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       # taz.de -- Nachruf auf Regisseur Helmut Dietl: Isch scheiß disch zu mit meinem Geld
       
       > Dietl war einer, dessen Humor schwer auf einen Nenner zu bringen ist.
       > Klischees, Vulgäres, Entlarvendes – seine Filme zeigten von allem etwas.
       
   IMG Bild: Verstarb am 29. März 2015 im Alter von 70 Jahren: Heltmut Dietl.
       
       BERLIN taz | Die deutsche Komödie hat zwar Zuschauer – aber keine Freunde.
       Sie ist wie ein peinlicher Bekannter, dem man nicht ausweichen kann, neben
       dem man jedoch auf keinen Fall gesehen werden will. Helmut Dietl hat dieses
       Missverhältnis für eine gewisse Zeit immerhin verändert. Bei „Schtonk!“
       (1992), „Rossini“ (1997) oder auch noch „Late Show“ (1999) von Arbeits-
       oder Studiumskollegen im Kino erwischt zu werden, war sozial überlebbar.
       Und dabei spielt im letztgenannten Thomas Gottschalk mit. Sich als Fan von
       Fernsehserien wie „Monaco Franze“ (1983) oder auch den „Münchner
       Geschichten“ (1974) zu outen, verschaffte gar Distinktionsgewinn. Aus „Kir
       Royal“ (1986) zitieren zu können – „Isch scheiß disch zu mit meinem Geld!“
       – war Mainstream.
       
       Dabei ist der Dietl-Humor nur schwer auf einen Nenner zu bringen. Er hat
       nichts mit den Männerklischees eines Til Schweiger zu tun, nichts mit den
       Vulgaritäten eines Matthias Schweighöfer und nichts mit dem Besserwissertum
       eines Harald Schmidt.
       
       Und doch hat er von all dem etwas. Von jenen Typen, die Dietls frühe Serien
       bevölkern, dem von Günther Maria Halmer gespielten Karl „Tscharlie“ Häusler
       aus den „Münchner Geschichten“ oder dem von Helmut Fischer gegebenen
       „Monaco Franze“ bis hin zur Gemeinschaft der Restaurant-Besucher in
       „Rossini“ inszenierte Dietl wieder und wieder dieselbe Palette von
       Männergestalten, allesamt geeint von ausgeprägter Gockelhaftigkeit und
       habituellem Sexismus.
       
       Diese Typen waren zugleich mehr und weniger als Männerklischees,
       eigenartiger, eckiger, immer mit Erdung. Wenn Mario Adorf mit seinem
       samtigen Bass-Idiom die Figur einer Frau damit anpries, dass man für sie
       fünf Arme bräuchte, und Heiner Lauterbach in gewohnter Ätzigkeit ergänzte
       „... und drei Schwänze“ – dann hatte das auch etwas entwaffnend
       Selbstentblößendes. Und das machte aus den Dietl-Zoten oft – nicht immer –
       etwas Lebenswahres, etwas, in dem die ganz normale männlich-menschliche
       Kläglichkeit und der seltenere individuelle Großmut zur Geltung kamen. Und
       man verzieh den Figuren sogar, dass es sich bei der angepriesenen Traumfrau
       um Veronika Ferres handelte.
       
       Die Dietl-Serien, das muss man sozusagen als Spoilerwarnung vorausschicken,
       wirken heute völlig veraltet, wie aus der Zeit gefallen. Junge Männer
       namens Karl, die „Tscharlie“ genannt werden? Dialogzeilen wie „Ois
       Chicago!“ oder „I glaab jetz schmier I eahm oane. Soll I eahm oane schmiern
       Spatzl?“, wobei das „Spatzl“ die damals 52-jährige Ruth-Maria Kubitschek
       war? Auch „der Baby“, der von einem schnauzbärtigen Franz Xaver Kroetz
       verkörpert wurde – gegenüber Frisch-auf-die-Erde-Gefallenen kommt man da
       schon in Erklärungsnöte. Dabei hilft es zu begreifen, dass die Serien auch
       schon in zu ihrer Zeit, den 70er und 80er Jahren, etwas völlig
       Unzeitgemäßes hatten. Gerade das war ihr Charme, mehr noch, darin lag
       gerade ihre Subversivität.
       
       ## Eigensinn, Lebensart, Lebenskünstlertum
       
       Sicher, „Kir Royal“ steckt voller Anspielungen auf die reale Münchner
       Schickeria, auf Franz Josef Strauß und „How Thing Are Done in Bavaria“,
       aber die Serie war kein zeitaktuelles Kabarett. Man lachte nicht, weil man
       erkannte, dass „Medienmogul Gregori Wiener“ Leo Kirch nachgebildet war,
       sondern man lachte, weil „der Baby“ sich von ihm nicht einschüchtern ließ,
       was nichts mit einer bestimmten politischen Haltung zu tun hatte, sondern
       mit Eigensinn, Lebensart, Lebenskünstlertum.
       
       Um die „Münchner Geschichten“ oder „Monaco Franze“ auch heute noch genießen
       zu können, muss man sich deshalb Zeit nehmen und sich einlassen auf die
       spezielle Tonart der Figuren. Dass es meist nur eine Staffel mit sechs bis
       12 Folgen gibt, erleichtert die Sache zusätzlich. Die Pointen mögen heute
       lahm wirken, wenn man sie überhaupt versteht, aber der widerständige Geist
       der Figuren, die gegen das Glatte und Kommerzielle, gegen das politisch
       Korrekte und politisch Erwartete stehen, kann immer noch bestechen.
       
       Dietls Filme in den 90ern funktionierten ein wenig anders. Ein bisschen
       scheint es heute so, als habe er im Dreischritt von „Schtonk!“ über
       „Rossini“ bis zur „Late Show“ die alte Bundesrepublik zu Grabe getragen.
       Jenes putzige Land ohne Euros mit seinen wohligen Regionalismen, in denen
       Köln für Karneval, Schwäbisch für Geiz und München für
       Möchtegern-Schickeria, Lederhosen und Franz-Josef Strauß stand.
       
       Auch für die Kinofilme gilt, dass die Pointen heute weniger gut
       funktionieren als seinerzeit. Aber dafür sind sie ein Schaulaufen
       großartiger Schauspielerauftritte: Wenn in „Schtonk!“ Ulrich Mühe den
       taffen Verleger gibt, der sich vom öligen Götz George einwickeln lässt,
       während Harald Juhnke den jovialen Berliner Konformisten mimt („Das wird
       die Sensation: Adolf Hitler privat!“), weiß man kaum, ob man lachen oder
       vor Rührung weinen soll.
       
       In den 2000er Jahren ging Dietl der Zugang zum Zeitgeschmack etwas
       verloren. Zuletzt versuchte er mit „Zettl“ (2012) die Figuren von „Kir
       Royal“ im wiedervereinigten Deutschland wieder aufleben zu lassen. Das ging
       nicht gut. Aber das heißt nicht, dass das, was davor war, dadurch
       beschädigt wurde. Helmut Dietl verstarb am 30. März 2015 70-jährig in
       München.
       
       31 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Schweizerhof
       
       ## TAGS
       
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