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       # taz.de -- Minderheitsregierung in Erfurt: Auch Thüringen streitet um Haushalt
       
       > Nach langem Hin und Her lenkt die CDU wohl ein und trägt den Haushalt der
       > rot-rot-grünen Minderheitsregierung mit. Doch die Zustimmung hat ihren
       > Preis.
       
   IMG Bild: Ringen um den Haushalt Ramelow (Linke) und Mario Voigt (CDU)
       
       Dresden taz | Nicht nur in der Bundeshauptstadt, auch im kleinen Thüringen
       geht es derzeit um den Haushalt für das kommende Jahr. Doch im Freistaat
       vollzieht sich ein seit vier Jahren eingeübtes Ritual. Noch langwieriger
       und nervenaufreibender als in Berlin, denn seit die rot-rot-grüne Koalition
       in Thüringen 2019 nur noch eine Minderheitsregierung bilden konnte, muss
       man sich in großen strategischen Fragen mit den 21 Abgeordneten der
       CDU-Opposition einigen.
       
       Dafür gab es seit 2020 und dem Eklat rund um die Wahl des
       FDP-Fraktionschefs Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit CDU- und
       AfD-Stimmen eine Vereinbarung, den „Stabilitätsmechanismus“. Das Feilschen
       um den Haushalt glich stets einer Mischung aus ehrlichen Absichten, gutem
       Willen, Pokerspiel und gegenseitiger Erpressung. Auch in diesem Jahr wurde
       die ursprünglich für Mittwoch geplante Verabschiedung im Landtagsplenum
       erst einmal von der Tagesordnung genommen.
       
       Aber es gibt begründete Hoffnung, dass der Haushalts- und Finanzausschuss
       in der kommenden Woche doch noch die bis zu 500 Änderungsanträge abarbeitet
       und in einer Sondersitzung am 21. Dezember der Haushalt als vorzeitiges
       Weihnachtsgeschenk beschlossen wird.
       
       Jedenfalls orakelt in Koalitionskreisen niemand mehr, die CDU könne mit
       Blick auf die für den 1. September 2024 angesetzten Landtagswahlen
       womöglich den Haushalt platzen lassen und auf vorgezogene Neuwahlen setzen
       – zumindest, falls sich kein Aufwind für die Union abzeichnen sollte, die
       [1][in Wahlumfragen] derzeit einfach nicht über 22 Prozent hinausgelangt.
       
       Mehrfach hat [2][CDU-Fraktionschef Mario Voigt] inzwischen öffentlich sein
       Interesse an einer Einigung noch im Dezember erklärt. Das Kabinett kam
       Unionswünschen mit einer Ergänzungsvorlage und Protokollerklärungen
       entgegen. Voigt und Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) luden sich
       gegenseitig ein. Vergangenen Freitag war Finanzministerin Heike Taubert
       (SPD) dabei, diesen Donnerstag ist ein weiteres Spitzentreffen angesetzt.
       
       ## Theaterdonner der CDU
       
       „Ein vernünftiges Gespräch“ nannte Voigt die erste Begegnung. Was ihn im
       MDR-Interview nicht hinderte, alle Geschütze aufzufahren, Rot-Rot-Grün die
       Produktion eines Finanzlochs nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“
       vorzuwerfen und mit der Aufforderung zu schließen, es müsse sich „etwas
       grundsätzlich ändern“.
       
       Das ist Theaterdonner, weiß man in der Koalition. Man redet ja miteinander,
       wenn auch zäh. Die Grünen ärgert es allerdings, dass Mario Voigt lieber
       gleich den Draht zu Ramelow sucht. „Die CDU weiß, welche Verantwortung auch
       sie für das Land hat“, konstatiert Linken-Fraktionschef Steffen Dittes und
       rechnet mit dem Haushaltsbeschluss kurz vor Weihnachten. „Wir sind jetzt
       auf einem gemeinsamen Weg, wo es für alle Beteiligten schwierig werden
       würde, ihn wieder zu verlassen“, stimmt sein SPD-Kollege Lutz Liebscher zu.
       
       Funktioniert also das bundesweit einmalige Thüringer Modell einer temporär
       konstruktiven CDU-Opposition gegenüber der links geführten
       Minderheitsregierung? Die absehbare Einigung hat ihren Preis. Verbände,
       Initiativen und Gewerkschaften mahnten in einem Appell an, bei Bildung,
       Demokratieerziehung, Sozialarbeit oder Gewaltschutz nicht zu sparen. Die
       CDU hingegen fordert strikte Sparpolitik, hat aber mit der [3][gemeinsam
       mit der AfD durchgesetzten] Grunderwerbssteuer selbst ein 50-Millionen-Loch
       gerissen – und will für 60 Millionen Euro ein Programm für kleine Gemeinden
       fortführen.
       
       Der nächste CDU-Coup, der erneut das Potenzial für eine AfD-Zustimmung
       bietet, droht Rot-Rot-Grün allerdings schon diesen Donnerstag. Die Fraktion
       bringt einen Gesetzentwurf ein, der eine Art Asylvorprüfungsverfahren
       vorsieht. Damit würden Asylbewerber erster und zweiter Klasse selektiert
       und Letztere in großen Auffanglagern interniert. Linken-Fraktionschef
       Steffen Dittes nennt das ein realitätsfernes „populistisches Machwerk“.
       
       6 Dec 2023
       
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   DIR Michael Bartsch
       
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