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       # taz.de -- Nach dem Skandal-Video von Sylt: Der Norden grölt rassistisch
       
       > Aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern
       > werden weitere Fälle rassistischer Gesänge auf Partys bekannt.
       
   IMG Bild: Hat ein Sylt-Problem bekommen: Schlagermove 2024 in Hamburg
       
       Hamburg taz | Nach dem [1][als „Sylt-Video“ verbreiteten Mitschnitt] einer
       Party im „Pony-Club“ in Kampen, bei der Feiernde rassistische Parolen
       grölten, sind nun zahlreiche ähnliche Vorfälle in Norddeutschland bekannt
       geworden.
       
       Bereits am Freitag war ein ähnlicher Fall bei einem Schützenfest im
       Löningen im Kreis Cloppenburg bekannt geworden. Auf Videoaufnahmen ist zu
       sehen, wie Besucher*innen des Schützenfestes bei ausgelassener Stimmung
       die Zeilen „Deutschland den Deutschen“ und „Ausländer raus“ mitgrölen. Dies
       ereignete sich bereits am Pfingstmontag, also vor Veröffentlichung des
       Sylt-Videos.
       
       Unter Rechten ist der Song „L'amour tojours“ von Gigi D'Agostino [2][mit
       rassistisch umgedichtetem Text] seit Monaten eine Chiffre für ihre
       Ideologie. Online ist es zu einem Trend geworden, den Song in verschiedenen
       Varianten hochzuladen. Meist ohne die rassistischen Parolen, sondern in der
       Originalversion. Dafür platzieren die User*innen Hinweise, etwa im
       Hintergrund des vom Nutzer „Aryan Classic“ hochgeladenen Videos, eine
       römische Statue. Entsprechende Videos werden im Netz hunderttausendmal
       geklickt. Darunter listen sich Kommentare wie „Zu dieser Musik marschierte
       Mussolini nach Rom“ oder „Haltet die Gene sauber und den Traum hoch“.
       
       Auf Partys wird der Song seit Längerem in seiner abgewandelten Form
       mitgesungen. Das Magazin Katapult-MV entdeckte den mutmaßlich ersten Fall
       im Oktober 2023 in Mecklenburg-Vorpommern. Videos, die im Netz kursieren,
       dokumentieren weitere Fälle im Januar 2024 in Pahlem (Kreis Dithmarschen)
       und in Schenefeld (Kreis Steinburg) in Schleswig-Holstein. Laut der
       Staatsanwaltschaft Itzehoe laufen die Ermittlungen.
       
       ## Schüler*innen im Privatinternat feiern den Song
       
       Seit dem Wochenende häufen sich nun die Fälle. Feiernde sangen die
       rassistischen Parolen auf einer Party im ostfriesischen Emden sowie auf
       einem Schützenfest bei Wolfsburg – die Liste ist lang. Auf einer Party des
       Privatinternats Louisenlund im Kreis Rendsburg-Eckernförde sollen
       Schüler*innen am Donnerstagabend den Text gebrüllt haben. 40
       Schüler*innen waren auf der Party, acht sollen beteiligt gewesen sein.
       Die Feier sei daraufhin von einer Pädagogin beendet worden.
       
       Die Schüler*innen sollen nun ihr Verhalten reflektieren und sich
       ehrenamtlich betätigen, zudem soll der Vorfall im Unterricht aufgearbeitet
       und die Demokratieerziehung ausgeweitet werden. So steht es in einer
       Stellungnahme des Leiters der Stiftung Louisenlund.
       
       Auch der Hamburger Schlagermove kam nicht ohne Gigi D'Agostinos
       umgedichteten Partyhit aus. Während die 400.000 Besucher*innen mit
       bunten Blumenoutfits auf St. Pauli feierten und in die Büsche kotzten, soll
       eine Gruppe von Menschen die rassistischen Parolen skandiert [3][und den
       Hitlergruß gezeigt haben]. Der Veranstalter distanziert sich von dem
       Vorfall. „Mit dem Verhalten wurden die Grundwerte des Schlagermoves, der
       für Offenheit und Toleranz steht, mit Füßen getreten“, heißt es in dem
       Statement des Veranstalters. Die Polizei ermittelt und sucht nach
       Zeug*innen und Video- oder Tonaufnahmen.
       
       Während das Sylt-Video bundesweit Empörung hervorrief, ist Çağan Varol,
       Rassismusforscher an der Uni Kassel, nicht überrascht von den Vorfällen.
       „Ich denke nicht, dass sich diese Vorfälle jetzt besonders häufen, sie
       waren immer schon weit verbreitet“, sagt er der taz. Seit Veröffentlichung
       des Videos habe sich aber die öffentliche Wahrnehmung verändert. „Da sich
       die mediale Aufmerksamkeit gerade darauf richtet, fallen uns diese Vorfälle
       vermehrt auf“, sagt Varol.
       
       ## Rassist*innen fühlen sich sicher
       
       Was das Video aber laut dem Wissenschaftler auf besorgniserregende Weise
       zeige, sei ein „Gefühl der Sicherheit“ bei der rassistischen Gruppe. Varol
       kritisiert auch das fehlende Eingreifen der anderen Partygäst*innen. Das
       Erstaunen über den Rassismus der gut Betuchten verstehe er hingegen nicht.
       „Oft wird davon ausgegangen, dass die einkommensschwachen Klassen oder
       Menschen ohne Studienabschluss rassistisch sind. Sylt zeigt das genaue
       Gegenteil und die Verbreitung rassistischen Gedankenguts in allen
       Schichten.“
       
       Enttäuschend sei für ihn, dass sich seit den großen Demonstrationenen
       gegen rechte Hetze Anfang des Jahres offenbar wenig verändert habe. Mit
       Besorgnis blicke Varol zudem auf ein anstehendes Großevent, bei denen auch
       nationalistische Gefühle hochkochen könnten: „Auch während der Fußball-EM
       der Männer werden wir sicherlich sehr oft rassistisches Verhalten von
       Mittelschichten beobachten können“, sagt er.
       
       28 May 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Rechtliche-Konsequenzen-von-Sylt-Video/!6010232
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Kähler
       
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