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       # taz.de -- Modellprojekt in Kreuzberg: Zukunft wird zersägt
       
       > Die Ratibor14 in Kreuzberg sollte ein Vorzeigeprojekt werden. Jetzt
       > gerate es zum Alleingang der Finanzverwaltung, warnen Initiativen.
       
   IMG Bild: Eine Säge
       
       Berlin taz | Im Streit um die Zukunft des Areals an der Ratiborstraße 14
       zeichnet sich eine Lösung ab – nur leider eine, die nicht ganz zufrieden
       stimmt. 250 statt der ursprünglich fünfhundert Plätze für [1][Geflüchtete
       in Modularbauweise] (MUF) sollen auf der Kreuzberger Fläche entstehen. Die
       bisherigen Nutzer*innen sollen auf der verbleibenden Geländehälfte
       zusammenrücken.
       
       Anwohner*innen- und Nutzer*inneninitiativen üben daran Kritik: Weder sei
       durch die Lösung das ansässige Handwerk und Gewerbe dauerhaft vor
       Verdrängung geschützt, noch biete sie eine würdige Unterbringung für
       Geflüchtete. Die jetzige Lösung sei vor allem ein Alleingang der
       Senatsverwaltung für Finanzen und ignoriere den bisherigen
       Beteiligungsprozess.
       
       Die rund drei Hektar große Fläche am Landwehrkanal ist eine der [2][letzten
       Rückzugsorte für Handwerksbetriebe] in Kreuzberg, die aufgrund steigender
       Gewerbemieten kaum noch Platz im Bezirk finden. Dementsprechend sorgte die
       Ankündigung im März vergangen Jahres, auf dem Areal 500 MUF-Plätze
       errichten zu wollen für Aufregung. Nicht nur würde durch die Bebauung
       angestammtes Gewerbe verdrängt, sondern durch eine derartige
       Massenunterbringung die Integration von Geflüchteten im Kiez unmöglich
       gemacht.
       
       Gegen die Pläne formierten sich mehrere Initiativen, es wurde [3][ein
       Alternativkonzept] entworfen, das die Unterbringung von Geflüchteten mit
       der gewerblichen Nutzung kombinierte – die sogenannte Kreuzberger Mischung
       sollte wieder aufleben. Statt 500 Plätze an einem Ort, sollten die MUF auf
       mehrere Standorte dezentral aufgeteilt werden, die bisherigen Nutzer*innen
       – Handwerk, aber auch eine Kita, Wagenplatz und Biergarten – sollten
       bleiben können und gleichzeitig bei der Integration der Geflüchteten
       helfen.
       
       Baustadtrat Schmidt sagte noch im Februar gegenüber der taz, das Areal der
       Ratiborstraße 14 könne „Modellcharakter“ für die Stadtentwicklungs- und
       Flüchtlingspolitik haben, auch wegen der intensiven
       Bürger*innenbeteiligung.
       
       ## 250 Plätze für Geflüchtete
       
       Nun soll, angeordnet durch die Senatsverwaltung für Finanzen die gesamte,
       bisher bundeseigene Fläche, an die Berlinovo Tochter Berlinovo
       Grundstücksentwicklungs GmbH (BGG) verkauft werden. Die BGG ist angewiesen,
       auf dem Gelände 250 MUF-Plätze nach Flüchtlingssonderbaurecht zu errichten,
       bestätigte eine Sprecherin der Senatsverwaltung am Dienstag. Der Verkauf
       solle in wenigen Wochen abgeschlossen sein.
       
       Moritz Metz, Mitglied der Nutzer*inneninitiative Areal Ratiborstraße
       14sieht durch den Verkauf an die BGG den Erhalt des Gewerbes in Gefahr:
       „Wir haben kein Vertrauen in das Land“, so Metz, „dass die Fläche nicht
       doch irgendwann weiter verkauft wird.“ Die [4][Berlinovo] ist kein
       vollwertiges landeseigenes Wohnungsbauunternehmen. Das heißt, es arbeitet
       in erster Linie profitorientiert und unterliegt nicht den selben Auflagen
       für sozialen Wohnungsbau.
       
       Deshalb halte er es für fraglich, dass die BGG das Gelände dauerhaft zu
       bezahlbaren Konditionen an das Kleingewerbe vermieten könne, so Metz. Dies
       sei auch abhängig vom Kaufpreis des Geländes – über den schweigt sich die
       Senatsverwaltung noch aus. Auf taz Anfrage hieß es am Dienstag, die
       Senatsverwaltung sei noch in Verhandlungen mit der Bundesanstalt für
       Immobilienaufgaben (BIMA) über den genauen Preis, die das Grundstück für
       den Bund verwaltet.
       
       ## Initiative will Erbbaurecht
       
       Um das ansässige Gewerbe längerfristig vor Verdrängung zu schützen und die
       „Kreuzberger Mischung“ doch noch zu realisieren, fordert die Initiative
       einen auf 60 bis 99 Jahre angelegten Vertrag nach Erbbaurecht. Auf dem
       Gelände soll dann durch eine Anfang des Monats gegründete Genossenschaft
       gebaut werden können. Darüber, ob dies möglich sei, hat sich die
       Senatsverwaltung für Finanzen noch nicht geäußert – sie habe sich weder an
       den gemeinsamen Planungswerkstätten beteiligt, noch antworte sie auf
       schriftliche Anfragen.
       
       „Wir fordern Transparenz von Seiten Senfins, eine Preisveröffentlichung und
       unmittelbare Vertragsverhandlungen mit finanzierbarem Erbbaurecht an unsere
       Genossenschaft“, so Metz, „Der Prozess ist im von der Senatsverwaltung
       vorgegebenen Eiltempo kaum nachhaltig machbar.“
       
       Katrin Schmidberger, Sprecherin für Mieten und Wohnen der Grünenfraktion im
       Abgeordnetenhaus, äußert Verständnis für die Sorgen der Nutzer*innen. „Die
       BGG als Eigentümer ohne Erbbaurecht für die Nutzer*innen ist eine
       schwierige Kombination.“ Auch sie wundere sich über die Alleingänge der
       Senatsverwaltung für Finanzen, die Entscheidung wäre so in der Koalition
       nicht abgesprochen gewesen. Allerdings erwarte sie, dass „die
       Senatsverwaltung ihre Zusagen erfüllt.“
       
       12 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
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