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       # taz.de -- Nach Reizgas-Einsatz der Polizei: Erneuter Todesfall nach Pfefferspray
       
       > Ein psychisch kranker Mensch kollabierte und starb bei einem
       > Polizeieinsatz in Hamburg – die Beamt*innen hatten Pfefferspray
       > eingesetzt.
       
   IMG Bild: Polizist*innen setzen immer wieder Pfefferspray ein
       
       Hamburg taz | Es ist der zweite Tote nach einem Polizeieinsatz mit
       Pfefferspray innerhalb von drei Tagen. Bereits am Sonntag war bei Hannover
       ein Mann [1][nach einem Pfeffersprayeinsatz an Herzversagen gestorben]. Am
       Dienstag starb nun ein Patient in einer Psychiatrie in Hamburg-Harburg,
       nachdem er von Polizist*innen und Klinikmitarbeiter*innen überwältigt
       worden war. Der Grund ist mutmaßlich ebenfalls Herzversagen.
       
       Wie die Polizei mitteilte und ein Sprecher des Klinikkonzerns Asklepios
       bestätigte, war der 57-Jährige am Sonntag in die Psychiatrie eingeliefert
       worden. Am Montag sollte er einem Richter vorgeführt werden, der
       entscheiden sollte, ob der psychisch auffällige Mann weiter in der Klinik
       bleiben müsse. Dagegen wehrte sich der Betroffene. Er verbarrikadierte sich
       in einem Zimmer der Psychiatrie, wo er randalierte und Fußleisten abriss.
       
       Die Polizei korrigierte später eine Pressemitteilung, in der sie zuerst
       behauptet hatte, der Mann habe sich in der Toilette eingeschlossen und mit
       angespitzten Holzstäben bewaffnet. Ein Sprecher des Klinikkonzerns stellte
       richtig, dass es sich um herausgerissene Fußleisten gehandelt hatte, die
       nicht angespitzt waren.
       
       Die Mitarbeiter*innen der Klinik riefen die Polizei, die sich Zutritt zu
       dem Zimmer verschaffte und den Mann unter Einsatz von Pfefferspray zu Boden
       brachte. Die Krankenhausmitarbeiter*innen spritzen ihm ein
       Beruhigungsmittel, das aber nicht sofort wirkte. Der Patient wehrte sich
       weiter, die Beamt*innen fixierten ihn auf dem Boden. Daraufhin verlor er
       das Bewusstsein und starb.
       
       ## Tödliche Wechselwirkung
       
       Der Leichnam liegt nun im Institut für Rechtsmedizin und soll obduziert
       werden. Rune Hoffmann, Sprecher des Asklepios-Konzerns sagte, die Klinik
       bedauere den Fall zutiefst. Leider komme es manchmal vor, dass psychisch
       labile Menschen in derartige Ausnahmezustände gerieten, die den Kreislauf
       überforderten und zu seinem Versagen führten. Die Klinik hält einen
       Zusammenhang zwischen dem Tod und dem in den Muskel gespritzten
       Beruhigungsmittel für äußerst unwahrscheinlich. Insbesondere wegen des
       kurzen Zeitraums zwischen Medikamentengabe und dem plötzlichen
       Herzstillstand. Genaueres werde die Autopsie zeigen.
       
       Nun ermittelt die Polizei – allerdings nicht gezielt gegen die am Einsatz
       beteiligten Beamt*innen und Klinikmitarbeiter*innen. Zuständig ist die
       Abteilung für Todesermittlungen des LKA. Die solle klären, ob ein
       strafrechtlich relevantes Verhalten den Patienten ums Leben gebracht habe,
       oder eine Vorerkrankung, erklärte ein Sprecher der Polizei.
       
       Dass Pfefferspray in Wechselwirkung mit Drogen oder Psychopharmaka tödlich
       sein kann, ist schon lange bekannt. Ein [2][Gutachten des
       wissenschaftlichen Dienstes] des Bundestags weist darauf hin, dass
       „indirekte gesundheitliche Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray bestehen,
       insbesondere für solche Personen, die unter Drogeneinfluss stehen oder
       Psychopharmaka eingenommen haben“, und nennt auch einige Todesfälle.
       
       Experten wie der Kriminologe Thomas Feltes [3][warnen außerdem schon seit
       Jahren davor], dass Pfefferspray auch in psychischen Ausnahmesituationen
       tödlich sein kann. Wenn der Körper unter Stress steht, wie beispielsweise
       bei Panikattacken, Psychosen, unter Drogen oder einem Allergieschock, kann
       das Reizgas den Kreislauf zum Erliegen bringen.
       
       ## Nur in Notwehr erlaubt
       
       Schon bei gesunden Menschen löst es Hustenreiz und Atemnot, Tränen und
       Krampfen der Augenlider, Sprechstörungen und stundenlange Hautreizungen
       aus. Die Biowaffenkonvention von 1972 verbietet seinen Einsatz in
       internationalen Konflikten. In Deutschland darf man es nur in Notwehr gegen
       Menschen einsetzen.
       
       Im Fall des am Sonntag in Langenhangen Verstorbenen hat die Polizei
       Hannover jetzt interne Ermittlungen eingeleitet. Zwar sah die
       Staatsanwaltschaft zunächst keinen Hinweis auf polizeiliches Fehlverhalten
       und somit auch keinen Anlass für Ermittlungen – und blieb auch am Mittwoch
       bei dieser Einschätzung. Allerdings möchte die Polizei nach Angaben des
       Staatsanwalts den Eindruck verhindern, die Behörde wolle etwas vertuschen.
       
       Die Obduktion des Toten, der auf der Straße randaliert hatte und mit
       Pfefferspray zu Boden gebracht worden war, hat ein Herz-Kreislauf-Versagen
       als Todesursache ergeben. Der Mann hatte einen Herzfehler gehabt. „Ein
       Zusammenhang mit dem Pfefferspray ist nicht ersichtlich“, sagt
       Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Toxikologische Untersuchungen stehen aber
       noch aus.
       
       22 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5525831/
   DIR [2] http://www.bundestag.de/blob/191580/%20825a5997105f8aede09106fe71b92bce/pfefferspray-data.pdf
   DIR [3] https://www.cilip.de/2016/08/19/begrenztes-risiko-polizeilicher-einsatz-von-pfefferspray-bei-fussballspielen/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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