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       # taz.de -- Nausėda bleibt Präsident: Litauen setzt auf Kontinuität
       
       > Verspätetes Geburtstagsgeschenk: Der litauische Präsident Gitanas Nausėda
       > gewinnt die Stichwahl. Er ist eifriger Ukraine-Unterstützer – und
       > Schachfan.
       
   IMG Bild: Gegen Putin und Orbán: Gitanas Nausėda ist der alte und neue Präsident von Litauen
       
       Berlin taz | Dieses verspätete Geburtstagsgeschenk dürfte Litauens
       Staatschef Gitanas Nausėda, am 19. Mai 60 Jahre alt geworden, gerne
       entgegengenommen haben. Bei der Stichwahl für das Präsidentenamt am
       vergangenen Sonntag erhielt der gemäßigte Konservative knapp 75 Prozent der
       Stimmen. Nun wird er für fünf weitere Jahre an der Spitze des baltischen
       Staates stehen. „Litauens Unabhängigkeit und Freiheit ist wie ein
       zerbrechliches Gefäß, das wir hegen, schützen und vor dem Zerbrechen
       bewahren müssen“, sagte er am Wahlabend.
       
       Zerbrechlich wirkt Nausėda, der knapp zwei Meter misst, nicht gerade. In
       der Hafenstadt Kleipėda geboren, ging er zum Studium der
       Wirtschaftswissenschaften nach Vilnius. 1988 und damit zwei Jahre vor
       [1][Litauens] Unabhängigkeit, trat er der Kommunistischen Partei bei, was
       jedoch erst im April 2023 öffentlich wurde.
       
       In einer Stellungnahme begründete Nausėda diesen Schritt mit der Hoffnung
       auf bessere Karrierechancen als Wissenschaftler und bezeichnete sich selbst
       als „dummen sturen jungen Mann“. Er habe jedoch versucht, diesen Fehler
       seiner Jugend im späteren Leben wieder gutzumachen.
       
       1990 bis 1992 bereitete sich Nausėda, ausgestattet mit einem Stipendium des
       DAAD, in Mannheim auf seine Promotion vor. Die Erkenntnisse, die er in
       Deutschland gewonnen habe, kämen ihm immer noch zugute, sagte er einmal.
       Nach dem Erhalt höherer akademischer Weihen stieg er in den Bankensektor
       ein. Parallel dazu lehrte er an unterschiedlichen Hochschulen – zuletzt als
       Professor an der Business School der Universität Vilnius.
       
       ## Tolerant? In LGBTQ-Fragen weniger
       
       Im September 2018 gab er bekannt, bei der Präsidentenwahl im Folgejahr als
       unabhängiger Kandidat antreten zu wollen. In der Stichwahl setzte er sich
       damals mit knapp 66 Prozent der Stimmen gegen die konservative Politikerin
       Ingrida Šimonytė durch. Sie hatte ihn diesmal erneut herausgefordert.
       
       Mittlerweile ist Nausėda in der Europäischen Union [2][einer der
       vehementesten Unterstützer der Ukraine] – und das nicht nur militärisch. In
       seiner ersten Amtszeit war er die treibende Kraft bei der Erhöhung der
       Verteidigungsausgaben Litauens. Diese sollen in den kommenden Jahren auf
       mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, sagte er am
       Montag, am Tag nach der Wahl.
       
       Der verheiratete Vater zweier Töchter wird nicht müde, vor Russland zu
       warnen. Im vergangenen Oktober kritisierte er Ungarns Regierungschef Viktor
       Orbán, weil dieser Kremlchef Wladimir Putin die Hand geschüttelt hatte.
       Orbán flirte mit einem Regime, das Gräueltaten auf dem Territorium der
       Ukraine begehe, sagte er.
       
       Gintaras Tomkus, Chefredakteur der Tageszeitung Vakaru Ekspresas,
       bezeichnete Nausėda als einen Mann der Tradition sowie sehr geduldigen
       toleranten und zugänglichen Menschen. In puncto Toleranz dürften dieser
       Beschreibung nicht alle zustimmen. Nausėda spricht sich gegen Maßnahmen zur
       Beendigung der Diskriminierung der LGBTQ-Minderheit und die Ratifizierung
       der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen aus. Auch die
       Entkriminalisierung von Cannabis lehnt er ab
       
       Das scheint seiner Popularität keinen Abbruch zu tun – genauso wenig wie
       sein Angebot an einige derer, die für ihn eine Unterstützerunterschrift
       geleistet hatten, zu einem Gratiskaffee einzuladen. Nach einer Intervention
       der Wahlkommission ruderte er zurück. Jetzt geht es jedoch vorwärts –
       schöner dürften die Zeiten nicht werden. Vielleicht hat Nausėda trotzdem
       Zeit für eine Schachpartie. Das ist eines seiner Lieblingshobbys.
       
       27 May 2024
       
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