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       # taz.de -- Nach rassistischem Gegröle auf Sylt: Kampen hat sich wieder beruhigt
       
       > Vor einem Monat hatten Partygäste im Club Pony auf Sylt rassistische
       > Parolen gegrölt. Ein Videoschnipsel davon ging viral. Die Ermittlungen
       > dauern an.
       
   IMG Bild: Im Club Pony auf Sylt geht das Leben weiter wie zuvor
       
       Kampen/Flensburg dpa/taz | Frauen mit dezenten Designeruhren am Handgelenk
       und großen Sonnenbrillen auf der Nase schlendern barfuß mit ihren Kindern
       zum Strand vor Kampen. Chromblitzende Luxusautos parken in der Sonne dieses
       Juni-Nachmittags vor dem Club Pony auf Sylt. Deren Besitzer trinken kühlen
       Grauburgunder auf der Terrasse des Lokals, das vor einem Monat
       [1][bundesweit für gewaltige Schlagzeilen gesorgt] hat.
       
       Während im Nobelort Kampen nach dem viel beschriebenen Rassismuseklat vor
       einem Monat alles wieder so zu sein scheint wie immer, hat sich seit einer
       Pfingstparty für mindestens zwei Männer und eine Frau Grundlegendes
       verändert.
       
       Zu Pfingsten hatten sie auf der teilweise überdachten Terrasse des Pony zur
       Melodie des Partysongs [2][„L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino] –
       anscheinend völlig ungeniert und ausgelassen – rassistische Parolen
       gebrüllt. Einen Monat nach Bekanntwerden dieser rassistischen Vorfälle
       ermittelt die Staatsanwaltschaft in Flensburg weiter gegen sie.
       
       „Die Ermittlungen werden sicherlich noch einige Wochen dauern“, sagte
       Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt der Deutschen Presse-Agentur. Es werde
       wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt, gegen einen der Männer
       außerdem wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen
       verfassungswidriger Organisationen.
       
       ## Vorfall auf Sylt wurde vor einem Monat bekannt
       
       Auf einem wenige Sekunden langen Video, das am Pfingstsamstag bei einer
       Party mit mehr als 500 Feiernden in der bekannten Bar mit Club entstanden
       sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie junge Menschen „Deutschland den
       Deutschen – Ausländer raus!“ grölen. Ein Mann macht eine Geste, die an den
       Hitlergruß denken lässt. Am 24. Mai hatte die Polizei den Vorfall publik
       gemacht.
       
       Der Mitschnitt sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Die besonders breite
       Empörung dürfte auch darin begründet gewesen sein, weil er verdeutlichte,
       dass rassistische Äußerungen kein Phänomen allein von saufenden Neonazis
       oder Dorfprolls sind, sondern auch in der reichen Oberschicht zu finden
       sind.
       
       Die Pony-Betreiber hatten kurz nach Bekanntwerden der Vorfälle öffentlich
       Position bezogen. Jetzt wollten sie sich auf dpa-Anfragen nicht äußern. Auf
       der Instagram-Seite der Bar ist noch immer der Post angepinnt, in dem sie
       sich vor vier Wochen von dem Fall distanziert und gegen „Rassismus,
       Faschismus und jegliche Form von Diskriminierung“ ausgesprochen sowie
       erklärt hatten, die verantwortlichen Party-Gäste anzuzeigen.
       
       Nach eigenen Angaben hatten sie Morddrohungen erhalten, sagten die
       Club-Betreiber. „Wir werden aufs Übelste beleidigt und erhalten
       Morddrohungen“, schrieben sie auf dem Instagramprofil des Clubs. Dazu
       veröffentlichten sie eine Sequenz aus einem Überwachungsvideo, das die
       Szene aus einem anderen Blickwinkel zeigt.
       
       ## Zwei weitere mögliche Rassismus-Fälle auf Sylt
       
       Sequenzen einer Pfingstparty ohne rassistische Gesänge oder einen
       Zusammenhang dazu teilten die Betreiber vor rund zwei Wochen auf Instagram:
       Junge Frauen tanzen dort mit gefüllten Gläsern in engen Kleidern und kurzen
       Röcken, Männer wippen in weißen Hemden fröhlich lachend zu Techno-Beats.
       
       Grelle Drohnenbilder zeigen Luxusautos und schnelle Schwenks über Feiernde
       auf der Terrasse. Aus Magnumflaschen wird Champagner ausgeschenkt, parallel
       dazu ist der Schriftzug „Champagne-Shower“ mit drei Flaschen-Emojis
       eingeblendet. Halt [3][die übliche Sylt-Dekadenz] der Reichen und Schnöden
       ohne braunes Beiwerk.
       
       Die Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings auch noch in zwei weiteren
       Fällen – die ebenfalls zu Pfingsten in Kampen passiert sein sollen. In dem
       einen Club soll ein Gast ebenfalls „Deutschland den Deutschen, Ausländer
       raus!“ gerufen haben, hier wird jetzt wegen Volksverhetzung ermittelt.
       
       In einem dritten Fall sei laut Winterfeldt ein Beschuldigter gefunden – er
       muss sich jetzt wegen Körperverletzung, Volksverhetzung und
       Sachbeschädigung verantworten. Er soll am Pfingstsonntag auf einer Straße
       nahe einem Strandlokal in Kampen eine 29-jährige Frau attackiert und
       rassistisch beleidigt haben – bei dem Angriff wurde die Frau laut Polizei
       leicht verletzt.
       
       ## Sylter Dehoga-Chef: Insel ist keine Rechten-Hochburg
       
       Die Stimmung im Dorf sei, nach einigen turbulenten Tagen, jetzt
       glücklicherweise wieder ruhig, sagte Kampens Bürgermeisterin Stefanie Böhm
       (Kampener Wählervereinigung). „Sylt hat eine Strahlkraft: Durch die
       bundesweite mediale Öffentlichkeit nach dem Vorfall im Pony werden einige
       Menschen vielleicht sensibler und achtsamer sein.“
       
       Das könne demnach dazu beitragen, dass viele bei ähnlichen Vorkommnissen
       andernorts noch genauer hinschauen und hinhören. „Gerade in diesen Zeiten
       müssen wir in Bezug auf solche rassistischen Äußerungen alle achtsam und
       aufmerksam sein.“ So etwas habe auf keiner Pfingstparty, [4][auf keiner
       Feier überhaupt], etwas zu suchen.
       
       Auch Dirk Erdmann, Sylter Dehoga-Chef und Betreiber des Hotels Rungholt in
       Kampen, zeigte sich erleichtert: „Wir sind froh, dass sich die Sache
       beruhigt hat, aber wir müssen alle Zivilcourage zeigen, das ist elementar,
       damit so etwas nicht noch einmal passieren kann“, sagte er der Deutschen
       Presse-Agentur. Die Europawahl habe deutlich gemacht, in welche Richtung
       sich Deutschland politisch entwickle – die verhältnismäßig niedrigen
       [5][Ergebnisse der AfD in Schleswig-Holstein] zeigten auch, dass das
       nördlichste Bundesland und somit Sylt „keinesfalls als Rechten-Hochburg
       bezeichnet werden kann“.
       
       „Sylt war, ist und bleibt eine weltoffene und freundliche Insel“, teilte
       Florian Korte, Sprecher Gemeinde Sylt, gegenüber dpa mit. Nach
       Bekanntwerden des Videos hatte sich die Gemeinde mit dem Tourismus-Service
       abgestimmt und in kurzer Zeit ein gemeinsames Statement veröffentlicht.
       Dieses habe selbstverständlich weiterhin Bestand.
       
       ## Konsequenzen für die Gröler auf Sylt
       
       Als Reaktion auf das [6][Video mit rassistischem Gegröle] hatten sich auf
       Sylt mehrere Dutzend Menschen zu einer Mahnwache im Inselort Kampen
       versammelt. Sie wollten ein Zeichen gegen rechts setzen. Einige Tage später
       war eine kleine Gruppe von etwa zehn Punks unter dem Motto „Laut sein gegen
       rechts!“ durch Westerland gezogen. Später plante die Initiative „Sylt gegen
       rechts“ eine größere Demonstration vor dem Rathaus in Westerland.
       
       Für einige Beteiligte hatte das Gegröle [7][ein schnelles Nachspiel]: Die
       Werbeagentur-Gruppe Serviceplan Group erklärte, sie habe einen beteiligten
       Mitarbeiter fristlos entlassen. Auch die Hamburger Influencerin Milena Karl
       entließ nach eigenen Angaben eine Mitarbeiterin, die dabei war.
       
       Einer beteiligten Studentin hatten ebenfalls schwere Konsequenzen gedroht,
       ihre Hamburger Hochschule, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften
       (HAW), hatte den Rausschmiss geprüft, [8][sich jetzt aber dagegen
       entschieden.] Ein bis Ende Juli gegen die Studentin ausgesprochenes
       Hausverbot an der Uni bleibe laut HAW aber bestehen.
       
       23 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Verbot-des-Songs-Lamour-toujours/!6010287
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   DIR [4] /Nach-dem-Skandal-Video-von-Sylt/!6010381
   DIR [5] https://bundeswahlleiterin.de/europawahlen/2024/ergebnisse/bund-99/land-1.html
   DIR [6] /Rechtsextreme-Gesaenge-auf-Sylt/!6012559
   DIR [7] /Rechte-Reiche-im-rassistischen-Video/!6012658
   DIR [8] /Nach-Nazi-Parolen-auf-Sylt/!6014953
       
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