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       # taz.de -- Mitentscheiden bei Forschungsfragen: Bürgerwissenschaft in der Nische
       
       > Wissenschaftsläden wollten mal eine Brücke sein zwischen Gesellschaft und
       > Hochschule. In Potsdam versuchen Initiativen einen neuen Aufbruch.
       
   IMG Bild: Wohin nur mit den vielen gebrauchten Bildschirmen?
       
       BERLIN taz | Ihr Anspruch war groß: Wissenschaftsläden wollten eine Brücke
       bauen zwischen der Gesellschaft und den Hochschulen und Forschungslabors.
       Davon ist in Deutschland nicht viel übrig geblieben. Während neue Ansätze
       der [1][Bürgerwissenschaft (Citizen Science)] einen Aufschwung erleben,
       fristet das knappe Dutzend der deutschen Wissenschaftsläden ein
       Nischendasein. Jetzt kommt ein Schub aus dem Osten. In Potsdam beginnt
       Freitag das seit langer Zeit erste [2][Treffen von Wissenschaftsläden im
       deutschsprachigen Raum.] Das Motto der Tagung: „Kennenlernen, Erfahrungen
       tauschen, Pläne schmieden“.
       
       Bei dem Treffen im [3][Wissenschaftsladen Potsdam] stellen unter anderem
       die beiden Berliner [4][Projekte kubus von der TU Berlin] und
       [5][basis.wissen.schafft] vom Tempelhofer Feld, die Wissenschaftsläden in
       [6][Wien] und in [7][Zittau] sowie der [8][Science Shop in Vechta] ihre
       aktuelle Arbeit vor. Auf der Tagesordnung steht auch die Gründung neuer
       Wissenschaftsläden und „Anlaufstellen zivilgesellschaftlichen Engagements
       in der Wissenschaft“ (AZEW), wozu etwa FabLabs, Fabrikationslabore für
       3-D-Druckerei, gehören.
       
       „Wir wollen dabei auch über unser Selbstverständnis diskutieren, unser
       Mission Statement“, sagt Mario Parade vom gastgebenden Wissenschaftsladen
       Potsdam. Den gibt es seit drei Jahren als gemeinnützigen Verein, finanziert
       aus Spenden und Projektmitteln. Damit werden regelmäßige Repair Cafés
       organisiert, Schulprojekte mit Schwerpunkt einer alternativen MINT-Bildung
       (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) und seit neuestem auch
       das hochtechnologische FabLab machBar als „kreative Orte des
       Selbermachens“.
       
       FabLabs boomen derzeit in Deutschland. 40 bis 50 gibt es mittlerweile. Sie
       sehen sich als Teil der „Maker-Bewegung“, die vor allem die Technologie des
       3-D-Drucks zur Herstellung eigener Produkte nutzt.
       
       Anspruch des Potsdamer Wissenschaftsladen ist es, „gesellschaftsrelevante
       Themen wie Re-, Up- und Downcycling, Stadtökologie, Konsum,
       Ressourcenverbrauch, Lebensstile- und Lebensformen, Produktionsprozesse,
       Open Source, Open Science, politische Partizipation und herrschaftsfreie
       Organisationsformen im Werkstattkontext zu diskutieren“ und Konzepte dazu
       zu entwickeln.
       
       ## Entstanden aus der Anti-AKW-Bewegung
       
       Ähnlich sieht es Frank Becker, wenngleich mit einem anderen historischen
       Hintergrund. Becker leitet seit 12 Jahren den [9][Wissenschaftsladen kubus
       an der TU] Berlin, eine der erfolgreichsten Einrichtungen in der Szene.
       „Wissenschaftsläden entstanden aus der Anti-AKW-Bewegung, der kritischen
       Wissenschaft und hatten prinzipiell einen
       demokratisch-gesellschaftsbezogenen und auch wissenschaftskritischen
       Ansatz“, erklärt er. „Sie sind transdisziplinär, das heißt auf
       gleichberechtigte Teilhabe der Zivilgesellschaft ausgerichtet, auch was die
       Formulierung der Forschungsfragen und die Analyse der Ergebnisse
       anbelangt.“ Neue Bewegungen wie Citizen Science haben für Becker diese
       kritische Rahmung noch nicht erreicht.
       
       Anders als die meisten anderen Wissenschaftsläden in Deutschland , aber
       ähnlich wie in den Niederlanden, hat kubus eine Basisfinanzierung durch die
       Hochschule, mit der zwei wissenschaftliche Mitarbeiter und zwei
       Studenten-Stellen bezahlt werden können. Hinzu kommen Stellen aus
       befristeten Projektmitteln, bis April waren das drei weitere.
       
       Zu den Erfolgen von kubus zählt Becker die „Begleitung der Bürgerinitiative
       für den Erhalt der Bäume am Landwehrkanal“ mit wissenschaftlicher
       Unterstützung“. Wirkung hatte auch das Engagement im Recycling-Bereich:
       „Ausgehend von unserm ReUse-Computerprojekt (2001 bis 2005) gehört kubus
       heute in Deutschland zu den Einrichtungen, die in Fragen von Wieder- und
       Weiterverwendung gehört werden.“
       
       ## Boom in der 1980er Jahren
       
       Auch Norbert Steinhaus vom [10][Wissenschaftsladen Bonn] gehört zu den
       „Altgedienten“. Er kann sich noch an die 80er Jahre erinnern, als es in
       Deutschland 25 bis 30 Wissenschaftsläden gab. Die heutige Liste ist
       bedeutend kürzer: [11][Hannover], [12][Dortmund], [13][Tübingen] gehören
       noch dazu. München, Gießen und Kiel sind in den letzten Jahren wieder
       verschwunden.
       
       „Die Wissenschaft muss sich den Bürgern öffnen, war damals das Ziel“, sagt
       Steinhaus. „Das hat nicht geklappt, denn eine Institutionalisierung der
       Wissenschaftsläden ist in Deutschland nicht erreicht worden.“
       
       Durch erfolgreiches Management ist es dem außeruniversitären
       Wissenschaftsladen in Bonn immerhin gelungen, heute 30 Mitarbeiter in 10
       Projekten zu beschäftigen, darunter Bildungsdienstleistung und auch die
       Herausgabe einer Zeitung mit Stellenangeboten.
       
       Bonn ist auch der Brückenkopf für die europäische Szene der
       Wissenschaftsläden. Vor zwei Jahren organisierte Steinhaus die
       internationale [14][„Living Knowledge“]-Konferenz am Rhein.
       „Wissenschaftsläden gibt es in vielen europäischen Ländern, in sehr
       unterschiedlichen Trägerformen“.
       
       ## Der Anfang war in Holland
       
       Neben Holland, dem Ursprungsland der „Wetenschapswinkel“ ist die Szene auch
       in Großbritannien weit entwickelt, durch ein stärkeres „Public Engagement“
       der britischen Hochschulen. Graswurzelansätze, die von unten nach oben
       wachsen wollen, habe es weiter schwer.
       
       Diese Erfahrung machte auch Katrin Schwahlen, die mit ihrer Gruppe
       [15][basis.wissen.schafft] drei Jahre lang einen Wissenscontainer auf dem
       Tempelhofer Feld des ehemaligen Berliner Zentralflughafens betrieb. „Wir
       wollten mit unserm Angebot die anderen Pionierprojekte in Tempelhof mit
       Wissen versorgen“, berichtet Schwahlen. Etwa die Urban-Gardening-Aktivisten
       mit Erkenntnissen der ökologischen Agrarforschung, oder Solartechniken zur
       autonomen Energieversorgung.
       
       „Das hat aber in dieser Form nicht geklappt“, muss die Container-Frau
       rückblickend bilanzieren. Die Aufarbeitung der Wissensbestände durch den
       kleinen gemeinnützigen Verein war zu aufwendig.
       
       Hinzu kam die Kündigung des Wissenscontainers durch das Tempelhofer
       Standort-Management zum Jahresende. Von daher hat Katrin Schwahlen, die
       durch ein kleines Netzwerk [16][(wissnet)] das Potsdamer Treffen mit
       angestoßen hat, hohe Erwartungen an die Zusammenkunft.
       
       19 Jun 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Citizen-Science-Projekte-in-Deutschland-/!137335/
   DIR [2] http://www.katrinschwahlen.de/wissnet/?p=1
   DIR [3] http://www.wissenschaftsladen-potsdam.de/index.html
   DIR [4] http://www.zewk.tu-berlin.de/v-menue/kooperation_wissenschaftgesellschaft/kubus/
   DIR [5] http://www.basiswissenschafft.de/
   DIR [6] http://wilawien.ac.at/
   DIR [7] http://www.wissenschaftsladen.eu/
   DIR [8] http://www.uni-vechta.de/forschung/transfer/science-shop-vechtacloppenburg/
   DIR [9] http://www.zewk.tu-berlin.de/v-menue/kooperation_wissenschaftgesellschaft/kubus/
   DIR [10] http://www.wilabonn.de/de/
   DIR [11] http://www.wissenschaftsladen-hannover.de/
   DIR [12] http://www.wissenschaftsladen-dortmund.de/
   DIR [13] http://www.wila-tuebingen.de/
   DIR [14] http://www.livingknowledge.org/livingknowledge/
   DIR [15] http://www.basiswissenschafft.de/
   DIR [16] http://wissnet.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Manfred Ronzheimer
       
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