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       # taz.de -- Modernisierung in Russland: Pimp my Bahn
       
       > Ausbau von Eisenbahnstrecken, eine neue Autobahn – Russland will seine
       > Infrastruktur aufpolieren. Das wird nicht nur teuer, sondern auch
       > schmutzig.
       
   IMG Bild: So schön: die Transsibirische Eisenbahn am Baikalsee.
       
       MÖNCHENGLADBACH taz | Russland plant massive Investitionen in sein
       Verkehrswegenetz. Mit einem gigantischen Finanzaufwand sollen die mit 9.300
       km längste Eisenbahnstrecke der Welt, die transsibirische Eisenbahn, und
       die BAM, die Baikal-Amur-Magistrale, ausgebaut werden. Dazu kommen ein
       neuer Autobahnring um die Hauptstadt Moskau und eine
       Hochgeschwindigkeitsstraße von Moskau nach Kasan.
       
       Hierfür sind für die Anfangsphase 450 Milliarden Rubel, etwa 10,7
       Milliarden Euro, vorgesehen, erklärte Präsident Putin Ende Juni auf dem
       Internationalen Weltwirtschaftsforum in St. Petersburg.
       
       Es gelte, so der russische Verkehrsminister Maxim Sokolow laut der
       Nachrichtenagentur RIA Novosti in der vergangenen Woche, das
       Transportvolumen der transsibirische Eisenbahn von 110 Millionen Tonnen im
       Jahr auf 165 Millionen zu erhöhen. Die 1891 gebaute Bahn und die von 1938
       stammende BAM gelten als hoffnungslos veraltet. Bereits im nächsten Jahr
       soll der Ausbau der beiden Strecken beginnen.
       
       Moskaus Straßen sollen ab 2016 durch einen neuen 522 Kilometer langen, bis
       zu acht Fahrspuren breiten Autobahnring, entlastet werden. Für die Nutzung
       des Rings sollen die Autofahrer mit einem Rubel pro Kilometer, etwa 2,5
       Cent, zur Kasse gebeten werden.
       
       ## Private Investoren sollen mitmachen
       
       Ob sich Putins Pläne, von denen die in St. Petersburg angekündigten 10,6
       Milliarden Euro nur ein erster Anfang sein dürften, auch umsetzen lassen,
       hängt von der Finanzierbarkeit ab. Allein die Modernisierung der
       transsibirischen Eisenbahn und der BAM wird russischen Medien zufolge 13
       Milliarden Euro kosten, die Hochgeschwindigkeitsstraße von Moskau nach
       Kasan 24 Milliarden Euro und der neue Moskauer Autobahnring 8 Milliarden
       Euro. Die russische Ausgabe des Journals Forbes zitiert einen anonymen
       Gesprächspartner der Russischen Eisenbahn, der von umgerechnet 50
       Milliarden Euro allein für die drei Bahnprojekte spricht.
       
       Um die Kosten zu schultern, sehen Russlands Verantwortliche mehrere
       Möglichkeiten. Die Modernisierung der transsibirischen Eisenbahn, so
       Russlands Präsident Putin, solle nicht nur vom Staat getragen werden.
       Ebenso wichtig sei es, private Investoren für das Projekt zu gewinnen.
       
       Ein weiterer Teil der Gelder soll aus dem staatlichen „Wohlstandsfonds“
       entnommen werden, der eigentlich als Reserve dienen soll, um Schwankungen
       bei den Öl- und Gaspreisen abzufedern. Auch die zunehmende Privatisierung
       von Staatseigentum soll Gelder in die Staatskassen spülen. Der Bau der
       neuen Moskauer Autobahn wird weitgehend als PPP-Projekt in Zusammenarbeit
       mit privaten Investoren abgewickelt werden.
       
       ## Umweltschützer fürchten Rodungen
       
       Doch der gigantische Ausbau des Verkehrswegenetzes ruft auch Kritiker auf
       den Plan. Angesichts fallender Preise für inländische Flugtickets und
       gleichzeitig saftiger Preiserhöhungen für die Bahn entscheiden sich immer
       mehr russische Bürger für das Flugzeug. Auf besonderen Widerstand in der
       Bevölkerung und bei Umweltschützern dürfte der geplante Bau des neuen
       Moskauer Autobahnrings stoßen.
       
       Werde ein Autobahnring von 522 Kilometern gebaut, kritisiert Alexei
       Jaroschenko von Greenpeace Russland gegenüber russischen Medien, werde sich
       auch entlang der Autobahn Infrastruktur von neuen Firmen ansiedeln. Dann
       sei die Rodung von 140 Tausend Hektar Wald, 7 Prozent des Waldareals des
       Gebiets Moskau, zu erwarten.
       
       Jewgenja Tschirikowa aus dem Moskauer Vorort Chimki, die sich durch ihren
       Kampf gegen die Rodungen vor Chimki landesweit einen Namen gemacht hatte,
       kündigte schon vor Putins Erklärung an, dass sie sich mit aller Kraft gegen
       den Bau der neuen Autobahn wehren werde.
       
       29 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
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