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       # taz.de -- Nach den Wahlen in Venezuela: Maduro gräbt sich ein
       
       > Ein UN-Expertengremium schließt sich der Kritik am mutmaßlichen
       > Wahlbetrug in Venezuela an. Die Opposition protestiert weiter.
       
   IMG Bild: Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro am 8. August vor Journalisten, bevor er den Obersten Gerichtshof verlässt
       
       Bogotá taz | Ein Expertengremium der Vereinten Nationen hat sich der
       [1][internationalen Kritik an den Präsidentschaftswahlen in Venezuela]
       angeschlossen. Die Wahlen entbehrten „grundlegender Transparenz und
       Integrität“, heißt es in einer Stellungnahme, die es am Dienstag
       veröffentlichte.
       
       Nach den Wahlen am 28. Juli hatte der Nationale Wahlrat den amtierenden
       Präsidenten Nicolás Maduro mit sieben Prozent Vorsprung zum Wahlsieger
       erklärt – und weigert sich bis heute, Beweise dafür vorzulegen. Die
       [2][Internetseite des Wahlrats] ist weiter offline. Die Opposition hat
       mittels Wahlprotokollen auf einer [3][eigenen Website] belegt, dass ihr
       Kandidat Edmundo González mehr als doppelt so viele Stimmen wie Maduro
       errang.
       
       Das vierköpfige Team, das der UN-Generalsekretär António Guterres nach
       Venezuela geschickt hatte, verbrachte dort mehr als einen Monat zur
       Wahlbeobachtung. Es war aber keine offizielle Wahlbeobachtungsmission und
       sollte ursprünglich nur UN-intern berichten. Doch am Dienstag brach es sein
       Schweigen.
       
       Lob gab’s nur für die logistische Organisation der Wahlen. Besonders
       kritisierte das Team den Nationalen Wahlrat, der venezolanische Wahlnormen
       missachtet und Maduro als Sieger verkündet habe, ohne die Ergebnisse der
       Wahllokale vorzulegen. Das sei „beispiellos für zeitgenössische
       demokratische Wahlen“.
       
       ## Proteste und Repression gehen weiter
       
       Ähnlich wie das UN-Gremium hatte sich schon das Carter Center geäußert, die
       mit 17 Personen größte der wenigen zugelassenen Wahlbeobachtungsmissionen.
       Die hatte das Ergebnis des Wahlrats als nicht nachprüfbar bezeichnet und
       bemängelt, dass die Wahl undemokratisch gewesen sei.
       
       Parlamentspräsident Jorge Rodríguez hatte wenige Stunden vor der
       Stellungnahme der UN noch eine Gesetzesänderung gefordert – um ausländische
       Wahlbeobachtung in Venezuela künftig zu verbieten. Dabei hatte er das
       Carter Center und das UN-Gremium als „Müll“ bezeichnet.
       
       Derweil gehen die Proteste und die staatlichen Repressionen weiter.
       Ebenfalls am Dienstag [4][kritisierte der UN-Hochkommissar für
       Menschenrechte], Volker Türk, die willkürlichen Festnahmen und exzessive
       Gewalt. „Besonders beunruhigend ist, dass so viele Menschen festgenommen
       und der Anstiftung zum Hass beschuldigt oder auf Basis von
       Anti-Terror-Gesetzen angeklagt werden“, sagte Türk. „Das Strafrecht darf
       nie benutzt werden, um auf ungebührliche Weise das Recht auf freie
       Meinungsäußerung und auf friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
       zu begrenzen.“
       
       Nach Regierungsangaben sind seit 29. Juli mehr als 2.400 Menschen
       festgenommen worden. Darunter fallen laut UN auch willkürliche Festnahmen
       von Demonstrierenden, Menschenrechtsverteidiger:innen, Minderjährigen,
       Behinderten und Oppositionsmitgliedern sowie Wahlbeobachter:innen der
       Oppositionsparteien. In den meisten Fällen, von denen die UN Kenntnis
       bekam, dürfen die Festgenommenen weder einen Rechtsbeistand noch ihre
       Familien sprechen.
       
       ## Hochsicherheitsgefängnisse für Oppositionelle im Bau
       
       Mindestens 23 Menschen sind seit Beginn der Proteste ums Leben gekommen –
       die Mehrheit wurde laut UN erschossen. Die Generalstaatsanwaltschaft
       spricht von 192 Verletzten. Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt
       nach eigenen Angaben die Lage.
       
       Maduro hat angekündigt, zwei Hochsicherheitsgefängnisse für festgenommene
       Demonstrierende fertig zu stellen. Fürs Wochenende hat die Opposition zu
       weiteren Proteste aufgerufen.
       
       In der spanischsprachigen Welt wird Maduros Strategie seit dem Wahlsonntag
       im Juli mit dem Begriff „atrincheramiento“ bezeichnet, Verschanzung im
       Schützengraben, – oder direkt von Angriff gesprochen. Neben der Repression
       auf der Straße hat die Zensur nochmal zugenommen.
       
       Vom Oberste Gericht, das laut Maduros Wunsch die Wahlprozesse überprüfen
       soll, ist kein unabhängiges Ergebnis zu erwarten. Oppositionskandidat
       Edmundo González hat die Vorladung direkt abgesagt. Ihm und
       [5][Oppositionsführerin María Corina Machado] drohen Festnahmen wegen
       „Anstachelung zum Aufstand“. Sie meiden die Öffentlichkeit seitdem.
       
       ## Militärführung steht hinter dem Regime
       
       Militär und Polizeistehen weiterhin hinter Maduro und seinem Regime.
       Zumindest hat deren Führung das verkündet als Antwort auf einen Aufruf von
       Oppositionsführerin María Corina Machado und Edmundo González Anfang
       August, „den Willen der Bevölkerung durchzusetzen“.
       
       Auch wenn der Zusammenhalt in Polizei und Armee nur Fassade sein könnte.
       
       Aktive und ehemalige Militärs kontrollieren zwar laut [6][Recherchen der
       Deutschen Welle] zwölf der 34 Ministerien, dazu 44 Firmen. Und das Land hat
       bei 28 Millionen Einwohner:innen 2.000 Generäle. Zum Vergleich: Die USA
       haben 900.
       
       Die Frage ist allerdings, wie es im Unterbau ausschaut. Laut Schätzungen
       gibt es in Venezuela 123.000 Militärs. Das Fußvolk bekommt niedrige Löhne
       und armselige Sozialleistungen. Hinzu kommt die Repression gegen
       Andersdenkende. Soldaten machen einen Großteil der politischen Gefangenen
       des Regimes aus. Ihre Haftbedingungen sind besonders brutal.
       
       ## Nachbarländer bleiben kritisch
       
       Mexiko und Venezuelas direkte Nachbarn Kolumbien und Brasilien bemühen sich
       weiter, Regime und Opposition an den Verhandlungstisch zu bekommen. Sie
       haben – anders als viele Länder – den Wahlsieg Maduros nicht abgestritten,
       sondern nur Transparenz gefordert.
       
       In Kolumbien, dem Land, das 3 der fast 8 Millionen Migrant:innen aus
       Venezuela aufgenommen hat, sprechen Medien allerdings längst von
       Wahlbetrug. Die Zeitung [7][El Espectador] warnt davor, sich von Maduro
       täuschen zu lassen – zu oft habe der Verhandeltes missachtet.
       
       Die USA, Peru und Argentinien haben Oppositionskandidaten Edmundo González
       Urrutia als Sieger der Wahl anerkannt. Die EU tat dies bislang nicht,
       lehnte jedoch die Anerkennung der Wiederwahl Maduros ab.
       
       14 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-der-Wahl-in-Venezuela/!6027578
   DIR [2] https://www.cne.gob.ve/
   DIR [3] https://resultadosconvzla.com/
   DIR [4] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/08/venezuela-ongoing-arbitrary-detentions-disproportionate-use-force-fuelling
   DIR [5] /Oppositionelle-Machado-in-Venezuela/!6025088
   DIR [6] https://www.dw.com/es/fuerza-armada-nacional-bolivariana-pieza-clave-en-el-ajedrez-postelectoral-venezolano/a-69882308
   DIR [7] https://www.elespectador.com/opinion/columnistas/ramiro-bejarano-guzman/de-tramposos-y-farsantes/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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