in vollem Umfang braucht.
       
       ## Und noch mehr Trouble
       
       Ganz nebenbei zeigt sich beim Klimaentscheid erneut, wie direkte Demokratie
       die Modernisierung der Gesellschaft vorantreibt. Denn die kommende
       Kurzzeit-Koalition – die Legislatur endet bereits 2026 und dauert damit
       keine dreieinhalb Jahre – wird noch mehr Trouble haben mit der Bevölkerung.
       So steht das Volksbegehren Berlin autofrei an, sofern es das
       Landesverfassungsgericht für zulässig erklärt.
       
       Die inhaltliche Auseinandersetzung darüber müsste Schwarz-Rot offensiv
       führen, anders als aktuell die Debatte über den Klimaentscheid, den die
       meisten Parteien in der Hoffnung ignorieren, dass auf diese Weise nicht
       genug Menschen zur Abstimmung gehen. Das wird spannend, denn zwei von drei
       Berliner*innen besitzen kein Auto.
       
       Und auch der erfolgreiche Enteignen-Entscheid vom September 2021 wird die
       Regierungspolitik beeinflussen. Die Noch-Regierungsparteien Linke und Grüne
       werden Schwarz-Rot regelmäßig genüsslich daran erinnern, dass CDU und SPD
       einen Weg finden müssen, mit dem Votum der Berliner*innen umzugehen.
       
       18 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5918940
   DIR [2] http://www.youtube.com/watch?v=fZayZ5uHx1s
   DIR [3] /Kampagne-fuer-Berlins-Klima-Entscheid/!5918546
   DIR [4] /Streitgespraech-ueber-Klimapolitik/!5865260
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
       ## TAGS
       
   DIR Wochenkommentar
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Koalitionsverhandlungen
   DIR Klima-Volksentscheid
   DIR Verkehrswende
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Grüne Berlin
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Klimaneutralität
   DIR Koalitionsverhandlungen
   DIR Klimaneutralität
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Volksentscheid Berlin autofrei: Heiliges Blechle vor Gericht
       
       Der Verfassungsgerichtshof entscheidet, ob das Land den Volksentscheid
       Berlin autofrei zulassen muss. Bei der Anhörung haben die Richter viele
       Fragen.
       
   DIR Klima-Entscheid in Berlin: Gutes Klima für Veränderung
       
       Mit einem „Ja“ würde Berlin zu einer der fortschrittlichsten
       Klimaschutz-Metropolen der Welt. Die Chance, dass es klappt, ist groß.
       
   DIR Umweltsenatorin zu Klima-Entscheid: „Die Lage ist dramatisch“
       
       Umweltsenatorin Jarasch bekräftigt, beim Entscheid am Sonntag mit „Ja“
       stimmen zu wollen. Berlin brauche schneller mehr Klimaschutz.
       
   DIR Politologin über Berlins Klima-Entscheid: „Wir brauchen radikale Schritte“
       
       Metropolen sind wichtig im Kampf gegen die Klimakrise, sagt Lena Partzsch.
       Für deren Bürger*innen bedeute mehr Klimaschutz auch mehr
       Lebensqualität.
       
   DIR Wirtschaft sagt Nein zum Volksentscheid: Kein gutes Klima fürs Plakat
       
       Nach der Industrie- und Handelskammer halten nun auch die
       Unternehmensverbände Berlin Brandenburg Klimaneutralität bis 2030 nicht für
       umsetzbar.
       
   DIR Offener Brief an die neue Koalition: Angst vor Rückschritt
       
       Von Schwarz-Rot erwartet die Zivilgesellschaft im Bereich Diversity nichts
       Gutes – die Messlatte hängt seit der Koalition von R2G ziemlich hoch.
       
   DIR Koalitionsverhandlungen in Berlin: Schwarz-Rot kauft sich gutes Klima
       
       Die künftigen KoalitionärInnen CDU und SPD wollen ein milliardenschweres
       Klima-Sondervermögen auflegen. Die Initiative Klimaneustart ist skeptisch.
       
   DIR Lobbyismus in Berliner Koaverhandlungen: Dürfen Experten mitverhandeln?
       
       In den Verhandlungen von CDU und SPD sitzen nicht nur Politiker:innen. Ist
       das begrüßenswert oder zu verurteilender Lobbyismus?
       
   DIR Klima-Volksentscheid in Berlin: Briefwähler mussten draußen bleiben
       
       Wegen Wartungsarbeiten konnten Briefabstimmungen am Samstag nur sehr
       eingeschränkt online beantragt werden. Die Initiative reagiert empört.
       
   DIR Kampagne für Berlins Klima-Entscheid: Kaffee, Kuchen, Euphorie
       
       Mit einem besonderen Event macht sich die Kampagne für den
       Klima-Volksentscheid Mut für den Endpurt. Dabei stehen ihre Chancen sehr
       gut.