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       # taz.de -- Nach dem Staatsstreich in Guinea: Zwischen Freude und Sorge
       
       > Laut den Putschisten soll künftig eine Übergangsregierung die Geschicke
       > Guineas leiten. Viele im Land jubeln, die internationale Gemeinschaft
       > weniger.
       
   IMG Bild: Feierstimmung: Menschen begleiten Soldaten auf den Straßen von Conakry
       
       Cotonou taz | Guineas Putschisten um Mamady Doumbouya machen deutlich, wer
       nun das Sagen in dem 12,8 Millionen Einwohner*innen großen Küstenstaat
       hat. Einen Tag nach der [1][Absetzung von Präsident Alpha Condé] mussten am
       späten Montagvormittag die Minister*innen seines Kabinetts antreten.
       Wer nicht an dem Treffen teilnehmen wollte, sollte als Rebell*in
       eingestuft werden, lautete die Drohung der Putschisten im Vorfeld.
       
       Ersten Informationen zufolge hat Doumbouya bei der Zusammenkunft
       angekündigt, in wenigen Wochen eine Übergangsregierung zu bilden. Die
       Grenzen sollen teilweise wieder geöffnet werden. Die Minister*innen
       müssten ihre Pässe abgeben und dürften das Land nicht verlassen, hätten
       jedoch keine Verfolgung zu befürchten, so Doumbouya.
       
       In Regionen, in denen Bergbauunternehmen arbeiten, würde die Ausgangssperre
       gelockert, damit diese weiterarbeiten können, hieß es weiter. Das Land
       verfügt über beträchtliche Bodenschätze wie Gold, Bauxit und Eisenerz, von
       denen Guineas Wirtschaft stark abhängt. Aus dem Landesinneren wurde am
       Montagmorgen berichtet, dass Regierungsvertreter*innen auch auf
       unterer Ebene abgesetzt würden.
       
       Der 83-jährige Condé war am Sonntagnachmittag von der neu gegründeten
       Spezialkräfteeinheit GPS (Groupement des Forces Spéciales) verhaftet
       worden. Fotos machen deutlich, dass der bisherige Präsident [2][völlig
       überrascht] wurde, obwohl Guinea auf eine jahrzehntelange Tradition der
       Militärherrschaft zurückblickt und es immer wieder Spekulationen über einen
       erneuten Putsch gegeben hatte. Doch Condé saß mit offenem Hemd und in Jeans
       auf einem Sofa, als er von Militärs umgeben wurde. Wo er sich derzeit
       befindet, ist unklar.
       
       ## Jubel auf den Straßen
       
       Die Zivilgesellschaft atmet indes auf. Der Sozialist Condé, der 2010 als
       Hoffnungsträger galt, hatte zunehmend autoritäre Züge. Besonders deutlich
       wurden diese im vergangenen Jahr, als eine Verfassungsänderung ein drittes
       Mandat für Condé möglich machte. Bei den Protesten gegen das Vorhaben und
       rund um die Wahlen im Oktober 2020 starben Dutzende Menschen.
       
       Die Nationalfront für die Verteidigung der Verfassung (FNDC) hatte viele
       der Demonstrationen organisiert. Für Montagmorgen rief sie die
       Einwohner*innen Conakrys erneut auf die Straße – zum ersten Mal seit
       ihrer Gründung vor knapp zwei Jahren aus freudigem Anlass.
       
       Die Menschen bejubelten die Freilassung der politischen Häftlinge, die die
       Putschisten keine 24 Stunden nach der Machtübernahme angeordnet hatten.
       Darunter ist auch der Journalist und Aktivist Foniké Mengué. Mamoudou
       Nagnalen Barry, FNDC-Mitbegründer, sagte gegenüber der BBC: „Ich habe
       gemischte Gefühle zum Staatsstreich. Aber ja, leider bin ich auch glücklich
       darüber.“
       
       „Es hat viel Gewalt gegeben“, erklärt Alpha Amadou DS Bah, Vizepräsident
       der guineischen Organisation zur Verteidigung der Menschen- und
       Bürgerrechte (OGDH), im Gespräch mit der taz über das Regime Condé. Wichtig
       sei nun ein friedlicher Übergang zurück zur Demokratie. „Menschenrechte
       müssen im Mittelpunkt stehen.“ Derzeit sei allerdings noch unklar, wie sich
       die aktuelle Situation entwickeln werde und wie sich die neuen Machthaber
       positionieren, so Bah.
       
       ## Leichen von erschossenen Soldaten
       
       Immerhin sei es mittlerweile ruhig in der Hauptstadt Conakry. Viele Straßen
       seien leer. „Die Mehrzahl der Geschäfte hat geschlossen, und der große
       Markt hat ebenfalls nicht geöffnet“, sagt Bah. Am Tag zuvor waren immer
       wieder Schüsse zu hören. Kämpfe hatte es in der Nähe der Brücke
       Pont-8-Novembre gegeben. Augenzeug*innen berichten, Leichen von
       erschossenen Soldaten gesehen zu haben.
       
       Indes zeigt sich die internationale Gemeinschaft besorgt über die
       Entwicklung im Land, das unter anderem an Mali grenzt, wo das Militär im
       August 2020 schon geputscht hatte. Der ganze Sahelraum ist vor allem durch
       Gewalt von Extremisten und Banden instabil geworden, die Regierungen gelten
       als schwach.
       
       Mit Guinea ist nun die Zukunft eines weiteren Staates der Region ungewiss.
       Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) kritisierte den
       Staatsstreich und sprach von „großer Besorgnis“. Condé müsse unverzüglich,
       unversehrt und bedingungslos freigelassen werden, die Vorgehensweise sei
       verfassungswidrig.
       
       Die Afrikanische Union kündigte ein Treffen ihres Sicherheitsrats an. Die
       USA betonten, dass „Gewalt und alle außerverfassungsmäßigen Maßnahmen
       Guineas Aussichten auf Frieden, Stabilität und Wohlstand nur untergraben“.
       Alle Parteien müssten auf Gewalt verzichten und einen nationalen Dialog
       einleiten.
       
       6 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
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