# taz.de -- Neue Regeln für die Fleischbranche: Werkverträge nur noch als Ausnahme
> Als Konsequenz aus der Häufung von Corona-Fällen sollen große
> Schlachtbetriebe ihre Arbeiter künftig direkt anstellen. Die Branche
> reagiert empört.
IMG Bild: Die Arbeitsbedingungen und Unterbringung der Mitarbeiter in Schlachthöfen werden kritisiert
Berlin dpa | Nach der Häufung von Corona-Fällen in verschiedenen
Fleischbetrieben will die Bundesregierung die Regeln für die
Fleischindustrie verschärfen. Es sei Zeit, „in diesem Bereich aufzuräumen
und durchzugreifen“, hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gesagt. Das
Bundeskabinett will an diesem Mittwoch nun Eckpunkte für ein
„Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft“ auf den Weg bringen.
Dieses sieht vor, Werkverträge in der Fleischindustrie vom nächsten Jahr an
weitgehend zu verbieten.
Hintergrund der Entscheidung ist, dass es in mehreren fleischverarbeitenden
Betrieben etwa in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Bayern und Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen [1][eine Häufung
von Corona-Fällen gegeben hatte]. Vermutet wird, dass die Infektionen
begünstigt werden durch enge Sammelunterkünfte und eine fehlende Einhaltung
von Hygieneregeln. Arbeitsbedingungen und Unterbringung der Mitarbeiter,
von denen viele aus Osteuropa stammen, stehen schon länger in der Kritik.
„Niemand wird mehr ernsthaft bestreiten können, dass das
Infektionsgeschehen und die Unterbringung der Menschen in Zusammenhang
stehen“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Katja Mast.
Ins Visier geraten sind vor allem sogenannte Werkverträge. Damit können
Unternehmen bestimmte Arbeiten bei anderen Firmen einkaufen, die sich dann
um die komplette Ausführung kümmern. Das soll mehr Flexibilität etwa bei
stark spezialisierten Tätigkeiten ermöglichen. Doch Konstruktionen mit
mehrfach verschachtelten Subunternehmern erschweren am Ende auch
Kontrollen, wie Heil beklagte: „Da wird organisiert Verantwortung
abgewälzt, so dass niemand mehr verantwortlich gemacht werden kann.“
Ab dem kommenden Jahr sollen Werkverträge in der Fleischindustrie
weitgehend verboten werden. Das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch
soll ab 1. Januar 2021 nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des
eigenen Betriebs zulässig sein. Die gesetzliche Regelung soll den Plänen
des Arbeitsministers zufolge aber nur Unternehmen treffen, deren
Kerngeschäft Schlachten und Fleischverarbeitung ist. „Für Betriebe des
Fleischerhandwerks ist eine gesonderte Betrachtung möglich“, heißt es in
Heils Eckpunkten für ein „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“,
die im Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen werden sollen.
Geplant sind außerdem eine Verdoppelung der maximal möglichen Bußgelder bei
Arbeitszeitverstößen von heute 15.000 auf bis zu 30.000 Euro, die
Einführung einer Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung und mehr
Kontrollen von Fleischbetrieben. Arbeitgeber, die eine Unterkunft für
Beschäftigte stellen, sollen zudem verpflichtet werden, die Behörden über
Einsatz und Wohnort ihrer ausländischen Arbeitskräfte zu informieren.
In der Diskussion über das Thema ist immer wieder auch der Preis ein großes
Thema. [2][Billigangebote bei Fleisch] sorgen bei Bauern wie Tierschützern
für Ärger. Auch Arbeitskosten spielen da eine Rolle. „Gekoppelt an höhere
Tierschutzstandards und eine verbindliche Haltungs- und
Herkunftskennzeichnung kann auch eine Tierschutzabgabe dazu beitragen, den
Umbau zu artgerechter Tierhaltung zu finanzieren“, sagte
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der dpa. Der Bauernverband mahnt
allerdings auch, die Fleischerzeugung dürfe nicht ins Ausland verlagert
werden. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem Tagesspiegel, Ziel
müsse eine gemeinwohlorientierte Agrarpolitik sein, in der Fleisch ein
„edles, aber kein Luxusprodukt“ sei. „Ich will keine soziale Spaltung über
das Schnitzel“, sagte Bartsch.
## Fleischwirtschaft warnt vor Abwanderung
Scharfe Kritik kommt aus der Fleischwirtschaft. Arbeitsminister Heil sei
von Gewerkschaftern aufgehetzt und stigmatisiere ohne fachliche und
sachliche Kenntnis eine einzelne Branche, sagte Heike Harstick,
Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Fleischwirtschaft, den Zeitungen
der Funke Mediengruppe. Auf Werkverträge könne nicht verzichtet werden.
„Denn für viele manuelle Arbeiten wie in der Fleischwirtschaft findet man
keine Arbeitskräfte mehr auf dem deutschen Markt.“
Harstick rechnet damit mit, dass durch ein Verbot „große Teile der
Fleischproduktion ins Ausland abwandern“ werden. Die aufgetretenen
Corona-Fälle in Betrieben der Fleischwirtschaft seien Einzelfälle. Auch der
Fleischfabrikant und Aufsichtsratschef des Bundesligisten FC Schalke 04,
Clemens Tönnies, hat vor der Abschaffung von Werkverträgen gewarnt. Das
berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung unter Berufung auf ein Schreiben des
Unternehmers an Heil. „Ein generelles Verbot von Werkverträgen in der
Fleischwirtschaft hätte massive, strukturell-negative Veränderungen für die
Agrarwirtschaft zur Folge“, argumentiert Tönnies den Angaben zufolge darin.
## DBG kritisiert „organisierte Verantwortungslosigkeit“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) spricht dagegen von „organisierter
Verantwortungslosigkeit in der Fleischindustrie“. „Die Werkverträge sind
die Wurzel dieses Übels und gehören abgeschafft“, sagte
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen
in der Fleischindustrie seien seit Jahren eine Katastrophe. Auch die
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hatte ein Verbot von Werkverträgen
verlangt.
20 May 2020
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