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       # taz.de -- Nach dem Anschlag in Solingen: Kanzler für Asylgespräche mit CDU
       
       > Nach der Messerattacke von Solingen hat Kanzler Scholz Gespräche mit den
       > Ländern und der Union angekündigt. Auch Habeck fordert Konsequenzen.
       
   IMG Bild: Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Vorfeld einer Fraktionssitzung
       
       Berlin/Hannover afp/dpa/epd | Nach der tödlichen Messerattacke von
       [1][Solingen] hat [2][Bundeskanzler Olaf Scholz Gespräche mit den Ländern]
       und der Union über die Konsequenzen angekündigt. Bundesinnenministerin
       Nancy Faeser werde „sehr zügig jeweils einen Vertreter des Vorsitzes und
       Co-Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz, Vertreter der größten
       Oppositionspartei und involvierte Bundesressorts zu vertraulichen und
       zielgerichteten Gesprächen über diese Frage einladen“, sagte er nach einem
       Treffen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer in Berlin.
       
       Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich nach dem Anschlag von Solingen
       dafür ausgesprochen, die Sicherheitsbehörden in Deutschland zu stärken. Der
       Grünen-Politiker sagte in einem vom Ministerium in sozialen Medien
       verbreiteten Video, es gebe politisch sehr viel zu tun. „Unsere Freiheit
       wird von außen wie von innen angegriffen und wir müssen daraus Konsequenzen
       ziehen.“ Sicherheit und Schutz der Menschen müssten erhöht werden.
       
       Der Islamismus sei eine der schlimmsten Bedrohungen im Innern, sagte der
       Vizekanzler. Der Islamische Staat sei wieder aktiv. „Die
       Sicherheitsbehörden müssen in der Lage sein, ihm entgegentreten zu können.
       Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, die Landespolizeien,
       sie brauchen alles, was dazu nötig ist: Personal, die Technik und auch die
       Datenzugriffsrechte, damit sie Terroristen ausfindig machen und Anschläge
       rechtzeitig aufdecken können. Es geht den Staat nichts an, was
       unbescholtene Bürger im Internet tun. Aber Terroristen müssen wir auf die
       Schliche kommen können, bevor die Tat verübt wird.“
       
       Habeck sprach sich zudem für eine Verschärfung des Waffenrechts aus.
       Messer, Hieb- oder Stichwaffen sollten in den Innenstädten verboten werden.
       
       Bei Abschiebungen klafften „eklatante“ Lücken zwischen jenen, die rechtlich
       das Land verlassen müssten, und jenen, die das Land tatsächlich verlassen.
       „Recht aber kann nicht so einfach ignoriert werden, sonst wird das
       Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates zerstört.“ Die
       Regierungskoalition habe bereits im Februar eine Reihe von gesetzlichen
       Änderungen beschlossen, damit Abschiebungen auch vollzogen werden. „Wir
       haben aber offenbar ein Rechtsdurchsetzungsproblem. Die staatlichen Ebenen
       müssen hier besser werden und besser zusammenarbeiten.“
       
       Beim mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen hatte ein Angreifer am
       Freitagabend auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und
       acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al
       H., der in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen
       ihn unter anderem wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft
       in der Terrormiliz Islamischer Staat. Diese hatte die Tat für sich
       reklamiert und auch ein Video eines maskierten Mannes veröffentlicht, bei
       dem es sich um den Täter handeln soll. Der mutmaßliche Täter hätte
       eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden sollen,
       was aber scheiterte.
       
       ## CDU für härtere Asylpolitik
       
       [3][CDU-Chef Friedrich Merz hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein gemeinsames
       Vorgehen angeboten], um eine deutliche Eindämmung der irregulären Migration
       durchzusetzen. Merz machte dabei deutlich, dies notfalls auch ohne die
       Ampel-Partner Grüne und FDP angehen zu wollen.
       
       SPD-Chefin Saskia Esken lehnt eine Zusammenarbeit mit der Union in der
       Migrationspolitik vorbei an den Ampel-Partnern ab. „Natürlich werden wir
       nicht an Grünen und FDP, unseren Koalitionspartnern, vorbei so eine
       Zusammenarbeit machen“, sagte Esken im rbb-Inforadio.
       
       Es sei aber wichtig, dass der Regierungschef sich „in so schwierigen
       Situationen und mit so schwerwiegenden Themen“ mit dem Unionsfraktionschef
       unterhalte und auch darüber nachdenke, „wie man gegebenenfalls
       zusammenarbeiten könnte“, sagte die SPD-Vorsitzende mit Blick auf das
       Treffen von Scholz und Merz, bei dem die beiden am Dienstag über mögliche
       Konsequenzen aus dem tödlichen Anschlag von Solingen gesprochen hatten.
       
       Esken betonte, es gehe nun vor allem darum zu klären, warum die Abschiebung
       des mutmaßlichen Täters von Solingen gescheitert sei und wie verhindert
       werden könne, dass junge Männer sich in Deutschland radikalisieren.
       
       ## Merz bekommt Zuspruch von der FDP
       
       Die FDP hat sich offen für die von Merz geforderten Verschärfungen des
       Asylrechts gezeigt. Der Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr,
       begrüßte den Vorstoß von Merz gegenüber den Funke-Zeitungen vom Mittwoch –
       und forderte noch weiter gehende Verschärfungen. „Viele Vorschläge von
       Herrn Merz im Bereich der Migration decken sich mit den Vorstellungen und
       Forderungen der FDP. Wir wollen aber noch weitergehen und
       ausreisepflichtigen Dublin-Flüchtlingen die Sozialleistungen entziehen“,
       sagte Dürr.
       
       Der FDP-Fraktionschef begrüßte zudem den Vorschlag von Merz, in der
       Migrationspolitik überparteilich nach Lösungen zu suchen. Um die
       Migrationskrise zu lösen, brauche es alle demokratischen Parteien, betonte
       Dürr. Der Fall Solingen mache das besonders deutlich, „weil die
       CDU-geführte Landesregierung in Nordrhein-Westfalen es nicht geschafft hat,
       den Attentäter abzuschieben“, kritisierte er. „Umso wichtiger ist es, dass
       Bund und Länder Hand in Hand arbeiten, um das Problem in den Griff zu
       bekommen.“ Die FDP stehe dafür bereit.
       
       Auch der Parteivorsitzende Christian Lindner erklärte die Bereitschaft der
       FDP zu einer überparteilichen Zusammenarbeit. „Die FDP steht zu
       überparteilichen Anstrengungen bereit, neuen Realismus in der Migration von
       Bund und Ländern konsequent durchzusetzen“, sagte Lindner der Bild-Zeitung.
       „Die Vorschläge von Herrn Merz zur Migration decken sich stark mit denen
       der FDP.“
       
       ## Flüchtlingsrat mobilisiert gegen Abschiebungen
       
       Der Flüchtlingsrat Niedersachsen und weitere Hilfsorganisationen rufen zu
       einer Demonstration gegen Abschiebungen auf. Am Freitag wollen sie sich am
       Flughafen Hannover-Langenhagen und dem benachbarten Abschiebungsgefängnis
       zum Protest versammeln, wie der Flüchtlingsrat am Mittwoch mitteilte. Sie
       fordern „Solidarität mit Schutz suchenden Menschen statt Abschiebungen um
       jeden Preis.“
       
       Alljährlich am 30. August machen Initiativen, die sich für Geflüchtete
       einsetzen, mit einem bundesweiten Gedenk- und Aktionstag auf die Opfer von
       Abschiebungen und Abschiebehaft aufmerksam. Sie erinnern an diejenigen
       Menschen, die in deutscher Abschiebehaft den Tod fanden.
       
       Die Organisationen halten es für „absolut fahrlässig“, nach dem
       islamistischen Anschlag von Solingen einen Aufnahmestopp für Menschen aus
       Syrien und Afghanistan und Abschiebehaft für alle ausreisepflichtigen
       Menschen zu verlangen. „Diese Forderungen ignorieren Grundgesetz und
       Völkerrecht und stehen vollkommen außerhalb der Rechtsstaatlichkeit“,
       kritisierte Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat.
       
       Viele Menschen, die in Deutschland Asyl beantragten, seien selbst Opfer des
       islamistischen Terrors geworden, hieß es. Deshalb sei es unerträglich, wenn
       diese Geflüchteten nun in einen Topf mit islamistischen Attentätern
       geworfen würden.
       
       Abschiebehaft sei grundsätzlich ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in
       das Leben von Menschen, denen lediglich vorgeworfen werde, nicht freiwillig
       das Land zu verlassen, sagte Wahlbrecht. Der Wille der Behörden,
       Abschiebungen rigoros durchzusetzen, habe in der Vergangenheit immer wieder
       Opfer gefordert. Viele Menschen seien bei Fluchtversuchen, ungeklärten
       Unfällen oder Suiziden ums Leben gekommen. Die Abschiebungspolitik weiter
       zu verschärfen, werde die Gefahr islamistischer Anschläge nicht verringern,
       sondern zu einer weiteren gesellschaftlichen Verrohung beitragen.
       
       28 Aug 2024
       
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