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       # taz.de -- Mixed Martial Arts in Berlin: Starke Polinnen, kämpfende Kurden
       
       > Zum ersten Mal wird in Deutschland ein Titelkampf der Ulimate Fighting
       > Championship ausgetragen. Das deutsche TV-Publikum bleibt außen vor.
       
   IMG Bild: Titelträgerin Joanna Jedrzejczyk kam vom Thaiboxen zum MMA.
       
       Berlin taz | Eigentlich hätte der kommende Samstag ein großer Tag für die
       „Ultimate Fighting Championship“ in Deutschland sein sollen. Der weltgrößte
       Veranstalter von MMA-Kämpfen (Mixed Martial Arts) hatte gehofft, an diesem
       Tag erstmals seit fast fünf Jahren wieder im deutschen Fernsehen zu sehen
       zu sein: Der [1][Kampfabend] aus der riesigen Mehrzweckhalle am Berliner
       Ostbahnhof sollte live in die deutschen Wohnzimmer übertragen werden. Doch
       daraus wurde nichts, wieder einmal.
       
       Zwar hatte ein Gericht die [2][Entscheidung der Bayerischen Landesanstalt
       für Neue Medien von 2010] verworfen, dem damaligen Deutschen Sportfernsehen
       DSF die Übertragung von UFC-Formaten als gewaltverherrlichend und
       jugendgefährdend zu verbieten.
       
       Aber der Fernsehdeal mit Maxdome, der Bezahlsparte der Pro7/Sat.1-Gruppe,
       kam dann doch nicht schnell genug zustande. Wer am Samstag nicht in der
       Halle ist, kann die Veranstaltung nach wie vor nur über den [3][Fight Pass
       der UFC], den Streaming-Dienst der Organisation, verfolgen.
       
       Dabei hatte sich alles so gut angelassen. Schon im vergangenen Jahr hatte
       die UFC die Rückkehr nach Berlin angekündigt. Und der zunächst annoncierte
       Hauptkampf war ein Leckerbissen für Fans: Der schwedische Superstar im
       Halbschwergewicht [4][Alexander Gustafsson] sollte gegen den Brasilianer
       [5][Glover Teixeira] antreten.
       
       ## Frauenkampf ersetzt das Halbschwergewicht
       
       Das hätte ein paar hundert Schweden nach Berlin gezogen, die ihren Alex
       immer noch heiß und innig lieben, obwohl der im Januar in Stockholm bei
       einer Titelkampfausscheidung krachend verloren hatte. Doch vor ein paar
       Wochen kam das Aus für diesen Kampf: Gustaffson hatte sich im Training
       verletzt.
       
       Die UFC entschied sich zu einem spektakulären Schritt: Als Ersatz setzte
       sie einen Titelkampf an, den ersten auf dem europäischen Festland überhaupt
       – allerdings im nicht besonders populären Strohgewicht der Frauen (bis 52
       Kilo). Gerade erst im März hatte die 27-jährige polnische Kämpferin
       [6][Joanna Jędrzejczyk] im texanischen Dallas überraschend den Titel
       geholt: In der zweiten Runde gewann sie durch K. o. gegen die
       Titelverteidigerin, die US-Amerikanerin [7][Carla Esparza].
       
       Jetzt wird Jędrzejczyk – deren Namen außerhalb Polens niemand so recht
       auszusprechen vermag, weshalb die US-Kommentatoren sie in der Regel
       entweder mit dem Vornamen nennen oder einfach „JJ“ – am Samstag in Berlin
       ihren Gürtel verteidigen. Ihre Gegnerin: die Veteranin [8][Jessica Penne]
       aus den USA, einstige Titelträgerin von [9][Invicta FC], der weltweit
       einzigen MMA-Organisation, die ausschließlich Frauenkämpfe veranstaltet.
       
       Ein paar Wochen vor dem Kampf kommt Jędrzejczyk zum Interview nach Berlin,
       genießt die Sonne im Garten des taz-Cafés – und niemand, der die zierliche
       Frau mit dem sympathischen Lächeln im Gespräch sieht, kann sich vorstellen,
       welche Kampfkraft von ihr ausgeht.
       
       ## Mit Kampfsport angefangen, um ein bisschen abzunehmen
       
       Mit 16 hat sie mit Thaiboxen angefangen, eigentlich nur, um mal was für die
       Fitness zu tun und ein bisschen abzunehmen. Aber sie hing sofort am Haken.
       Schon nach sechs Monaten bestritt sie ihren ersten Wettkampf und gewann.
       Ihr Vater wollte von einer Kampfsportkarriere seiner Tochter nichts wissen,
       versprach ihr sogar ein Auto, wenn sie damit aufhöre. Doch das kam für sie
       nicht infrage – dann eben kein Auto.
       
       Ein paar Jahre später war sie Weltmeisterin verschiedener Verbände, hielt
       auch Titel im Kickboxen, hatte über 60 Kämpfe bestritten und suchte nach
       neuen Herausforderungen. Schule und Studium hatte sie abgeschlossen: „Ich
       wollte nicht doof sein – du kannst dich jederzeit irgendwie verletzen, und
       deine Karriere ist vorbei. Ich wollte eine Alternative haben“, sagt sie.
       
       Vor drei Jahren dann wechselte sie zum MMA – und hat von ihren bislang neun
       Kämpfen keinen einzigen verloren. Und als sie Erfolg hatte und anfing, mit
       dem Sport Geld zu verdienen, beruhigte sich auch ihr Vater. Am Samstag wird
       er in der Halle sitzen, genau wie die ganze Familie.
       
       Hat sie ein Vorbild? „Ich kann ja schlecht sagen, dass ich ein großer Fan
       von mir selber bin. Aber eigentlich …“ Sie lächelt ein bisschen verlegen.
       „Ich weiß, dass ich wirklich gut bin.“ Und sie hofft, dass am Samstag die
       Hälfte der Halle mit polnischen Fans gefüllt sein wird. MMA ist in Polen
       weitaus populärer als in Deutschland. Selbst regionale Veranstaltungen
       füllen große Hallen.
       
       ## Von Gegnern zu Schwagern
       
       Für eine größere Popularität des Sports in Deutschland sollen vor allem die
       deutschen UFC-Kämpfer sorgen. Und so ist es kein Wunder, dass am Samstag
       alle vier Deutschen mit UFC-Vertrag in den Käfig steigen werden. Der
       Mannheimer [10][Dennis Siver] wird im zweiten Hauptkampf auf den erfahrenen
       Japaner [11][Tatsuja Kawajiri] treffen. [12][Peter Sobotta] aus Balingen
       trifft auf den Engländer Steven Kennedy.
       
       Und [13][Nick Hein], der längst zum Posterboy der deutschen MMA-Szene
       geworden ist und inzwischen seinen Job als Bundespolizist zugunsten seiner
       Sportkarriere aufgegeben hat, trifft auf den ungeschlagenen Polen
       [14][Łukasz Sajewski].
       
       Hein hatte seinen ersten UFC-Kampf vor einem Jahr in Berlin klar gewonnen.
       Sein damaliger Gegner, der US-Amerikaner [15][Drew Dober], lernte bei der
       After-Fight-Party Heins Schwester kennen – inzwischen sind die ehemaligen
       Gegner nicht nur befreundet, sondern verschwägert.
       
       Seinen zweiten UFC-Kampf Ende letzten Jahres jedoch verlor Hein in Texas
       nach Punkten . Natürlich will er jetzt wieder gewinnen. Sechs Wochen lang
       hat sich der ehemalige Judo-Nationalkader im Tiger-Muay-Thai-Gym im
       thailändischen Phuket auf den Kampf vorbereitet – und traf dort auch
       [16][Alan Omer] aus Stuttgart, der ebenfalls am Samstag im Berliner Oktagon
       stehen wird, wo er dem britischen Jungstar [17][Arnold Allen]
       gegenübersteht.
       
       ## Alan Omer: „Kurdisches Blut in den Adern“
       
       Omer hatte sein UFC-Debüt im April vergangenen Jahres in Abu Dhabi
       verloren, allerdings nach einer unglücklichen Split-Decision der
       Kampfrichter. Dann folgten Prüfungsstress – Omer machte seinen Bachelor in
       Maschinenbau – und Verletzungen. Im Januar wollte er in Stockholm antreten,
       verletzte sich wieder, und machte seinen Master. Jetzt will er seine
       Karriere wieder in Gang kriegen.
       
       Dabei sind seine Gedanken oft woanders: Omar ist als irakischer Kurde
       geboren, kam als Kind mit seiner Familie als Flüchtling nach Deutschland.
       Sein Vater, ein Arzt, ist inzwischen zurück in Erbil, und Omer verfolgt
       genau, was sich im Irak tut.
       
       Er versucht das zur Motivation zu nutzen. Drei Tage vor dem Kampf schrieb
       er auf Facebook: „Ich habe kurdisches Blut in meinen Adern, das Blut
       einiger der mutigsten Männer und Frauen auf dem Planeten, die gegen IS
       Widerstand leisten und jeden einzelnen Tag für ihre Freiheit kämpfen. Es
       gibt eine große kurdische Community in Berlin und ich weiß, dass sie alle
       für mich sein werden. Ich will für sie gewinnen.“
       
       Ob das klappt, sehen die Fans am Samstagabend.
       
       19 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://de.ufc.com/event/ufc-fight-night-berlin-germany-2015
   DIR [2] http://www.blm.de/de/infothek/pressemitteilungen/2010.cfm?object_ID=776&sCriteria=ufc
   DIR [3] https://www.ufc.tv/page/fightpass
   DIR [4] https://en.wikipedia.org/wiki/Alexander_Gustafsson
   DIR [5] https://en.wikipedia.org/wiki/Glover_Teixeira
   DIR [6] http://www.sherdog.com/fighter/Joanna-Jedrzejczyk-101411
   DIR [7] http://www.sherdog.com/fighter/Carla-Esparza-63410
   DIR [8] http://www.sherdog.com/fighter/Jessica-Penne-21247
   DIR [9] http://invictafc.com/
   DIR [10] https://de.wikipedia.org/wiki/Dennis_Siver
   DIR [11] http://www.sherdog.com/fighter/Tatsuya-Kawajiri-1326
   DIR [12] https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Sobotta
   DIR [13] http://www.sherdog.com/fighter/Nick-Hein-50774
   DIR [14] http://www.sherdog.com/fighter/Lukasz-Sajewski-31110
   DIR [15] http://www.sherdog.com/fighter/Drew-Dober-23982
   DIR [16] http://www.sherdog.com/fighter/Alan-Omer-23437
   DIR [17] http://www.sherdog.com/fighter/Arnold-Allen-97499
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
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