# taz.de -- Nach dem Sturm auf das Kapitol: Republikaner in der Sackgasse
> Der 6. Januar bedeutet einen Bruch in der Republikanischen Partei. Aber
> eine Abkehr von Trump würde den Weg in eine unbekannte Identität
> bedeuten.
IMG Bild: Sie wollen für Law and Order stehen, von nun an gilt aber auch: Randale und Selfies
Berlin taz | Für die Republikanische Partei bedeutet der 6. Januar eine
Zäsur. Bislang konnte man davon ausgehen, dass Donald Trump dort seine
Machtposition und seinen Zugriff behalten würde – in seiner vierjährigen
Amtszeit hatte der US-Präsident die „Grand Old Party“ zur willfährigen
Komplizenpartei umgekrempelt. [1][Unter denen, die nicht aus Überzeugung zu
Trumps Steigbügelhalter*innen gehörten, regierte die reine Angst]: Ein
kritisches Wort, und eine Serie von Tweets des Präsidenten konnte Karrieren
beenden, die nächste Vorwahl vermiesen.
Diese Angst ist nicht verschwunden – sie ist am Mittwoch allen deutlich
geworden. [2][Was Schwarze und People of Color schon seit Beginn von Trumps
politischem Aufstieg täglich erfahren konnten], das spürten plötzlich auch
die gewählten Abgeordneten und Senator*innen im Kapitol: Angst vor einem
außer Kontrolle geratenen Mob, angestachelt direkt aus dem Weißen Haus.
Waren es am Morgen des Mittwochs noch 14 republikanische Senator*innen, die
den Einsprüchen gegen die Zertifizierung der Wahlleutestimmen aus den sechs
umkämpften Bundesstaaten zustimmen wollten, waren es nach den Sturm aufs
Kapitol noch sechs, die Trump ihre Loyalität bewiesen.
Senatorin Kelly Loeffler, [3][die am Vorabend ihren Senatssitz in Georgia
an den demokratischen Herausforderer Raphael Warnock verloren hatte],
bekundete im Senat sichtlich bewegt, dass sie unter diesen Umständen nicht
mehr guten Gewissens für die Einsprüche stimmen könnte, wie sie es noch in
Anwesenheit Trumps am Montagabend angekündigt hatte. Auch die Senator*innen
Steve Daines aus Montana, Bill Hagerty und Marsha Blackburn aus Tennessee
und James Lankford aus Oklahoma zogen ihre Einsprüche unter dem Eindruck
der Ereignisse zurück.
## Republikanische Senatoren nun gegen Trump
Aus Sicht Trumps wurden sie damit zu den „schwachen“ Republikaner*innen,
denen seine Unterstützer*innen mit ihrem Marsch aufs Kapitol Beine machen
sollten. So hatte es Trump noch bei seiner [4][Rede] auf der National Mall
in Washington am Vormittag formuliert.
Der republikanische Abgeordnete aus Texas, Chip Roy, sagte nach der Abkehr
von Trumps Wunsch, dass dies sein eigenes „politisches Todesurteil“ sein
könne. „Dann sei es so.“ Dies ist umso bemerkenswerter, als dass Roy ein
früherer Stabschef des Senators [5][Ted Cruz] war, der im Senat noch vor
dem Sturm der Demonstrant*innen in einer infamen Rede den Einspruch gegen
die Wahlergebnisse von Arizona eingebracht hatte.
Senator Tom Cotton aus Arkansas, einer der vehementesten
Trump-Unterstützer, sagte: „Es ist überfällig, dass der Präsident die
Wahlergebnisse akzeptiert, aufhört, die amerikanische Bevölkerung in die
Irre zu führen, und die Gewalt des Mobs zurückweist.“ Senator Roy Blunt,
Republikaner aus Missouri, sagte, er wolle nichts mehr von Trump hören.
„Das war ein tragischer Tag, und er war ein Teil davon“, sagte Blunt.
Senator Pat Toomey aus Pennslyvania, auch er ein Trump-Unterstützer,
schäumte: „Wir haben heute den Schaden erfahren, den es anrichten kann,
wenn Männer in Machtpositionen sich weigern, die Wahrheit anzuerkennen. Wir
haben Blutvergießen erlebt, weil der Demagoge sich entschieden hat,
Unwahrheiten und Misstrauen unter seinen amerikanischen Mitbürgern zu
verbreiten.“
Als ob das neu wäre. Trumps gesamte politische Karriere basiert genau
darauf, und auch alle, die jetzt entsetzt auftreten, wissen das. Hätte
Trump durch eine schnelle – wenngleich verlogene – Verurteilung der Gewalt
den Beschwichtigungsversuch mit den Republikanern gewagt, hätte er damit
durchaus Erfolg haben können.
## Hass statt Konservatismus
Aber Trump tat nichts dergleichen. Weder in seiner Videobotschaft, während
die Aufrührer*innen noch im Kongressgebäude waren, noch in seinem letzten
Tweet, der ihm eine 12-stündige Twittersperrung einbrachte (beide
inzwischen von Twitter gelöscht), zeigte er auch nur einen Hauch von
Distanz zu denen, die gewaltsam ins Kapitol eingedrungen waren. Im
Gegenteil: Er dankte diesen „besonderen“ Menschen und riet ihnen, diesen
Tag nie zu vergessen.
Da waren die Bemühungen der rechten Medienhäuser wie Fox News, OANN oder
Newsmax fast schon anrührend. Sie stellten die Eindringlinge als kleinen
Mob dar, [6][der mit dem Großteil der Protestierenden nichts zu tun habe
und womöglich gar von Antifa-Aktivist*innen unterwandert sei.] Ein letzter
verzweifelter Versuch, die Fiktion zu retten, dass Trumps – und ihre eigene
– andauernde Verbreitung von Lügen und Hetze keine tödlichen Konsequenzen
habe, sondern Teil einer normalen politischen Debatte sei.
Genau an diesem Punkt steht die Republikanische Partei. Über viele Jahre,
spätestens seit Newt Gingrichs „konservativer Revolution“ von 1994 hat eine
politische Kultur der radikalen Polarisierung, der Organisation von Hass
den in der Partei organisierten Konservativismus übernommen.
## Schwierige Abkehr
Das machte sich zunächst bei Vorwahlen für Kongress- und Senatskandidaturen
bemerkbar, wo plötzlich extreme Politiker gewählt wurden, während sich mit
Hilfe des Washingtoner Parteiapparats mit George W. Bush, John McCain und
Mitt Romney noch neokonservative oder leidlich moderate Kandidaten
durchsetzen konnten – unter immer größeren Schwierigkeiten und ab Ende der
2000er Jahre unter massivem Druck der Tea Party und ihrer Finanziers.
Trumps Kandidatur und seine Präsidentschaft waren die logische, auf die
Spitze getriebene Konsequenz dieser Entwicklung. Republikaner ohne Proud
Boys, QAnon und infowars.com sind gar nicht mehr mobilisierungsfähig. Eine
Abkehr der Partei vom Trumpismus bedeutet insofern viel mehr als nur die
Abkehr von Trump: nämlich die Umkehr einer Partei in eine ihr selbst
inzwischen unbekannte Identität.
7 Jan 2021
## LINKS
DIR [1] /US-Republikaner-nach-der-Wahl/!5726960
DIR [2] /Trump-schuetzt-Statuen/!5691530
DIR [3] /Senatswahlen-im-US-Suedstaat/!5742359
DIR [4] https://www.rev.com/blog/transcripts/donald-trump-speech-save-america-rally-transcript-january-6
DIR [5] /US-Kongress-muss-Wahlergebnis-bestaetigen/!5737876
taz.de:70 /Nach-dem-Sturm-auf-das-Kapitol/!5742470:120: line too long