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       # taz.de -- Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg: Blumen und Kerzen und Hetze
       
       > Trauer um die Opfer der tödlichen Messerattacke eines 28-jährigen
       > Afghanen. CDU-Kanzlerkandidat Merz versucht die Tat für den Wahlkampf zu
       > nutzen.
       
   IMG Bild: Aschaffenburg, 23. Januar: Zwei Menschen, darunter ein zweijähriges Kind, starben bei dem Messerangriff in der Nähe eines Parks
       
       Aschaffenburg/Berlin taz | Im Park Schöntal in der Innenstadt
       Aschaffenburgs stehen seit Donnerstag zahlreiche Teddybären, Spielzeuge,
       Kerzen und Blumen. Am Nachmittag versammeln sich dort Dutzende weinende
       Menschen mit ihren kleinen Kindern. Polizei und Presse beobachten das
       Geschehen. Mehrere Briefe und gemalte Bilder liegen ebenfalls dort. Auf
       einem steht: „Wir denken an dich.“
       
       Am Mittwoch hatte ein 28-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan in diesem
       Park einen kleinen Jungen und einen Mann mit einem Messer erstochen. Drei
       weitere Menschen wurden ebenfalls verletzt.
       
       „Die Stimmung ist sehr ernst, und die Leute sind sehr schockiert“, sagt die
       Seelsorgerin Eva Meder-Thünemann, die seit Donnerstag vor Ort Hilfe und
       Gespräche anbietet. „Vor allem die Kinder sind sehr betroffen“, fügt sie
       hinzu.
       
       Der [1][CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kündigte als Reaktion] auf die Tat
       an, am ersten Tag seiner möglichen Kanzlerschaft werde er die deutschen
       Grenzen für alle Geflüchteten schließen. Zurückweisungen solle es
       „ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch“ geben. Außerdem
       forderte Merz zeitlich unbegrenzte Abschiebehaft zu ermöglichen. Diese
       Positionen seien Bedingung für eine künftige Koalition nach der
       Bundestagswahl am 23. Februar. „Kompromisse sind bei diesen Themen nicht
       möglich.“
       
       Im Kern fordert die Union dies schon länger, neu ist lediglich die
       Ankündigung, dies am ersten Tag umzusetzen. Dies erinnert an US-Präsident
       Trump, der am ersten Tag seiner zweiten Amtsperiode den nationalen Notstand
       an der Grenze zu Mexiko ausgerufen hatte.
       
       ## Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu
       
       Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, es brauche einen
       „Aufnahmestopp und Grenzschließung für illegale Migration“ Es gebe „ein
       Kernversagen“ in der Bundesregierung. Außenministerin Annalena Baerbock
       (Grüne) müsse „noch heute“ nach Afghanistan fliegen, um über Abschiebungen
       zu verhandeln. Die in Afghanistan herrschenden Taliban werden von der
       Bundesrepublik nicht anerkannt. Söder kündigte zudem an, die Regelungen für
       Einweisungen in Psychiatrien zu „härten“.
       
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellte sich den
       Unionsforderungen am Donnerstag entgegen. Sie sehe keinen Bedarf für
       weitere Gesetzesverschärfungen, Merz Vorschläge für Zurückweisungen seien
       nicht mit dem Europarecht vereinbar. Die Zahl der neuen Asylanträge sei
       bereits massiv gesunken, das sei ein Erfolg der Grenzkontrollen, die es
       ohnehin schon gebe. Es sei an den Bundesländern, die Möglichkeiten
       auszuschöpfen.
       
       Bei der Frage nach Behördenversagen schieben sich Bund und Länder bislang
       gegenseitig die Verantwortung zu. Faeser nannte Söders Wortmeldungen
       „befremdlich“ und betonte, die bayerischen Behörden hätten auf
       vorangegangene Gewalttaten des Täters nicht reagiert und so dafür gesorgt,
       dass er auf freiem Fuß blieb. Der Mann war im Vorfeld der Tat bereits drei
       Mal mit Gewaltdelikten aufgefallen.
       
       Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betonte am Donnerstag, das Bundesamt
       für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe die bayerischen Behörden zu spät
       informiert, dass Bulgarien für den Asylantrag des Täters zuständig war. Die
       Frist für eine Abschiebung sei schon fast abgelaufen gewesen, als man davon
       zum ersten Mal erfahren hätte.
       
       ## Der Täter wollte freiwillig ausreisen
       
       Der 28-jährige Täter war laut Behörden im Herbst 2022 über Bulgarien nach
       Deutschland gekommen, Anfang 2023 stellte er einen Asylantrag. Im Dezember
       2024 brach der Mann sein Asylverfahren dann selbst ab, seitdem war er
       ausreisepflichtig. Den lokalen Behörden kündigte er an, freiwillig
       auszureisen. Dass der Mann seine Ankündigung nicht in die Tat umsetzte, lag
       wohl auch daran, dass er die dafür benötigten Papiere vom afghanischen
       Generalkonsulat bisher nicht erhalten hatte.
       
       Der Mann lebte laut Polizei zuletzt in einer Sammelunterkunft für
       Geflüchtete in der Gegend von Aschaffenburg. Das Gebäude wurde bereits am
       Mittwoch durchsucht, die Ermittler*innen fanden offenbar Medikamente
       gegen psychische Krankheiten. Landesinnenminister Herrmann legte am
       Donnerstag eine schizophren-paranoide Störung nahe. In der Folge seiner
       Gewalttaten war der Mann jeweils in psychiatrischen Einrichtungen
       untergebracht, wurde aber immer wieder entlassen. Seit Dezember 2024 hatte
       er wegen seiner psychischen Probleme eine gesetzliche Betreuerin.
       
       Leo Teigler von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen
       Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer kritisiert die mangelhafte
       Versorgungslage für psychisch kranke Geflüchtete: Bundesmittel seien
       zuletzt um die Hälfte auf 7 Millionen Euro gekürzt worden. „Die
       Kapazitäten, die eigentlich gebraucht würden, um den Bedarf an
       Unterstützung zu decken, sind finanziell überhaupt nicht abgesichert.“
       Studien zeigten, dass rund 30 Prozent der Geflüchteten eine
       posttraumatische Belastungsstörung hätten. Aber man könne nur rund 3
       Prozent davon adäquat versorgen.
       
       ## Morddrohungen an Sprecher der Initiative „Aschaffenburg bleibt bunt“
       
       Rechte Gruppierungen und auch die AfD nutzen den Angriff inzwischen bereits
       für ihre Hetze gegen Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund.
       
       Axel Teuscher, Sprecher der Initiative „Aschaffenburg bleibt bunt“, die
       immer wieder Proteste gegen rechts organisiert, berichtet der taz, dass er
       seit Mittwochabend seine sozialen Medien deaktivieren musste. Sein Postfach
       sei seit dem Angriff mit Morddrohungen überfüllt.
       
       Für Donnerstagabend rief die Initiative zu stillem Gedenken in der
       Innenstadt auf – ohne Plakate oder Redebeiträge, nur mit Kerzen. „Lasst uns
       angesichts des Schreckens und der Trauer in dieser schweren Zeit
       Rücksichtnahme, Solidarität und Zusammenhalt zeigen“, heißt es in einer
       Mitteilung der Initiative. „Es ist unser stärkstes Mittel gegen den
       Hass.“
       
       23 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Merz-Forderungen-nach-Aschaffenburg/!6059638
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Yağmur Ekim Çay
   DIR Frederik Eikmanns
   DIR Sabine am Orde
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