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       # taz.de -- Monbijoubrücke in Berlin: Ein Schmuckstück in der Hauptstadt
       
       > Auch im Trubel Berlins gibt es Orte, an denen man seine Ruhe hat. Im
       > Schatten des Bodemuseums, neben der Monbijoubrücke, ist so ein Ort.
       
   IMG Bild: Wasser, etwas Grün und mit der Museumsinsel viel Kultur. An der Monbijoubrücke ist gut sein
       
       Berlin taz | Meine Kinder und ich haben seit vielen Jahren einen schönen
       Ort in unser Herz geschlossen. Der Einfachheit halber nennen wir ihn
       schlicht den „Schönen Ort“.
       
       Er liegt inmitten Berlins, gegenüber des Bodemuseums, unterhalb des
       Zwirngraben am Ufer der Spree. Im Rücken liegt der James-Simon-Park, der
       während der Coronazeit traurige Berühmtheit erlangte, da er regelmäßig von
       der Polizei geräumt [1][oder gesperrt wurde], um die vom Lockdown
       isolierten Jugendlichen daran zu hindern, sich im Freien in Gruppen zu
       treffen. Auch meine Kinder wurden aus diesem Park geräumt.
       
       Wir sitzen gern am Ufer unterhalb der Märchenhütte, einem kleinen Theater,
       in dem Grimm’sche Märchen neu interpretiert werden, rechterhand der
       nördliche Teil der historischen Monbijoubrücke.
       
       Als wir zum ersten Mal auf der Monbijoubrücke standen, auf das Wasser sahen
       und den Spreedampfern winkten, waren die Kinder noch klein, vielleicht 7
       und 8 Jahre alt. Mein Sohn interessierte sich vor allem für die Züge, die
       auf der gegenüberliegenden Brücke vom Hackeschen Markt kamen oder in
       Richtung Alexanderplatz fuhren. Wenn man etwas wartete, rauschten S-Bahnen,
       Regionalzüge und sogar der ICE vorbei, der damals für meinen Sohn ein
       Highlight war.
       
       ## Touristen drängeln für ein Selfie
       
       Meine Tochter interessierte sich mehr für die Musik, die auf der Brücke
       gespielt wurde, mal Gitarre oder Geige, mal Akkordeon. Musiker:innen
       aus aller Welt, vor sich einen aufgeklappten Instrumentenkoffer mit ein
       paar Münzen. Unten am Ufer Paare auf einer hölzernen Tanzfläche, auf die
       wir hinunter sehen konnten wie auf ein Wimmelbild. Je nachdem wurde dort in
       schöner Regelmäßigkeit Swing oder Tango getanzt. Männer in Knickerbockern
       mit Hosenträgern, Frauen in Kleidern mit kunstvoll hochgesteckten Frisuren.
       
       Oft tanzten Frauen mit Frauen und Männer mit Männern, wie meine Kinder
       damals interessiert feststellten, dann fanden sich wieder genderklassische
       Tanzpaarkonstellationen. Alles wirkte friedlich und frei.
       
       Später interessierten sich beide Kinder vornehmlich für die Pizza, die wir
       oben an einem Stand holten und mit der wir uns zum Essen unten an einen
       Tisch neben der Tanzfläche setzten. Genau dann, wenn die Sonne langsam
       unterging und sich oben auf der Monbijoubrücke Touristenhorden um die
       besten Plätze für ein Foto oder Selfie mit den Liebsten drängelten.
       
       Dann, wenn sich die Sonne im Wasser spiegelte, das Licht langsam verschwand
       und die Straßenlaternen schließlich alles in eine braun-orange Stimmung
       tauchten, hatten wir das Gefühl, aus der Zeit herausgefallen zu sein. Als
       wären wir unter der Brücke hundert Jahre zurück getaucht. Wir betrachteten
       Touristen, die am Ufer entlang schlenderten, beobachteten Geschäftsleute
       aus den umliegenden Büros, die zum Feierabend den Knopf des Jacketts
       öffneten, Obdachlose mit Einkaufswagen und tanzende Paare. Es waren
       besonders ruhige und schöne Abende dort am Ufer.
       
       Als die Kinder älter wurden und in die Pubertät kamen, las ich ihnen einmal
       beim Pizzaessen dort etwas über die historische Brücke aus Wikipedia vor:
       „Im Jahr 1897 erhielt der Architekt Ernst von Ihne den Auftrag für den Bau
       eines öffentlichen Museums auf der Spreeinsel zur Ausstellung der
       gesammelten Altertümer, dem später nach seinem ersten Direktor benannten
       Bode-Museum. Zeitgleich mit den Plänen für das Museumsgebäude entwarf Ihne
       eine neue Brücke, bestehend aus zwei getrennten Teilbrücken. Die
       Brückenteile entstanden zwischen 1902 und 1904 und erhielten bei ihrer
       Eröffnung vorerst keinen Namen. Im August 1905 vergab der Berliner
       Magistrat die Namen Monbijoustraße (…) und zugleich erhielt die Brücke
       den Namen Monbijoubrücke, beide nach dem damals in der Nähe befindlichen
       Schloss Monbijou.“
       
       ## Ein Schmuckstück schon im Namen
       
       „Stellt euch mal vor, es gab genau hier ein Schloss von den Hohenzollern,
       und Monbijou heißt so viel wie ‚mein Schmuckstück‘, schön nicht?“, rief ich
       begeistert. „Nice“, kommentierten die beiden ungerührt zwischen zwei Bissen
       Pizza. Ich hoffte trotzdem, dass irgendetwas davon hängenblieb.
       
       Hängen blieb zumindest ein warmes Gefühl für diesen Ort, ein paar schöne
       Erinnerungen an ruhige, friedvolle Stunden, mitten im Trubel und doch
       seltsam entrückt von der Hektik der großen Stadt.
       
       Die Kinder sind jetzt erwachsen, meine Tochter schon ausgezogen, aber noch
       heute schlägt eine/r der beiden manchmal vor, sich am Schönen Ort zu
       treffen. Und das machen wir dann. Um uns zu unterhalten, den Schiffen,
       Zügen oder den Tänzer:innen zu zusehen. Dabei immer in dem Gefühl, als
       seien wir der Zeit für ein paar Stunden entflohen.
       
       29 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
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