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       # taz.de -- Minderheiten in Schleswig-Holstein: Roma und Sinti werden geschützt
       
       > Schleswig-Holstein hat Roma und Sinti unter Schutz der Landesverfassung
       > gestellt. Sie haben nun wie die Dänen und Friesen Anspruch auf Schutz und
       > Förderung.
       
   IMG Bild: Die Änderung wurde erst unter Rot-Grün-Blau möglich: Ministerpräsident Albig (SPD, r.) und Vize Habeck (Grüne).
       
       KIEL taz | Die Minderheit der deutschen Sinti und Roma steht in Zukunft in
       Schleswig-Holstein unter dem Schutz der Verfassung. Der
       schleswig-holsteinische Landtag hat am Mittwoch eine entsprechende Änderung
       der Landesverfassung beschlossen – einstimmig und im sechsten Anlauf. Damit
       haben Sinti und Roma den gleichen verfassungsrechtlichen Status wie die
       dänische und die friesische Minderheit im Norden.
       
       Die entsprechende Formulierung im Gesetz garantiert „Anspruch auf Schutz
       und Förderung“. „Für die Minderheit ist das ein großer Tag“, sagte Romani
       Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma. Es sei ein
       Erfolg, dass die Gruppe, die über Hunderte Jahre in Schleswig-Holstein
       lebe, nun mit den anderen Minderheiten gleichgestellt werde. Rose wies aber
       auch auf die Außenwirkung hin: „Das ist ein wichtiges Signal auch an
       EU-Länder wie Bulgarien, Tschechien, Ungarn.“ Dort lebten Sinti und Roma in
       einer gefährlichen, manchmal sogar bedrohlichen Lage. Rose forderte ein
       stärkeres Engagement des Landes gegen Antiziganismus.
       
       Er hatte die Abstimmung am Mittwochvormittag vor Ort im Landtag beobachtet,
       ebenso wie Matthäus Weiß. Er ist der schleswig-holsteinische
       Landesvorsitzende des Verbands Deutscher Sinti und Roma und kämpft seit 22
       Jahren für die Aufnahme seiner Gruppe in die Verfassung. „Jetzt haben wir
       das Gefühl, wir sind angekommen“, sagte Weiß. Er wünscht sich nun mehr
       Unterstützung des Landes bei Projekten und Programmen zur Schulbildung und
       der Pflege von Kultur und Traditionen der Sinti und Roma. Weiß glaubt, dass
       von der neuen Regelung vor allem die Generation seiner Enkelkinder
       profitieren werde.
       
       In Schleswig-Holstein leben rund 5.000 Sinti und Roma, vor allem in Kiel,
       Lübeck sowie nördlich von Hamburg. Die Minderheit wurde 1417 erstmals in
       Lübeck urkundlich erwähnt.
       
       Die Verfassungsänderung hat vor allem Symbolwirkung. Denn neben den Dänen,
       Friesen und Sorben waren auch schon die Sinti und Roma eine der vier
       anerkannten nationalen Minderheiten, zu deren Schutz sich die
       Bundesrepublik in einem internationalen Vertrag verpflichtet hat. In
       Schleswig-Holstein allerdings sprach die Landesverfassung nur den Dänen und
       Friesen, die im Land leben, ausdrücklich diesen Schutz zu. Die Sinti und
       Roma fehlten.
       
       ## Blockiert von der CDU
       
       Schon im Februar 1998 hatte die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis
       (SPD) versucht, den entsprechenden Passus in der Landesverfassung zu
       ändern. Doch sie scheiterte mit dem Projekt. Weil die CDU es blockierte,
       kam die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zustande. Immer wieder bremste die
       Union das Vorhaben aus, zuletzt im vergangenen Jahr. Ihre Begründung: Sinti
       und Roma seien „keine landesspezifische Minderheit“.
       
       Doch schon damals gab es Stimmen in der CDU, die diese Position für falsch
       hielten. Diese Befürworter der Verfassungsänderung konnten sich nun
       durchsetzen, auch die CDU-Fraktion stimmte am Mittwoch mit Ja. Allerdings
       kam es auf sie nun auch nicht mehr an. Denn seit der letzten Wahl im Mai
       hält die Partei weniger als ein Drittel der Sitze im Landtag.
       
       Alle anderen Fraktionen – SPD, Grüne und der Südschleswigsche Wählerverband
       – hatten auch zuvor schon jeden Versuch unterstützt, Sinti und Roma in der
       Landesverfassung anzuerkennen. Die FDP hingegen hatte sich in der
       vergangenen Legislaturperiode noch aus Koalitionsräson enthalten. Auch sie
       stimmte nun für den Antrag, ebenso wie die Piraten.
       
       Nun würdigt sich die Landespolitik für die Entscheidung. Ministerpräsident
       Torsten Albig (SPD) nannte sie „historisch“. Seine Minderheitenbeauftragte
       Renate Schack sprach von einem „großartigen Signal“ – „trotz der Jahre
       davor“. Das sei ein Fleck auf der Weste des Landes gewesen.
       
       14 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Kummetz
       
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