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       # taz.de -- Mord an Journalistin: Eine prominente Festnahme
       
       > Auf Malta wird im Fall Caruana Galizia ein Geschäftsmann verhaftet. Das
       > heizt Spekulationen an, dass die Politik in den Mord verstrickt ist.
       
   IMG Bild: Europaweit hatte der Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia Entsetzen ausgelöst
       
       Viel Zeit ließen sich die Ermittler nicht: Am Dienstag verkündete Maltas
       Ministerpräsident Joseph Muscat, dass er einen von Interpol verhafteten
       Mittelsmann im Mordfall Daphne Caruana Galizia begnadigen wolle. Wie
       maltesische Medien berichten, handelt es sich um einen Taxifahrer, der
       wegen Geldwäschegeschäfte verhaftet worden war. Um sich freizukaufen, hatte
       der Mann offenbar angekündigt, den Namen des Auftraggebers des Mordes an
       Galizia zu nennen.
       
       Am frühen Mittwochmorgen verhaftete die Polizei den maltesischen
       Geschäftsmann [1][Yorgen Fenech], als dieser versuchte, den Hafen von
       Valletta mit seiner Jacht zu verlassen. Sein Name war offenbar von dem
       Tippgeber genannt worden. In Malta wird spekuliert, dass Muscats Äußerungen
       vom Dienstag ihn aufgeschreckt hatten.
       
       Galizia war die mit Abstand bekannteste Investigativjournalistin Maltas. Am
       16. Oktober 2017 war sie durch eine Autobombe in der Nähe ihres Hauses auf
       der Insel [2][getötet] worden. Bis heute ist nicht geklärt, wer dafür
       verantwortlich ist.
       
       Das EU-Parlament hat die Schaffung eines Daphne-Caruana-Galizia-Preises für
       investigative Journalisten gefordert, das deutsche Reporter-Forum ein
       „Galizia-Stipendium“ ausgelobt. Sie selbst bekam posthum sage und schreibe
       30 internationale Auszeichnungen. 45 Journalisten aus 15 Ländern haben ihre
       Recherchen im [3][„Daphne-Project“] weitergeführt.
       
       ## Nicht das einzige Opfer
       
       Die traurige Wahrheit ist, dass Galizia nur eine von vielen JournalistInnen
       ist, die getötet wurden. 36 waren es nach Zählung von Reporter ohne Grenzen
       bislang in diesem Jahr, 80 im vergangenen. Kaum einer hierzulande ist
       annähernd so bekannt wie Galizia. Auch nicht die seither in Europa
       ermordeten JournalistInnen Ján Kuciak aus der Slowakei oder Wiktorija
       Marinowa aus Bulgarien.
       
       Was Galizia posthum solche Strahlkraft verleiht und sie so berühmt gemacht
       hat, ist nicht nur ihr – beeindruckendes – journalistisches Lebenswerk. Es
       ist der Umstand, dass bis heute der Verdacht im Raum steht, sie habe nicht
       nur in kriminellen Milieus recherchiert und sei deshalb von Gangstern
       getötet worden.
       
       Galizia wirkte vor ihrem Tod an der Aufdeckung von Skandalen mit, an denen
       das direkte Umfeld von Maltas Ministerpräsident Joseph Muscat beteiligt
       war. In vier Korruptionsverfahren wurde daraufhin gegen Michelle Muscat,
       die Frau des Premierministers, dessen Kabinettschef Keith Schembri und den
       Tourismusminister Konrad Mizzi ermittelt.
       
       Unter anderen hatte Galizias Familie deshalb immer wieder den Verdacht
       geäußert, dass die Regierung für den Tod verantwortlich sein könnte.
       „Muscat redet immer davon, dass ‚wir‘ untersuchen, dass ‚wir‘ die
       Hintermänner finden werden“, sagte Galizias Sohn Mathew. „Aber was, wenn
       die Hintermänner mit ihm selbst zu tun haben?“
       
       Galizia ist möglicherweise Opfer eines Staatsverbrechens, mitten in Europa.
       Und Maltas wohl größtes Problem ist, dass der Staat bis heute nicht
       imstande war, diesen Verdacht auszuräumen. Zwar glaubt kaum jemand auf der
       Insel, dass einer der Minister die Bombe bestellt hat. Doch man wird den
       Verdacht nicht los, dass die Regierung in ein Netz aus Geldwäsche,
       Korruption und Steuerhinterziehung als Geschäftsmodell verstrickt ist.
       
       ## Briefkastenfirmen in Panama
       
       Die richterlichen Ermittlungen gegen Schembri und Mizzi brachten zwar
       durchaus belastende Ergebnisse, die aber für beide keine juristischen
       Folgen hatten; sie sind noch im Amt. Nach der Festnahme von Fenech werden
       die Spekulationen wieder lauter werden. Galizias Sohn twitterte am
       Vormittag: „Fenech ist der Mann, dessen Aufgabe es war,
       Bestechungszahlungen an den Stabschef von Muscat zu überweisen.“
       
       Was gemeint ist: Der Hunderte Millionen Euro schwere Unternehmer Fenech
       hatte 2013 die Konzession erhalten, auf Malta ein Gaskraftwerk zu bauen.
       Daphne Galizia hatte acht Monate vor ihrem Tod über eine Firma in Dubai
       namens „17 Black Limited“ geschrieben, die „Verbindungen“ zu maltesischen
       Politikern habe. Finanzermittler fanden später heraus, dass „17 Black
       Limited“ Fenech gehört. Im Dezember 2015 tauchten geleakte E-Mails auf,
       aus denen hervorging, dass zwei Briefkastenfirmen in Panama, die Konrad
       Mizzi und Keith Schembri gehörten, bis zu 2 Millionen Dollar von „17 Black
       Limited“ bekommen haben – wofür, blieb unklar. Schembri, Mizzi und Fenech
       stritten alles ab.
       
       20 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.maltatoday.com.mt/news/national/98749/will_pm_make_schembri_resign_today_thats_not_a_consideration_i_can_make#.XdVTFKYo_RY
   DIR [2] /Tag-der-Pressefreiheit/!5589351
   DIR [3] https://www.occrp.org/en/thedaphneproject/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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